zweiunddreißig.

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Seokjin.

Müde schaute ich durch die riesigen Fenster meines Krankenhauszimmers nach draußen. Das Wetter war ein Traum, der Himmel erstrahlte in einem hellen Blau über der Erde, die Sonne schien, es war warm, doch der ruhige Tanz der Blätter zeigte mir, dass eine leichte Brise wehen musste.

Wie gerne ich jetzt draußen mit Namjoon oder den anderen etwas unternehmen würde. Am besten mit allen zusammen. Die Vorstellung, mit ihnen in einem abgelegenen See zu schwimmen und zu plantschen oder im Park ein leckeres Eis zu essen, weckte Sehnsucht in mir. Ich versuchte wirklich, mich von ihr nicht zerfressen zu lassen, aber es fiel mir schwer.

Ich war einfach nicht mehr dazu in der Lage, mich körperlich sonderlich groß zu betätigen. An dem Tag, nach dem ich aufgewacht war, hatte es noch ein paar Untersuchungen gegeben, allerdings hatten diese keinerlei Neuigkeiten offenbart, mir nur noch mal mehr vor Augen geführt, wie krass mein Herz eigentlich am Arsch war. Und das schien ich mit jeder Stunde, die verstrich, auch mehr zu spüren.

Alles, was ich in diesen Tagen tat, war, in meinem Bett zu liegen und zu schlafen. Zwischendurch kamen die anderen, redeten mit mir, erzählten mir davon, was sie so gemacht hatten, bis mich die Erschöpfung wieder einschlafen ließ. Essen tat ich auch kam noch und wenn, war mir das nur mit Hilfe möglich. Von meinem Stuhlgang wollte ich gar nicht erst anfangen.

Ein schwaches Seufzen entfuhr mir, das Hoseok, der zurzeit bei mir saß, aufschauen ließ. Er blickte mich ruhig an und lächelte vorsichtig, aber ich konnte ganz genau erkennen, wie Trauer und Angst in seinen dunklen Augen glitzerten.

Ich hasste diesen Blick. Alle trugen ihn, sobald sie bei mir waren, obwohl sie alles daran taten, ihn nicht durchsickern zu lassen. Aber er sickerte durch und führte dazu, dass ich ein schlechtes Gewissen bekam, gegen das ich mich kein bisschen wehren konnte.

Ich wollte nicht, dass sie sich wegen mir Sorgen machten. Ich wollte nicht, dass sie Angst davor hatten, dass ich bald sterben würde. Ich selbst hatte doch auch keine Angst. Ich selbst war doch auch nicht traurig. Ich war einfach nur ... müde. So unendlich müde.

Das Einzige, das mich retten könnte, wäre ein Spenderherz. Und wie sehr ich auch immer gehofft hatte, eines Tages die Nachricht zu erhalten, dass es eines für mich gäbe; so unwahrscheinlich es auch war, dass ich noch in den nächsten Tagen eins bekommen würde, ich war mir mittlerweile nicht mal mehr sicher, ob ich dazu bereit wäre, es anzunehmen.

Zweifel plagten mich, denn je näher ich meinem Todestag kam, desto öfter und intensiver grübelte ich darüber, ob es nicht einfach besser wäre, wenn ich tatsächlich bald sterben würde.

Da ich die letzten knapp sechs Jahre kein einziges Mal beim Arzt gewesen war, war meine Herzinsuffizienz so weit fortgeschritten, dass mir nicht einmal eine mechanische Unterstützung etwas bringen würde, so kaputt und schwach war mein Herz inzwischen. Daher hatte ich die Möglichkeit dazu verpasst, nur das Herz eines anderen Menschen würde mir jetzt noch mehr Lebenszeit schenken können.

Aber was würde mir ein Spenderherz bringen? Ich würde vielleicht ein Jahr gewinnen, möglicherweise sogar fünf, im ganz, ganz unwahrscheinlichen Fall noch mehr. Zudem müsste ich bis zu meinem neuen Todesdatum Immunsepressiva nehmen, damit mein Körper das fremde Organ nicht abstoßen und mich dadurch selbst umbringen würde.

Also, was würde mir ein Spenderherz bringen? Kämen damit nicht nur noch mehr Probleme? Wäre es dann nicht tatsächlich leichter, mit meinem eigenen Herzen den Tod zu finden, selbst wenn das schon in wenigen Tagen wäre?

Ich hatte mich wirklich damit abgefunden, jeden Moment sterben zu können. Theoretisch musste sich jeder damit abfinden, denn keiner konnte vorhersagen, was in der nächsten Sekunde passieren würde, nur war es bei mir eben wahrscheinlicher, dass mich die nächste Sekunde das Leben kosten würde.

𝐑𝐄𝐌𝐈𝐍𝐈𝐒𝐂𝐄𝐍𝐂𝐄 | NAMJINOù les histoires vivent. Découvrez maintenant