Kapitel 11

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Der Kuss ist  nicht drängend. Harry hat zu Beginn einfach nur seine Lippen auf meinen liegen. Er wartet, ob ich mich zurückziehe oder nicht. Ich weiß auch nicht, warum ich genau das nicht mache. Er zieht mich gerade einfach in seinen Bann, wie auch immer er das schafft. Nach ein paar Sekunden, in denen wir einfach nichts gemacht haben, scheint es, als wolle er seine Lippen von meinen nehmen.

Was auch immer gerade mit mir los ist, aber ich möchte das nicht. Vielleicht sind es seine Lippen, die so weich sind, oder einfach die angenehme Wärme, die Harry's gesamter Körper ausstrahlt.

Ich drücke mich ihm sanft entgegen und beginne, meine Lippen leicht zu bewegen. Ich merke, dass er in den Kuss hinein lächelt und passt sich mir an. Während wir uns küssen, streicht er mit seiner einen Hand sanft über meinen Rücken, mit der anderen gleitet er zu meiner Wange.

Der Kuss fühlt sich so gut an, dass ich nicht möchte, dass er endet. Doch als Harry mit seiner Zunge leicht an meine Lippen tippt, löse ich mich von ihm. "Was zur Hölle machen wir hier???", flüstere ich. - "Keine Ahnung, aber meiner Meinung nach fühlt es sich verdammt gut an". Ich lächle und kann meinen Blick nicht von ihm abwenden. Harry streicht mir eine Haarsträhne aus der Stirn.

Ich räuspere mich und rücke ein Stück von ihm weg, sodass er seine Hände von mir lösen muss. "Ich glaube, wir sollten jetzt mal langsam gehen", sage ich und schwimme zur Leiter. Er steigt nach mir aus dem Wasser und wir holen uns unsere Handtücher. "Bist du nächste Woche am Samstag wieder hier?", fragt er mich leise. Ich schüttle den Kopf und erkläre ihm:"Wir veranstalten doch abends eine kleine Party für Paul. Zur Verabschiedung."

Er sieht mich fragend an. Dann fällt mir ein, dass er ja die letzten Tage nicht beim Training war und füge noch hinzu:" Ich arbeite freitags immer im The Wilmington und meine Chefs haben gemeint, dass sie am Samstag das Restaurant schließen, sodass wir dort feiern können. Niall und so kommen auch, also du kannst gerne noch jemanden mitbringen". - "Okay, ich werde da sein. Soll ich noch irgendetwas helfen?"

Ich überlege kurz. Zu den anderen Jungs hatte ich gesagt, dass Willy, Tommy und ich alles organisieren. Sie sollen bloß noch Trinken und so mitnehmen. Niall hatte mir allerdings trotzdem geschrieben, dass er beim Aufbau am Freitag hilft. "Wenn du möchtest, kannst du schon am Freitag um 17 Uhr zum Restaurant kommen, da bauen wir alles auf". Er nickt und wir gehen in Richtung Umkleiden.

Zuerst bin ich etwas verwundert, als er mit in  die Gemeinschaftsumkleide kommt, aber dann fällt mir ein, dass er ja seine Tasche dort abgestellt hatte. Normalerweise zieht er sich immer in einer Einzelumkleide um. Als wir ankommen, geht er an seine Tasche und ich betrachte seine Rückansicht. Er lässt seine Muskeln an den Schultern leicht spielen und ich muss zugeben, dass er wirklich ziemlich ansehnlich ist.

"Du starrst", sagt er ohne sich umzudrehen. Ich habe aus seiner Stimme jedoch ein Grinsen herausgehört. Peinlich berührt gehe ich an meine Tasche und ziehe mich schnell um, ohne Harry noch mal anzuschauen. Seinen Hintern muss ich mir jetzt nicht unbedingt anschauen, wobei der bestimmt genauso gut aussieht wie der Rest von Harry. Fuck! Das habe ich gerade nicht wirklich gedacht, oder???

Zum Glück stehe ich mit dem Rücken zu ihm, weshalb er nicht sieht, dass mein Gesicht die Farbe einer Tomate annimmt. Als ich untenrum soweit angezogen bin und nur noch mein Pullover fehlt, drehe ich mich wieder um und sehe, dass Harry schon fertig ist und auf der Bank sitzt und mich beobachtet. Ich ziehe fragend eine Augenbraue hoch und er fängt an zu grinsen. "Was du kannst, kann ich schon lange". Ich antworte nichts weiter darauf und packe meine Sachen zusammen. Wir gehen aus der Halle und ich schließe noch schnell ab.

"Wie kommst du jetzt heim?", fragt Harry. Ich zucke mit den Schultern und sage:" Mit der Tube". - "Soll ich dich mitnehmen? Ich bin mit dem Auto da". Kurz überlege ich. Eigentlich mag ich es nicht, so spät noch mit der Tube zu fahren, da dort um diese Zeit immer so viele komische Leute herumhängen, die mir nicht zu 100 Prozent geheuer sind. Dankend nehme ich sein Angebot an.

