Kapitel 68

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Ich bin wohl eingeschlafen, denn als ich wieder zu mir komme, blicke ich direkt in Harrys lächelndes Gesicht. "Hallo Schlafmütze", sagt er und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. "Hey. Wie spät ist es denn?", frage ich und reibe mir über die Augen. Harry nimmt sein Handy vom Nachttisch und schaut auf die Uhrzeit. "Es ist gleich 19 Uhr. Die blöden Ärzte kommen bestimmt gleich wieder für die Untersuchung vorbei", sagt er unzufrieden. - "Schatz, die Ärzte machen auch nur ihren Job. Ich kann dich verstehen, dass sie dich nerven, aber sieh es positiv, vielleicht darfst du morgen wieder feste Nahrung zu dir nehmen", beruhige ich ihn. Er seufzt genervt und blickt aus dem kleinen Fenster. "Meinst du ich werde morgen auf die normale Station verlegt? Ich komme mir hier immer so beobachtet vor", sagt er, weshalb ich grinsen muss. Tatsächlich ist mir das bereits auch schon aufgefallen, dass man nie wirklich seine Ruhe hat, da immer eine Krankenschwester hinter der verspiegelten Scheibe sitzt und Harry im Auge behält. "Ich hoffe es zumindest. Wenn es heute Nacht keine Auffälligkeiten mehr gibt, wüsste ich nicht, was dagegensprechen sollte, dich zu verlegen", sage ich nachdenklich. Prompt klopft es an der Tür und die Ärzte kommen herein.

"Guten Abend, Mr. Styles und Mr. Tomlinson. Wie geht es Ihnen, Harry?", begrüßt uns Dr. Carter. - "Eigentlich ganz gut. Ich bin noch etwas kraftlos und ich habe noch ein wenig Bauchschmerzen und... woanders", sagt Harry und läuft knallrot an. Er krallt sich in der Bettdecke fest und zupft daran herum. Ich lege beruhigend meine Hand auf seine, wodurch er aufhört, die Bettdecke zu zerrupfen. "Die Bauchschmerzen kommen noch von Ihrer Operation. Durch die starken Verletzungen muss sich Ihr Körper erst wieder regenerieren und fit werden. Und die Schmerzen im Analbereich sind normal. Da wir Sie ja nähen mussten, kann es gut sein, dass die Naht sich etwas unangenehm anfühlt. Wenn Sie dann bitte wieder Ihr Hemd anheben könnten? Ich werde zunächst Ihren Bauch untersuchen", sagt Dr. Carter.

Eine Krankenschwester kommt mit dazu und hat sämtliche Pflaster und Verbände auf ihrem Wagen, den sie vor sich herschiebt. Sie nickt uns freundlich zu. Harry schiebt sein Nachthemd bis zu seiner Brust, damit sein Bauch frei liegt. Aufgrund der Naht an seinem Po darf er noch keine richtige Boxershorts tragen, weshalb er beschämt die Bettdecke bis knapp unter die Hüfte zieht. Ich wende mich bewusst etwas ab, da ich nicht weiß, ob er das vor mir ebenso als unangenehm empfindet. Außerdem reicht es ja, wenn zwei fremde Menschen ihn so sehen. Ich gehe zum Fenster und schaue hinaus. Es scheint endlich mal wieder die Sonne und die Temperaturen sind wohl etwas gestiegen. Wurde jetzt auch mal Zeit, dass der Frühling sich ankündigt.

"Ab wann wird Harry denn auf die normale Station verlegt?", frage ich und gehe wieder zu meinem Freund. Dr. Carter hat den Verband am Bauch bereits fertig gewechselt, sodass Harry das Nachthemd wieder ein Stück runterziehen kann. "Diese Nacht würden wir ihn noch gerne auf Intensiv behalten. Morgen oder am Samstag können wir dann mal über eine Verlegung nachdenken", erklärt sie mir. Falls in der Nacht plötzlich starke Schmerzen oder Übelkeit mit Erbrechen auftreten, sagen Sie und bitte gleich Bescheid, denn dann macht Ihre verbleibende Niere eventuell Probleme", sagt sie dann an Harry gewandt. Er nickt nur, da die Ärzte ihm jeden Morgen und jeden Abend das Gleiche erzählen.

"Dann würde ich mir bitte gerne die Naht an Ihrem After anschauen", sagt sie. Harry richtet sich etwas auf. Die Krankenschwester möchte gerade die Bettdecke von seinem Schritt entfernen, da zuckt mein Freund zusammen und blickt panisch zu mir. Ich gehe zu ihm und nehme seine Hand. "Ganz ruhig, sie wollen dir nur helfen", murmle ich ihm zu. Ich kann verstehen, dass er nervös ist und Angst hat, immerhin ist dies das erste mal, dass er diese Untersuchung aktiv mitbekommt.

"Kannst... kannst du vielleicht so lange rausgehen?", fragt Harry plötzlich leise, ohne mich anzusehen. Auch wenn ich das nicht erwartet hatte, nehme ich es ihm nicht übel. Wieso sollte ich auch, ich glaube ich an seiner Stelle hätte nicht anders gehandelt, immerhin sind wir beide noch nie miteinander intim geworden.
"Klar, ich warte draußen", sage ich und gebe ihm einen Kuss auf die Stirn. Vor der Tür setze ich mich auf einen Stuhl und nehme mein Handy aus der Hosentasche. Seit Harry im Krankenhaus ist, habe ich gar kein Zeitgefühl mehr. Dass Harry gestern am Dienstag erst operiert wurde und heute Donnerstag Abend ist, fühlt sich merkwürdig an. In der Zwischenzeit ist einfach so viel passiert, dass es sich eher wie eine Woche anfühlt. Ich beschließe, ein wenig auf dem Gang auf und ab zu laufen. Skeptisch rieche ich unter meinen Armen. Auch ich hätte eine Dusche dringend nötig, aber ich möchte Harry hier einfach nicht allein lassen. Ich möchte für ihn da sein.

Nach einer Weile öffnet sich die Tür und Dr. Carter und die Krankenschwester treten heraus. "Mr. Tomlinson?", spricht die Ärztin mich an. Ich sehe sie abwartend an. "Die Polizei wird entweder morgen oder übermorgen Ihren Verlobten sprechen wollen. Ich musste es ja leider melden, aber der Gesundheitszustand Ihres Verlobten geht vor. Die Verletzungen beginnen langsam, etwas abzuheilen. Ich konnte jetzt nichts Verdächtiges feststellen. Dennoch sollten Sie nun vielleicht zu ihm, er war... wie soll ich sagen... etwas panisch, als ich ihn im Intimbereich untersucht habe", erklärt sie mir. Ohne ein weiteres Wort lasse ich sie stehen und renne zu Harry ins Zimmer.

Er sitzt zusammengekauert auf seinem Bett und presst seine Arme vor seinen Unterleib. Obwohl er mit Sicherheit gerade starke Schmerzen verspüren müsste, so verkrampft wie er da sitzt, bin ich mir sicher, dass er diese im Moment nicht wahrnimmt. "Schatz?", frage ich leise und gehe langsam auf ihn zu. Er sieht mich mit angsterfüllten Augen an und presst die Lippen aufeinander. Seine Wangen sind mit Tränen verschmiert und auch seine Augen glitzern erneut. "Darf ich dich umarmen?", frage ich - nicht wissend, wie ich mit ihm umzugehen habe. Ich möchte ihn so gerne trösten und sagen, dass alles wieder gut wird, aber- wird es das überhaupt?

Plötzlich zieht Harry mich mit einem Ruck an meinem Handgelenk zu sich aufs Bett und vergräbt sein Gesicht in meinem Schoß. Er fängt an, bitterlich zu weinen und zu schluchzen. Erschüttert streiche ich ihm beruhigend durch die Haare und über den Rücken. "Shh, Baby, es ist alles in Ordnung. Lass es raus", flüstere ich beruhigend. Mein Herz schmerzt bei Harrys Anblick. Er sieht gerade einfach nur gebrochen aus. Wenn ich gerade einen Wunsch frei hätte, dann würde er lauten, dass mein Freund endlich wieder glücklich sein soll. Wie viel Schmerz kann ein Mensch denn ertragen? Harry musste so viel mitmachen, ich weiß nicht, was ihn aus seinem dunklen Loch retten könnte.

Er krallt sich in meinem Shirt fest und zittert am ganzen Körper. "Es... es tut mir... es tut mir so... so leid", bringt er zwischen einzelnen Schluchzern hervor und zeigt auf meine, von seinen Tränen durchnässte, Hose. Beruhigend streiche ich ihm die Locken aus dem Gesicht. Ich lege beide Hände an seinen Nacken und wische mit meinen Daumen sanft die Tränen von seinen Wangen. "Es ist okay. Du bist nicht allein. Ich habe dir versprochen, immer für dich da zu sein. Und meine Hose ist mir egal. Du bist das Wichtigste für mich", sage ich und lege vorsichtig meine Stirn an seine.

Harry lehnt sich an mich. Er zittert immernoch, doch bis auf ein paar vereinzelte Schluchzer beruhigt er sich wieder etwas. "Bin ich ein Psycho?", fragt er plötzlich unsicher. Verwirrt löse ich mich von ihm und sehe in seine Augen. Sie sind gerötet und etwas verquollen, doch das Grüne ist genauso schön wie immer. "Quatsch, wie kommst du denn darauf?" Er zuckt niedergeschlagen mit den Schultern. "Dr. Carter meinte, dass sie mich demnächst zu einem Psychologen schicken möchte. Ich möchte aber niemand Wildfremden irgendetwas aus meinem verfickten Leben erzählen", sagt er wütend. - "Schatz, sie meint es doch nicht böse. Aber bitte sei nicht sauer auf mich, wenn ich das jetzt sage, doch vielleicht ist es wirklich sinnvoll. Er hat einen neutralen Blick auf dich und manchmal... manchmal weiß ich nicht, wie ich am Besten mit dir umgehen soll. Ich weiß nicht, wann du meine Nähe möchtest und wann du dich dadurch bedroht oder eingeengt fühlst. Ich weiß nur, dass es besser ist, wenn du dir alles von der Seele redest. Ob nun ich diese Person bin, oder jemand Anderes, spielt dabei keine Rolle. Du darfst nur nicht alle Gefühle oder Gedanken verstecken, sondern sie zulassen. Es ist menschlich, dass du gerade Angst hast, genauso wie Trauer und Wut. Aber du musst dich jemandem anvertrauen, sonst zerbrichst du irgendwann daran", sage ich nachdenklich.

"Und ich brauche dich doch", füge ich etwas leiser hinzu und senke meinen Blick in den Schoß.

Eine ganze Weile ist Stille, doch dann greift Harry meine Hand und verschränkt unsere Finger miteinander. "Ich überlege es mir", flüstert er. Zufrieden nicke ich und beuge mich etwas zu ihm. Für einen kurzen Moment habe ich Bedenken, er stößt mich weg, doch dann spüre ich seine zarten Lippen auf meinen. Ich erwidere den Kuss und lehne mich dagegen. "Du schmeckst so gut", nuschle ich gegen seine Lippen, was ihn endlich zum Lachen bringt.

Glücklicherweise haben mir die Ärzte erlaubt, nachts bei Harry zu bleiben, da er sie davon überzeugt hat, dass ich beruhigend auf ihn wirke. Ich gehe noch kurz ins Bad, lasse das Licht extra aus, um nicht zu sehen, wie scheiße ich gerade aussehe und lege mich dann zu meinem Freund ins Bett. "Gute Nacht, Baby", sage ich und ziehe ihn auf meine Brust. - "Gute Nacht, Lou. Danke für alles", flüstert er zurück, doch da bin ich schon eingeschlafen.

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Emerald green eyes || Part 1 (Larry Stylinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt