59.

794 52 11
                                    

♛ 𝒄𝒍𝒊𝒏𝒕𝒐𝒏 𝒌𝒂𝒏𝒆 - 𝒉𝒐𝒑𝒆𝒍𝒆𝒔𝒔 ♛

Weil ich heute schon den gesamten Tag so merkwürdig bin, rase ich die Treppen nach unten und reiße die Haustür auf, was mir zwar wegen Mom leid tut, die ich jetzt einfach habe alleine oben stehen - oder vielleicht noch besser gesagt - sitzen lassen, aber ich meine Hoffnung, dass der Prinz da an der Tür gewesen ist, hat einfach alles andere überholt, also bin ich nun da.

Und der Anblick, der sich mir da gibt, ist mehr, als nur herzzerreissend.

»Shadow?«, frage ich ungläubig, auch wenn ich gehofft habe, dass er da ist. Nur nicht in diesem Zustand. Er ist am ganzen Körper durchnässt und zittert - ob es nun wegen der Kälte oder seinem emotionalen Zustand ist, weiß ich auch nicht genau. Seine tintenschwarzen Locken liegen zerzaust auf seinem Kopf und er sieht komplett unverwandt aus. Seine geröteten Augen sehen irgendwie an mir vorbei und auf seinen Wangen sind Tränenspuren zu erkennen, vermischt mit den Regentropfen, die aus seinem Haar auf sein Gesicht tropfen.

Er ist komplett schwarz angezogen, dazu zählen seine Springerstiefel, zerrissene Jeans und ein Pullover. Er sieht so elend und kaputt aus, dass sich mein Herz und meine Seele so unangenehm zusammenziehen, dass ich für einen Moment Angst habe, keine Luft mehr zu kriegen.

»Oh, Shadow«, murmle ich und schlinge meine Arme fest um ihn, wobei es mir vollkommen egal ist, wie nass er nun am Ende des Tages ist, weil ich weiß, wie viel Umarmungen anstellen können und es einfach verdammt wehtut, ihn so zu sehen. Niemand sollte so sehr leiden müssen. Was auch immer bei ihm los ist, ich wünschte, ich könnte es irgendwie gut machen.

Für einen Moment glaube ich schon, dass er mich nicht zurück umarmt, weshalb ich meine Arme fesger um ihn schließe. Er braucht das jetzt und ich weiß es ganz genau. Ich kenne ihn dafür gut genug. Doch als er seine Arme dann endlich auch um mich schliesst, tut er es richtig fest. Er bringt uns beide damit ein wenig ins Stolpern, aber das ist mir egal. Hauptsache, ich kann gerade irgendwie für ihn da sein.

Er umklammert mich, als würde sein Leben davon abhängen und selbst als der Druck nachlässt, weil seine Schultern zu beben beginnen und er wohl einfach keine Kraft mehr hat, lasse ich ihn nicht los. Shadow vergräbt seinen Kopf an meinem Hals und die Tränen, die mein Schlüsselbein herunterrinnen, brennen sich wie Brandmale in meine Haut.

»Es...es ist vo-vorbei«, schluchzt er, worauf sein gesamter Körper erschüttert wird und ich tief schlucke, während ich beruhigend über seinen Rücken streiche.

Was ist vorbei?, will ich schreien, doch der Kloß in meinem Hals ist zu groß dafür. Es ist, als könnte Shadow seinen Schmerz durch die Berührung zwischen uns auf mich übertragen, nur damit sich mein gesamtes Inneres anfühlt, als würde es langsam verbrennen. So, wie es ihn gerade innerlich aufzufressen scheint. Ich habe ihn noch nie so gesehen und es ist mit Abstand das Herzzerreissendste, was ich jemals erlebt habe.

»Vorbei«, wiederholt er und schliesst seine Arme so fest um mich, als gäbe es kein Morgen. Vielleicht braucht er diesen Trost nun unerbittlich.

»Was ist passiert?«, traue ich mich irgendwann dann doch noch leise zu fragen, während ich realisiere, dass der Regen die Stille zwischen uns füllt. Er pirscht so stark auf die Dächer herunter, dass ich hier auf der kleinen Veranda das Gefühl habe, dass die Welt Shadow dabei unterstützt, einzustürzen. Als wäre sie damit einverstanden, dass es ihm so mies geht. Oder dass sie so kaputt ist, wie er es gerade ist.

Doch Shadow antwortet mir nicht. Ich kann nur spüren, wie er seinen Kopf schüttelt, als Zeichen, dass er es mir nicht - oder noch nicht - erzählen kann. Himmel, es muss etwas Schlimmes gewesen sein. Ich habe ihn noch nie so gesehen und ich wünsche mir auch, ihn nie wieder so zu sehen, weil keiner diese Art von Zustand verdient hat.

ShadowWhere stories live. Discover now