Wir gehen zu seinem Auto und - wie sollte es auch anders sein- er öffnet mir wieder die Tür. Die Heimfahrt verläuft wieder in einer angenehmen Stille. Mit einem Blick auf die Uhr stelle ich fest, dass es bereit  kurz vor Mitternacht ist. Harry schaltet das Radio an und summt leise mit. Fuck, er kann wirklich verdammt gut singen.

Als wir bei mir ankommen, schaltet er die Musik wieder aus und dreht sich auf seinem Sitz leicht zu mir. "Ich fand es heute wirklich schön". Ich erröte leicht, aber durch die Dunkelheit sieht er es zum Glück nicht. Kurz bin ich in dem Funkeln seiner Augen wieder gefangen, ehe ich ihm zustimme. "Danke für's Heimfahren". - "Kein Ding. Bis Montag?" Ich nicke und steige aus dem Auto. Ich winke noch kurz und gehe dann in meine Wohnung. Dort angekommen, spritze ich mir kaltes Wasser ins Gesicht.

Ich kann nicht glauben, was in den letzten Stunden alles passiert ist. Ich empfinde nichts für Harry, da bin ich mir sicher. Und außerdem: Mädchen küssen sich doch bestimmt auch mal freundschaftlich, da dürfen Jungs das auch. Ja, das ist es. Es war einfach ein Kuss unter Kumpeln. Mehr nicht.

*~*

Der Rest des Wochenendes vergeht ruhig. Am Sonntag Nachmittag telefoniere ich nochmal mit meiner Familie. Ich tue alles, um mich irgendwie abzulenken, aber ich muss ständig an den Kuss denken. Es hätte niemals so weit kommen dürfen. Ich hätte gestern Abend einfach daheim bleiben sollen. Wie soll ich Harry denn jetzt gegenübertreten?! Ich werde versuchen müssen, mir vor den anderen nichts anmerken zu lassen.

Wie stehe ich denn dann da? Ich habe einfach einen fucking Jungen geküsst! Und ausgerechnet Harry! Ich weiß von Niall, dass Harry homosexuell ist. Ich habe natürlich kein Problem damit, aber falls jemand von unserem Kuss mitbekommt, denkt jeder, ich stehe auf Harry. Klar, er sieht verdammt gut aus, aber Niall zum Beispiel ist auch nicht gerade hässlich und deswegen küsse ich ihn nicht gleich.

Ich sage ja auch gar nicht, dass der Kuss schlecht war. Ich habe mich bei Harry irgendwie sicher gefühlt. Seine Berührungen waren einfach ganz anders, wie ich von Eleanor kenne. Viel sanfter und schlichtweg so, dass man alles um sich herum ausblendet.

Ich schalte meine Lieblingsserie ein. Doch wirklich darauf konzentrieren kann ich mich natürlich nicht. Wie sollte es auch anders sein... Ich schalte den Fernseher wieder aus und schaue mir meine Notizen aus der Uni an. Doch auch das bringt nichts. Ich überlege kurz und lasse mir dann Wasser in die Badewanne. Ich lege mich hinein und kann endlich etwas entspannen. Mein Handy liegt auf dem Rand und ich schalte etwas Musik ein.

Kurz bevor ich dann  wegdöse, werde ich plötzlich hellwach. Es wird gerade ein Lied abgespielt. Ohne darüber nachdenken zu müssen, weiß ich sofort, woher ich es kenne. Harry sang es gestern im Auto auf der Heimfahrt. Ich setze mich auf und schaue nach dem Namen des Liedes: I found- Amber Run

Als die Töne verklingen, höre ich es mir von vorne an. Genau sieben mal. Danach steige ich aus der Badewanne und lasse das inzwischen kalt gewordene Wasser ablaufen. Mein Kopf ist wie leer.

Ich ziehe mir meine Boxershort an, putze Zähne und gehe ins Bett. Zu mehr bin ich heute  nicht mehr fähig. Kaum, dass ich mich zugedeckt habe, falle ich auch schon in einen unruhigen Schlaf.

Irgendwann nachts wach jedoch wieder auf und schaue auf die Uhr. Es ist zwei Uhr. Seufzend stehe ich auf und gehe in die Küche. Ich trinke ein Glas Wasser und schaue aus dem Fenster. Ein paar Wolken ziehen gerade vorbei, sodass der Mond und die Sterne hell vom Himmel scheinen. Nach einer Weile gehe ich wieder zurück ins Schlafzimmer und lege mich in mein Bett. An schlafen ist allerdings nicht zu denken.

Ich bin irgendwie hellwach. Als ich um vier Uhr immernoch wach liege, nehme ich mir meine Kopfhörer und schalte wieder den Song ein. Auf Dauerschleife. Nach einiger Zeit fallen mir dann doch die Augen zu und ich kann noch ein bisschen schlafen, ehe mein Wecker wieder klingeln wird.





Emerald green eyes || Part 1 (Larry Stylinson)Where stories live. Discover now