fünfunddreißig.

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Ein paar Monate später ...

Eine kühle Brise wehte mir durch die tintenschwarzen Haare, zerstörte meine eh schon nicht vorhandene Frisur, indem sie mir die Strähnen vor das Gesicht wirbelte. Mir war tatsächlich ein wenig kalt, dabei war der Herbst vor Kurzem erst angebrochen. Die nächsten Wochen würden noch viel, viel frischer werden, doch irgendwie freute ich mich auch darauf. Es hatte etwas Schönes, dass die Jahreszeiten einem regelmäßigen Wechsel unterlagen, etwas Beständiges, das niemals vergehen würde.

Während ich über den schmalen Pfad aus Erde entlangschritt, ließ ich meinen Blick durch die Gegend schweifen. Alles, was ich sah, war eine weite Fläche aus grüner Wiese, die zu dieser Zeit gar nicht mehr so grün war, Bäume mit halbnackten Ästen, die im Wind tanzten, herumwirbelnde Blätter.

Und zwischendrin unzählige Grabsteine.

Sie wirkten fast schon radikal in dieser doch so naturbehafteten Gegend, nur die Blumenkränze und Kerzen, die sich auf manchen der Steine befanden, gaben dem Ganzen einen lieblicheren Touch. Es war trotzdem ein Ort, den ich nur ungern aufsuchte, ich quälte mich schon nahezu dazu, mich mindestens einmal die Woche hierhin zu bewegen.

Ob man sich jemals daran gewöhnen würde, ein Grab zu besuchen?

Weit und breit war niemand zu sehen, sodass das Einzige, das meine Ohren wahrnahmen, das Rauschen der sterbenden Blätter und meine eiligen Schritte auf der leicht aufgewühlten Erde waren. Wenig verwunderlich, immerhin ging die Sonne bereits unter und wir hatten es mitten in der Woche am Rande Seouls auf einem Friedhof.

Als ich gesuchten Platz erreicht hatte, blieb ich stehen und hielt inne. Langsam wandte ich den Kopf zu dem schlichten, aber doch markanten Grabstein, betrachtete die Worte, die auf diesem standen. Anders als andere Gräber war dieses hier gepflegt, makellos, geschmückt mit Blumen und Kerzen. Aber das war verständlich, schließlich kümmerte ich mich sehr genau darum, dass hier nichts verwahrlosen würde.

Ein leises Seufzen entfuhr mir, ehe ich mich vor das Grab kniete. Meine Hände verkrampften sich ein wenig, zitterten, was jedoch nicht einzig an der Abendkälte lag, die mir unter die Kleidung kroch. Sobald ich ein paar tiefe Atemzüge genommen hatte, platzierte ich den Rosenstrauß, den ich bis jetzt die ganze Zeit bei mir getragen hatte, auf dem Grab, richtete ihn noch, damit es hier auch weiterhin ordentlich aussehen würde.

Die Lippen aufeinanderpressend, legte ich meine Hände anschließend auf meinen Schoß, die Augen fest auf den Grabstein gerichtet.

"Hey, Namjoon", sprach ich dann sanft und lächelte. "Hier bin ich wieder. Hast du mich vermisst?"

Ich lachte leise, merkte dabei, wie mir Tränen aufstiegen. Selbst nach all den Monaten, die bereits vergangen waren, fiel es mir immer wieder schwer, Namjoons Grab zu besuchen und ihm von meinem Tag zu erzählen, einfach hier zu sein, in seiner Nähe. 

"Entschuldige", murmelte ich nach ein paar Sekunden des Schweigens, in denen ich meine Tränen tapfer weggeblinzelt hatte. "Es ist nur so", fuhr ich danach nachdenklich fort, "dass ich dich sehr vermisst habe. Es immer noch tue. Aber das weißt du ja."

Ich ballte meine Hände zu Fäusten, holte tief Luft, um mich innerlich ein wenig sammeln zu können.

"Soll ich dir erzählen, was ich heute so gemacht habe?", fragte ich dann. "Hm", grübelnd kratzte ich mir die Schläfe, "um ehrlich zu sein, heute war ein gewöhnlicher Tag. Ich habe nicht viel gemacht, war am Vormittag nur im Quatervois und hatte zusammen mit Hoseok Schicht. Und den Rest des Tages habe ich die Wohnung aufgeräumt - das muss ja auch mal sein -, bevor ich schon in die Stadt gegangen bin, um dir diesen Strauß zu kaufen. Ich hoffe, er gefällt dir."

𝐑𝐄𝐌𝐈𝐍𝐈𝐒𝐂𝐄𝐍𝐂𝐄 | NAMJINOnde histórias criam vida. Descubra agora