Exotic Dream

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Selbstverständlich beschwert sich Thorsten am nächsten Tag mit einem süffisanten Grinsen im Gesicht über meine angebliche Unproduktivität. Vielleicht bin ich wirklich etwas  langsamer als sonst, kann aber nicht wirklich sagen, ob es an der Müdigkeit liegt oder an den Gedanken, die mich ablenken.

Jannik blitzt immer wieder in meinem Kopf auf: der schöne Jannik, nackt, das Bild auf seinem Arm, ein kleineres auf seiner Brust, das da gar nichts zu suchen hat. Dicht gefolgt von Moritz, der mir in real so anders vorkam. Natürlich, denn trotz dem, was ich über ihn in Erfahrung  bringen konnte, hat mein Gehirn die Lücken ganz von alleine aufgefüllt. Das Bild meiner Einbildung passte nicht zu der aufrechten Haltung, dem stetig amüsierten Funkeln in seinem Blick. Ohne Zweifel ist auch er schön. Und doch habe ich das gestern Nacht in Gedanken nicht mit ihm   erlebt. Noch als wir einander eine Gute Nacht gewünscht haben, hatte ich seinen besten Freund dabei vor Augen.

Heute hat Mo sich noch nicht gemeldet. Bislang war es unausgesprochen so, dass immer derjenige von uns, der dem anderen am Abend zuvor das letzte Wort überlassen hat, sich am Morgen gemeldet hat. Demnach wäre nun er an der Reihe, doch den ganzen Tag über kam keine Nachricht, und die Kollegen halten mich zu sehr in Atem, um mir zu überlegen, wie ich  ihn fragen soll, ob  er mir nun wirklich aus dem Weg gehen will.

Obwohl die Woche  gerade erst beginnt, sitzen wir am Abend wieder zusammen, die Kollegen  und ich, weil irgendjemand Gebutstag hat. So ist das nunmal Tradition: Wir sind eine Familie, und wer Geburtstag hat, der lädt den Rest des Trupps am Abend auf ein Bier ein. Ich erinnere mich an die Erklärungsnöte von Hendrik, der es irgendwie geschafft hat, die Regel nach der Geburt seines ersten Kindes zu brechen. Nach der vergangenen Nacht bin ich viel zu müde, um schon wieder auf wertvollen Schlaf zu  verzichten, doch natürlich komme ich um ein paar Runden Bier nicht  herum.

Nach einem schief gegrölten Ständchen - noch immer ist mir  nicht ganz  klar, für wen wir eigentlich singen - kommt die Sprache  plötzlich auf mein Liebesleben. Unterhält sich Tim wirklich mit jedem darüber? Ich werfe ihm einen genervten Blick zu. "Und, was war jetzt  mit dem Typen, der dir kein Foto geschickt hat?", neckt er. Mit ein bisschen Alkohol intus ist er viel selbstbewusster als im nüchternen Zustand. "Du meinst  den, mit dem ich mich gestern getroffen habe?",  feixe ich zurück. Thorsten klopft mir auf die Schulter, spricht mich erst nach Beendigung des Themas in gedämpfter Lautstärke darauf an. "Hat der Blonde euch später noch ein bisschen Zeit zu zweit gelassen?",  hakt er nach, zwinkert verschwörerisch. Schockiert blicke ich meinen Stiefvater an. Fragt er gerade wirklich, was ich denke, das er fragt? Will er das später noch brühwarm meiner Mutter erzählen, damit sie sich wieder Sorgen machen kann und mich an die Geschichte mit Markus erinnern? Und wieso denkt er, ich hätte das Date mit Jannik gehabt?  "Moritz ist  der Blonde.", erkläre ich, Thorsten hebt überrascht seine Augenbrauen.  "Oh.", sagt er, erinnert mich ungut an Sandras Reaktion vom Vortag. Was sehen sie bloß alle, das mir entgeht? "Was?",  frage ich, ungehaltener als beabsichtigt, bermerke aus dem Augenwinkel,  wie sich ein paar junge Leute auf der anderen Seite des Raumes zu mir umdrehen. Darunter ein  blonder Junge, dessen Gesicht ich kenne.

Was macht Moritz hier? Hat er nicht Spätdienst? Oder war das doch  erst  morgen? Wie schafft er es bloß, bei seinem Dienstplan die Woche zu planen? Und wieso hat er sich nicht mehr gemeldet?

"Naja...",  lenkt Thorsten meine Aufmerksamkeit wieder auf sich, es  scheint ihm nun doch etwas unangenehm zu sein, sich eingemischt zu haben. Dass das  möglich ist, hätte ich nicht gedacht, schließlich scheint im Betrieb jeder alles über jeden zu wissen - wenn es einen  interessiert. "Du hast  den anderen mit Kuchen gefüttert. Ich dachte, das  sei  unmissverständlich." Kurz bin ich verwirrt über seine Behauptung, bis mir der Moment wieder ins Gedächtnis kommt. Das war ja nichtmal beabsichtigt! Von mir zumindest nicht.

Second Sight - Verliebt in eine PhantasieDonde viven las historias. Descúbrelo ahora