6 - platform 9 3/4

2.4K 113 13
                                    

01. September 1990

Der 1. September kam immer näher und meine Vorfreude stieg von Tag zu Tag. Das hiess aber auch, dass der Tag des Abschieds näher rückte. Den Abend vor meiner Abreise verbrachten wir gemütlichen. Wir schauten auf die gemeinsamen vergangenen Jahre zurück, lachten viel, vergossen aber auch Tränen. Am nächsten Morgen standen dann alle mit mir früh genug auf, damit wir uns noch ordentlich verabschieden konnten. Anne begleitete mich wiederum nach London.

Als wir schliesslich am Bahnhof Kings mit all meinem Gepäck ankamen, hielten wir vor einem Pfeiler zwischen den Gleisen 9 und 10 an. Der Hogwarts-Express sollte um 11:00 Uhr auf dem Gleis 9 3/4 abfahren. "Wie komm ich denn bitte zu Gleis 9 3/4?" Anne grinste nur und deutete mit ihrem Finger auf den Pfeiler, vor dem wir uns befanden. "Du musst mit deinen Sachen auf diesen Pfeiler zurennen." Mit einem unglaubwürdigen Blick starrte ich sie an. "Was denkst du denn? Dass man in einen normalen Zug einsteigen kann, der einen zu einer Schule für Zauberei und Hexerei bringt und in welchen sich auch nicht Magier verirren können?" Ich zuckte mit den Schultern. "Konnte ja sein..." Anne grinste. "Dieser Pfeiler ist ein Portal, der dich zu deinem Gleis führt. Ich kann leider nicht mitkommen, da ich, wie ihr uns nennt, ein Muggel bin." "Ein was?" entgegnete ich. "Ein Muggel. So nennt ihr in eurer Welt Menschen, die keine magischen Fähigkeiten haben." Mit einem Nicken gab ich ihr zu verstehen, dass ich sie verstanden habe. Doch fragte ich mich, woher sie so viel über die Zaubererwelt wusste, wo sie doch, wie sie sagte ein Muggel war. Als konnte sie meine Gedanken lesen fügte sie hinzu: "Weisst du, deine Mutter hat mir immer sehr viel über eure Welt erzählt." Ich nickte noch einmal, wollte eigentlich etwas über meine Mutter fragen, liess es dann aber sein, da ich wusste, dass ich sowieso keine Antwort erhalten würde. "So, ich denke es ist jetzt langsam Zeit." Sagte Anne und schaute auf eine Bahnhofsuhr, die mit ihren Zeigern auf 10:42 stand. Mit trauriger Miene schritt ich auf sie zu und sie nahm mich in den Arm. "Ich werde dich vermissen mein Engel!" Als Antwort drückte ich sie ein bisschen fester zu mir, denn ich brachte keine Worte aus meinem Mund. Als sie mich nach einer gefühlten Ewigkeit los liess, wischte sie mir eine Träne von meinen Wangen und ich konnte sehen, dass auch sie Tränen in den Augen hatte. "Schick mir ab und zu deine Eule", meinte Anne und küsste mich auf die Stirn. Ich schaute den Pfeiler an, drehte mich aber noch einmal zu Anne um und umschlang sie mit meinen Armen. "Danke für alles", flüsterte ich ihr ins Ohr, packte meine Sachen und lief auf den Pfeiler zwischen Gleis 9 und 10 zu. Noch einmal blickte ich zurück, Anne zwinkerte mir zu und schon war vor mir der Pfeiler verschwunden. Vor meinen Augen erstreckte sich nun ein Gleis, auf welchem sich hunderte Zauberer befanden, die Umhänge und Spitzhute trugen und ebenfalls einen Wagen voller Gepäck und Käfigen bei sich hatten. Neben dem Gleis stand ein schöner alter Eisenbahnzug mit einer scharlachroten Lokomotive. Ich kam aus dem Staunen fast nicht mer heraus, riss mich aber zusammen und bewegte mich auf den Hogwarts-Express zu, denn ich wollte ihn auf keinen Fall verpassen.

Als ich Mühe hatte mein Gepäck in den Zug zu befördern kamen zwei Rotschöpfe auf mich zu. "Brauchst du Hilfe?" fragte einer der beiden. Sie schienen Zwillinge zu sein, denn sie sahen genau gleich aus. "Das wäre lieb." Nachdem sie meine Sachen in den Zug trugen fragte der andere: "Ist das dein erstes Jahr? Ich habe dich vorher noch nie gesehen." "Ja..." antwortete ich etwas verlegen. Sie nickten mit einer 'Aha' Geste. "Ich bin Fred Weasley und das ist George." Er deutete auf seinen Bruder. "Das ist unser zweites Jahr in Hogwarts." "Freut mich euch kennenzulernen. Ich bin Faye. Faye Evans." Beide lächelten mich an. "Weisst du schon in welches Haus du möchtest? Wir sind in Gryffindor." Ich schaute Fred ahnungslos an. "Tut mir leid, ich habe keine Ahnung wovon du re-" Doch bevor ich meinen Satz beenden konnte erklang ein Pfiff, der Zug machte einen Ruck und kam ins Rollen. Ich schaute hinaus auf das Gleis und sah viele Eltern, wie sie ihren Kindern zuwinkten. Fred und George hoben ebenfalls die Hand und winkten einer etwas rundlichen Frau zum Abschied. Das musste ihre Mutter sein, denn sie hatte ebenfalls rote Haare, so wie auch der Rest der Familie. Neben ihr standen noch zwei jüngere Kinder, davon ein Junge und ein Mädchen und ausserdem ein Mann, wie ich vermute ihr Ehemann. "Haben dir deine Eltern nie etwas über Hogwarts erzählt?" fragte George und ich brauchte einen Moment, um mich daran zu erinnern, um was unser vorheriges Gespräch handelte. Als ich mich nach einem Augenblick wieder erinnerte, antwortete ich etwas zurückhaltend: "Nein... Hab meine Eltern nie kennengelernt... Wurde nach meiner Geburt in ein Waisenhaus gebracht. Ich wusste nicht einmal, dass sowas wie Magie gibt." Sie sahen mich mitleidig an. Das mochte ich nicht, ich hasste es bemitleidet zu werden und im Mittelpunkt zu stehen, aber ich konnte ihnen keinen Vorwurf machen. Ich hätte auch nicht anders reagiert. "Oh...tut mir leid. Also du wirst schon noch genug früh über alles informiert. Komm, wir suchen uns ein Abteil." Fred zog mich am Arm in einen der Waggons. Der Zug hatte den Bahnhof bereits verlassen und wir liessen nun London hinter uns.

Faye Lily Evans - The Girl Who LovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt