Kapitel 78

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"Ich habe... also... Harrys Mum und seine Schwester tragen ebenso diesen Gendeffekt in sich, sie kamen als Spender also nicht infrage. Und auf Eurotransplant konnten die Ärzte nicht warten, meine Niere war die letzte Chance für Harry. Die Operation war kurz nachdem ich dich angerufen hatte. Ich konnte dir das alles einfach nicht in dieser freien Minute erzählen. Ich wollte dich in Ruhe anrufen", erkläre ich. Meine Mum atmet einmal geräuschvoll aus. "Wow... das ist...ähm... großartig, Louis. Ich meine, ich bin ehrlich gesagt noch etwas sprachlos. Naja, etwas ist untertrieben, ich weiss gar nicht, was ich sagen soll. Aber... ich bin wirklich stolz auf dich, das kannst du mir glauben. Du hast einem Menschen das Leben gerettet. Ich habe euch immer darauf vorbereitet, wie das Leben laufen kann. Dass es mal schlechte und mal gute Zeiten gibt, doch eine Nierentransplantation... naja das stand nicht auf der Liste von möglichen Dingen, die euch passieren werden. Zumindest dachte ich das bis gerade eben. Aber dass du mit gerade einmal 21 Jahren eine so wichtige Entscheidung aus dem Herz heraus getroffen hast, macht mich unfassbar stolz". Ich muss nach ihrer kurzen Rede erst einmal hart schlucken. Ich hätte wirklich alles erwartet. Eine riesen Diskussion, Streit, Ermahnungen- aber kein Lob und ausgesprochenen Stolz. Ich liebe meine Mum einfach dafür. Sie sagt es einem, wenn man Scheiße gebaut hat und weist einen zurecht, doch wenn es drauf ankommt, ist sie immer für uns Kinder da. Ich wünschte, Harry könnte das von seiner Familie auch sagen.

Aber dafür hat er mich. Ich stehe hinter ihm, egal was passiert.

"Und nimmt Harrys Körper denn die Niere an?", fragt Jay. Ich zucke mit den Schultern und kratze an dem Etikett der Wasserflasche herum. Diesen Tick habe ich manchmal, wenn ich nervös bin. Genauso dass mein Knie dann herumhibbelt. Harry nervt das immer, weil er dann selbst unruhig wird, aber ich kann nichts dagegen tun. - "Bis jetzt läuft alles gut, ich hatte nur vorhin das Gefühl, dass er Fieber bekommt, was natürlich kein gutes Zeichen wäre". Meine Mutter seufzt besorgt. "Dann richte ihm bitte auf jeden Fall gute Besserung von der ganzen Familie aus. Wir würden euch so gern besuchen, aber leider sind wir momentan wieder ziemlich knapp bei Kasse, weil Marcs Laptop kaputt gegangen ist und wir einen neuen kaufen mussten. Die Zugtickets würden wir uns nicht leisten können", erklärt sie bedauernd. - "Mach dir keine Gedanken, Mum. Wir kommen schon klar", sage ich, damit sie nicht ein noch schlechteres Gewissen bekommt. - "Wenn etwas ist, du kannst jederzeit bei uns anrufen, das weißt du ja. Was sagt Harry denn eigentlich dazu, dass er jetzt einen Teil von dir bei sich trägt?" Das hat sie jetzt aber schön formuliert. "Naja... er ähm... er weiß es nicht. Die Spende war anonym... auf meinen Wunsch hin".

"Was? Wieso denn das?", hakt Jay verwundert nach. Im Hintergrund höre ich Kindergeschrei von Ernest und Doris. Sie scheinen Verstecken mit Fizzy zu spielen. Wie gerne wäre ich jetzt dabei...

"Als ich es ihm erzählen wollte, hat er indirekt angedeutet, dass er wütend wäre, wenn er die Person kennt. Er möchte nicht Schuld daran sein, dass der Spender womöglich irgendwann daran stirbt, weil er nurnoch eine Niere hat. Und Harry... er hat im Moment genug andere Sorgen. Ich möchte nicht, dass er sauer auf mich ist. Er soll erstmal wieder komplett gesund werden". - "Bist du die sicher, dass das eine so gute Entscheidung ist? Ich glaube, dass Harry wütender wäre, wenn er herausfindet, dass ihm jeder verheimlichte, dass du der Spender bist". Nachdenklich klemme ich mein Handy zwischen Ohr und Schulter und hole die Pizza aus dem Backofen.

"Egal wie ich es mache, Harry wird so oder so sauer sein. Aber wenn er es später erfährt, ist er immerhin gesund. Das ist das Wichtigste".

"Naja ich möchte euch da nicht reinreden. Aber bitte tu nichts unüberlegtes und pass auf dich auf, ja?", bittet sie mich liebevoll. - "Das mache ich. Ich muss jetzt leider auflegen. Viele Grüße an alle. Bye, Mum". - "Guten Appetit. Tschüss, mein Schatz".

~*~

Am nächsten Morgen verarzte ich noch kurz die Operationsnaht. Ich desinfiziere sie, schmiere eine Salbe von Dr. Carter darauf und klebe neue Pflaster darüber, in der Hoffnung, dass die verbleibende Narbe dann wenige sichtbar wird. Es ist etwas umständlich, weil ich an meiner Seite nicht so gut drankomme, doch irgendwann ist es geschafft und ich ziehe mir locker anliegende Klamotten an. Ein enger Jeansbund würde an der Stelle bloß reiben und wehtun, also ziehe ich einfach eine Jogginghose an. Der Hoodie ist einer der wenigen von Harry. Er besitzt hauptsächlich schicke Hemden, die ihm aber auch wirklich außerordentlich gut stehen. Er sieht immer unfassbar heiß darin aus. Wobei er ja ohnehin tragen kann was er will- er sieht in allem gut aus... oder auch ohne allem.

Ich muss zugeben, mir fehlt der Sex. Mit Eleanor hatte ich ständig Sex und dann von einem Tag auf den anderen gar nicht mehr. Es ist eine ganz schöne Umstellung, vor allem wenn ich einen so attraktiven Freund habe. Es bereitet mir immerzu ein schlechtes Gewissen, wenn ich mich öfter mal im Badezimmer verschanzen muss, um mein Problem zu beheben, wenn Harry und ich uns etwas angenähert haben. Aber außer oberkörperfrei und ein paar schüchterne Berührungen lief nichts. Und immerhin sind Harry und ich bald ein halbes Jahr zusammen. Ich bin auch nur ein Mann mit gewissen Bedürfnissen. Aber es würde mir als letztes einfallen, Harry einen Vorwurf daraus zu machen. Er ist schon unsicher genug, da dränge ich ihn zu nichts. Schon gar nicht in nächster Zeit. Jacks Handlungen hat Harry um einiges zurückgeworfen, ich bin ja schon froh, wenn ich ihn umarmen darf. Ich werde mich also gedulden müssen. Ich bin schließlich nicht nur für Sex mit Harry zusammen, sondern weil er mich nicht mehr allein fühlen lässt. Wir verstehen uns blind und bei ihm fühle ich mich geborgen. Beim bloßen Gedanken an ihn kribbelt alles in mir und meine Lippen verformen sich automatisch zu einem Lächeln. Allein wenn ich an Harrys durchdringende, grüne Augen denke, bekomme ich eine Gänsehaut. Ich darf ihn niemals verlieren. Er ist das Wertvollste in meinem Leben und ich werde alles dafür geben, dass es ihm gut geht und er so glücklich wie möglich ist.

Genau deswegen schreibe ich ihm auch gleich eine Nachricht.

Louis: Guten Morgen, Schatz. Hast du gut geschlafen? Wann kann ich denn zu dir kommen? Ich liebe dich.

Harry: Hey, bis auf ein paar Albträume habe ich gut geschlafen, danke. Die Ärzte meinen nur, ich hätte etwas Fieber. Ich möchte dich nicht unnötig anstecken, also wenn du zu viel für die Uni tun musst, brauchst du nicht extra zu mir zu kommen. Ich liebe dich auch.

Louis: Keine Widerrede. Ich gehe schnell einkaufen und dann komme ich zu dir. Soll ich dir etwas mitbringen?

Harry: Frisches Obst wäre nicht schlecht. Hier gibt es nur weiche Äpfel und braune Bananen. Aber nur wenn es keine Umstände macht. Das Geld bekommst du auf jeden Fall wieder.

Louis: Quatsch, ich bringe dir natürlich etwas mit (ohne Bezahlung). Bis später

Ich halte mein Versprechen natürlich. Als ich im Supermarkt bin, packe ich erst einmal alle Sachen, die ich selbst brauche in den Einkaufswagen. Anschließend landen eine Menge frisches Obst und ein paar Süßigkeiten, die nicht allzu viel Zucker beinhalten, im Wagen. Plötzlich höre ich eine sehr bekannte Stimme. Als ich um das Regal herumschaue, entdecke ich zum einen Anne. Sie unterhält sich angeregt mit ihrer Begleitperson. Diese steht mit den Rücken zu mir, doch sieht äußerst unheimlich aus. Ich habe leider auch schon eine Vermutung, wer das sein könnte. Und ich hatte Recht.

Es ist Jack. Er sieht noch furchteinflößender aus, als ich es in Erinnerung habe. Die Augen funkeln gefährlich und er hat eine bedrohliche Körperhaltung. Kurz bevor er mich jedoch entdeckt, habe ich schnell meinen Wagen geschnappt und renne zur Kasse. Die Kassiererin zieht ganz gemütlich eine Ware mach der anderen über das Band und kaut gelangweilt ihr Kaugummi. Immer wieder sehe ich mich hektisch und nervös um, das würde ja grad noch fehlen, dass die beiden mich entdecken. Vor allem würde Anne sich mit Sicherheit mit mir unterhalten wollen.

Als die Kassiererin fertig ist, strecke ich ihr schnell einen Geldschein entgegen, verzichte auf das Restgeld und renne aus dem Supermarkt. Draußen packe ich schnell alles in meinen Rucksack und eine Tüte und gehe in schnellem Laufschritt direkt zu meiner Wohnung. Immer wieder blicke ich mich um, ob ich verfolgt werde, doch es ist still.

Verdächtig still.

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Emerald green eyes || Part 1 (Larry Stylinson)Where stories live. Discover now