55 - padfoot

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April 1994

Es war bereits Ende April. Draco und ich sprachen noch immer kaum, konnten uns aber wenigstens wieder Hallo sagen. Trotzdem tat es irgendwie weh. Vorallem jetzt, wo wir uns wieder öfter begegneten. Ich wollte mit ihm sprechen. Wollte es endlich klären, um wieder mit ihm befreundet sein können, doch ich hielt es nicht für möglich. Und vor allem hatte ich Angst vor seiner Reaktion.

Ich war gerade mit Fred auf einem Spaziergang auf dem Schlossgelände und wir führten bereits seit Stunden in ein tiefgründiges Gespräch. Wobei Draco auch hier eines der Hauptthemen war. Zwar nicht immer direkt, aber die meiste Zeit sprachen wir, auch wenn nur indirekt, über mein Gefühlschaos, in dem ich mich befand. June und Fred waren die Einzigen, die von meinen Gefühlen zu Draco wussten. June wusste es schon so ziemlich vom Anfang an. Fred hatte ich es erst vor ein paar Tagen erzählt. Ich konnte sehr gut mit Fred über solche Dinge reden. Ich hatte bei ihm immer das Gefühl ernst genommen zu werden. Er hörte mir aufmerksam zu und verurteilte mich nicht. Ausserdem war er immer direkt und ehrlich. Er wusste einfach genau, wie er mit solchen Themen umgehen musste. Manchmal versuchte er die Situation im richtigen Moment mit einem seiner Sprüche aufzuheitern, um das ganze etwas lockere scheinen zu lassen.

"Mal ganz im Ernst Faye. Was findest du überhaupt an Malfoy?" fragte er ironisch, als wir wieder kurz vor der Holzbrücke waren. Ich verdrehte gespielt die Augen. Dann zeichnete sich ein breites Grinsen auf seinen Lippen. "Wie wärs denn mit einem attraktiven, charmanten, rothaarigen-" Weiter kam er nicht, denn ich boxte ihm so kräftig in den Oberarm, dass er kurz zusammenzuckte. "Autsch!" Sagte er mit einem gespielten, schmerzverzogenen Gesicht. Ich zuckte nur mit den Schultern. "Ich wusste gar nicht, dass du so viel Kraft hast. Muss ich zukünftig wohl besser aufpassen, wenn ich noch etwas leben will." "Pfff", grinste ich. Dann blieb ich abrupt stehen, denn eben, als ich zu einem Busch blickte, sah ich wieder diesen grossen schwarzen Hund. Doch als ich ein weiteres Mal hinblickte, war er bereits wieder weg. "Ist was?" Irritiert schaute ich zu Fred. "Ehm. Nein. Alles gut. Ich glaube ich habe mein Ohrring verloren. Geh ruhig schon Mal vor. Ich lauf den Weg noch einmal ein kleines Stück zurück." Fred sah mich verwirrt an. "Sicher?" Ich nickte. "Alles klar, wir sehen uns später beim Abendessen." "Bis dann", sagte ich und drehte mich um. Dann wartete ich einen Moment, bis Fred auf der Holzbrücke war und schaute erneut zum Busch, wo ich vorher den mysteriösen Hund gesehen habe. Keine Ahnung wieso ich Fred nichts davon erzählt habe, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, es würde sich nur komisch anhören. Ich bewegte mich zum Busch, sah jedoch keinen Hund. Vermutlich hatte ich mir das nur eingebildet. Also drehte ich mich wieder Richtung Brücke um, um Fred nachzulaufen, als ich ein rascheln hörten. "Lily?" perplex blieb ich stehen, einredend mich verhört zu haben. Trotzdem drehte ich meinen Kopf in die Richtung, von der die männliche Stimme kam und blickte in ein Gesicht eines ungefähr 40 Jährigen Mannes mit leblosen Augen und einer knochigen Statur. "Entschuldigen sie, ich glaube sie verwechseln mich, Sir", sagte ich bestimmt, als ich mich wieder gefasst habe, nachdem er mich nach meiner Mutter nannte. Das konnte kein Zufall sein. "Wie ist das möglich? Du siehst eins zu eins aus, wie sie." Er kam mir näher und ich trat einige Schritte zurück. Wer war dieser Mann? Woher kannte er meine Mutter? Und irgendwann machte es Klick. Panik kam in mir hoch, doch ich blieb ruhig. "Sie sind Sirius Black, nicht wahr?" Er nickte langsam und nach der dritten Kopfbewegung wandelte er das Nicken in ein ungläubiges Kopfschütteln um. "Die Leute reden über mich, erzählen Lügen." Bedrohlich kam er weiterhin langsam auf mich zu und ich wich weiter zurück. "Alles was du denkst über mich zu wissen, ist nicht wahr." Nervös blickte ich zur Brücke, um zu sehen, welche Distanz mich von ihr trennte. "Ich sollte gehen." Meine Stimme zitterte und ich blickte ihn ängstlich an, doch er machte nicht den Eindruck, als würde er mich davon abhalten. Dann drehte ich mich um und lief zügig auf die Brücke zu. "Glaub nicht alles, was man über mich erzählt. Ich habe ihnen nichts getan", hörte ich ihn noch sagen, kurz bevor ich die Brücke erreichte. Es lag Verzweiflung und Trauer in seiner Stimme. Ich blickte nochmals zurück und sah, wie Sirius Black mir immer noch ungläubig hinterher starrte. Als ich einige Meter auf der Brücke zurückgelegt habe, begann ich zu rennen.

Kurz bevor ich das Ende der Brücke erreicht habe, drehte ich meinen Kopf nochmals um, doch Sirius Black war verschwunden. Ich schreckte zusammen, als ich gegen jemanden prallte. Ich blickte nach oben und starrte in die funkelnden schwarzen Augen meines Vaters, der mich an meinen Oberarmen festhielt. Mein Puls raste noch immer. Die Tatsache, dass mein Vater vor mir stand machte die Situation nicht besser. "Wer war das?" fragte er mit seiner monotonen Stimme. "Wer war was?" entgegnete ich ihm unschuldig und unwissend.

"Ich glaube ich muss dir nicht noch einmal erklären, dass du dich nicht alleine auf dem Schlossgelände aufhalten sollst." Ich schaute genervt von ihm weg. "Ja, das hast du mir schon einige Male deutlich zu verstehen gegeben. Er schaute mich mit einem Blick an, der mir zu verstehen gab, dass er an meiner Aussage eben zweifelte. Ich räusperte mich. "Darf ich gehen?" Einen Moment sagte er nichts. Seine Augen formten sich zu Schlitzen und er sah mich durchdringlich an. Dann trat er einen Schritt zur Seite und ich lief an ihm vorbei. Ich versuchte selbstsicher zu wirken, doch ich zitterte noch immer am ganzen Körper. Als ich nochmal einen Blick über die Schulter wagte, schaute mir mein Vater noch immer hinterher.

Hätte ich ihm etwas sagen sollen? Sollte ich überhaupt irgendjemandem davon erzählen? Vermutlich ja, aber ich würde mir auch eine Menge Ärger einholen. Vor allem von meinem Vater. Doch ehrlich gesagt, kam mir Sirius Black auch nicht vor, als würde er wissen wer ich bin, geschweige denn, mir etwas antun wollen. Er sah zwar furchteinflössend aus, aber nicht gefährlich. Und was meinte er mit: "Ich hab ihnen nichts getan"? Fragen über Fragen, auf die ich wieder einmal keine Antwort hatte und über diese ich wieder einmal nicht reden konnte...


Faye Lily Evans - The Girl Who LovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt