1. Meine Klasse

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Ich betrat das Klassenzimmer und sah mich vorsichtig um, da ich wusste, dass ich zu spät war. Ich hätte mein Zuspätkommen natürlich entschuldigen können, da ich noch einer Lehrerin geholfen hatte, ihre Bücher in den Arbeitsraum zu bringen. Aber zum Glück war die Lehrerin, die wir jetzt hatten, noch nicht da.

Um das festzustellen, musste ich nicht mal um die Ecke schauen, da die Schüler noch munter mit einander redeten und sich austauschten. Am Waschbecken standen ein paar Jungs und ich sah missbilligend zu ihnen hinüber, während ich zu meinem Platz hinüberging.

,,Da bist du ja.", begrüßte Moni mich. ,,Was genau machen die Jungs da?", wollte ich skeptisch wissen. ,,Die leeren gegenseitig ihre Wasserflaschen aus", antwortete Moni. ,,Warum?", fragte ich verwirrt. Moni zuckte die Schultern. Seufzend setzte ich mich zu ihr. ,,Kindsköpfe", murmelte ich.

Immer das gleiche. Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich die Jungen, die ihren Standort vom Waschbecken zum Fenster verlagert hatten und Schnipsel hinaus rieseln ließen. Verächtlich schnaubte ich und schlug mein Englischbuch auf.

,,Ähm...Klassensprecherin...?", versuchte mich Quentin darauf aufmerksam zu machen, was die Jungen da taten, doch ich winkte ohne aufzusehen ab. Ich wusste, dass unter unserem Klassenzimmer das Lehrerzimmer war und das wir so in spätestens fünf Minuten einen Lehrer oder eine Lehrerin hier oben stehen hatten, der oder die sich wunderte, warum es im Lehrerzimmer Papierschnipsel schneite und die wusste, dass auf so eine hirnverbrannte Idee nur die Jungen aus der 10a kamen.

Wenn unsere Englischlehrerin nicht vorher da war und den drei Jungen am Fenster erst eine Standpauke halten und ihnen dann Strafarbeiten aufbrummen würde. Nach diesen erfreulichen Gedanken vertiefte ich mich wieder in mein Buch.

Vor der Stunde wollte ich noch schnell den Stoff durchgehen, obwohl ich ihn sicher beherrschte. Vorsicht war besser als Nachsicht. Außerdem war grade nichts Sinnvolleres zu tun. Gerade fuhr ich mit dem Finger die Zeile entlang, in der die Vokabel stand, die am einfachsten war, da stolperte einer der Jungen gegen meinen Tisch, er verrutschte einen halben Meter nach hinten und stieß mich hart in die Rippen. ,,Kannst du nicht aufpassen?", raunzte ich Jonathan an. ,,Sorry, Robin hat mich geschubst ", entschuldigte er sich halbherzig, doch ich hatte schon wieder den Tisch zurückgeschoben und mich in das Buch vertieft.

Ich war auch die Einzige, die während der Befragung alle Vokabeln wusste. Nicht, dass das etwas Besonderes war, ich war Klassenbeste in Englisch. Und in den meisten anderen Fächern auch. In einer Klasse wie meiner war das jedoch keine Herausforderung.

Die Jungen, die auf die Idee mit den Papierschnipseln gekommen waren, mussten nach der Stunde noch bleiben und unter Aufsicht eines Lehrers eine Strafarbeit schreiben, wie unsere Englischlehrerin ankündigte.

,,Ansonsten bin ich aber stolz darauf, dass ihr eine so unkomplizierte Klasse seid", lobte sie uns.

Ich sah mich im Raum um. Der Durchschnitt an geistigem Alter lag bei fünf. Das höchste geistige Alter unter den Jungen fand sich momentan vermutlich bei Jonathan, da man ihm im Schlaf keine Dummheit ansah. Der Rest der Klasse bestand aus Tussis, die sich mehr für Fingernägel, als für Unterricht interessierten und aus Idioten, die sich den ganzen Tag mit Papierkügelchen bewarfen oder dumme Sprüche klopften.

Und dann gab es noch Moni und mich. Moni war etwas kleiner als ich und wenn man es genau nahm ziemlich niedlich, aber auch naiv und leichtgläubig. Ihr konnte man so gut wie alles erzählen, sie glaubte es. Einmal hatte sie Robin geglaubt, dass er ein Zwergpony besaß und wollte es unbedingt einmal sehen, bis Robin ihr erklärt hatte, dass es nur ein Spaß gewesen war. Danach war Moni ziemlich enttäuscht gewesen, aber sie war im Unterricht wenigsten still und erwartete nicht, dass ich mit ihr redete.

Im Unterricht passte ich lieber auf. Meine Note in Englisch war dieses Halbjahr nämlich fast eine halbe Note gefallen, da Robin von der Lehrerin hinter mich und Moni gesetzt worden war und er alles dafür tat, um uns vom Unterricht abzulenken. Und ich konnte nicht riskieren dieses Jahr in Englisch nur eine zwei zu bekommen. Das würde meinen Schnitt ruinieren und das konnte ich nicht zulassen.

,,Moni, Please. Could you tell me what you're doing together with Robin? If you forgot: We're having English now. So would you please tell me what the shortened version of number seven is?"
Moni drehte sich schnell herum und hörte auf mit Robin zu reden. Den schwarzen Kulli, mit dem sie bis gerade eben etwas auf
Robins Arm gezeichnet hatte, legte sie neben ihr Blatt, auf dem sie nun hektisch die Nummer sieben suchte. ,,Ähm...I..."
Sie warf mir einen bittenden Blick zu. Ich sah einfach nur weiter nach vorne. Es war ihr Problem, wenn sie im Unterricht nur noch mit Robin redete, anstatt aufzupassen. ,,I...'ve going... to..."
Die Lehrerin unterbrach ihr Stottern nach einer Weile gnädig. ,,Stop. Next time just listen. Elizabeth, can you build me a whole sentence?"

Ich setzte mich gerade hin. ,,I've gone to the bakery, thinking about what I should buy."
,,Thats very good, thank you." Mit noch einem bösen Blick auf Moni machte unsere Lehrerin weiter mit dem Unterricht.

Moni sah mich ein wenig enttäuscht an. ,,Wenn du es wusstest, warum hast es mir nicht gesagt?", wisperte sie. Ich antwortete nicht, doch sie fragte sie noch einmal nach. ,,In English please", sagte ich. Moni wandte sich seufzend ab. ,,Just forget it." Englisch war nicht ihre Stärke.
Wütend sein aber auch nicht, deshalb wusste ich, dass sie diesen Vorfall spätestens in der nächsten Pause vergessen haben würde.

Nach dem Unterricht liefen wir zusammen zum Bahnhof. Neben uns liefen Robin und Quentin her, die auch mit dem Bus nach Hause fuhren. Moni redete angeregt mit Robin. Das ,,Tattoo" auf seinem Arm hatte sie auch vervollständigt. Dort war nun ein Kätzchen zu sehen.

Quentin lief neben mir her. ,,Glaubst du, Moni und Robin mögen sich?", fragte er so leise, dass es nur wir beide hören konnten. Ich zuckte die Schultern. ,, Ich glaube nicht." ,,Aber du bist doch ihre beste Freundin." ,,Ich würde es eher eine Gemeinschaft während der Schulzeit nennen, aber deine Wortwahl bleibt dir überlassen."

Quentin sagte nichts mehr.

Sich in der Schule Freunde zu suchen, war doch ziemlich erbärmlich.

1000 Wörter

Fünf im KopfWhere stories live. Discover now