78 - he's my brother!

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Ich spuckte Wasser aus meinem Mund und rang nach Luft. Wir waren mitten im grossen See. Überall um mich herum war Wasser. "Gabrielle?" Ich griff nach dem blonden Mädchen, das sich nicht weit weg von mir befand und Mühe hatte, sich über Wasser zu halten. "Ich hab dich Gabrielle. Wir habens geschafft. Alles ist gut." Ich schaute um uns herum. Meine Sicht war noch immer etwas eingeschränkt. Ich konnte die tobende Menschenmenge von den Tribünen her hören. Doch wo war Harry? Ich zog Gabrielle an ihrem Arm zu den Tribünen und half ihr, die Leiter hochzuklettern. Ich griff kraftlos nach einer Hand, die mir entgegen gestreckt wurde, schaute in das beunruhigte Gesicht meines Vaters und wurde von ihm hochgezogen. Meine Knie sackten ein, als ich die Holztribüne betrat, weswegen ich froh um die Stütze von meinem Vater war. Ich zitterte am ganzen Körper. Mein Energieniveau war vermutlich beinahe gleich null. Professor McGonagall kam mit einer Decke auf mich zu und wickelte mich ein. "Nimm das Liebes. Damit wird es dir gleich besser gehen", meinte Madam Pomfrey, die ebenfalls plötzlich vor mir stand und mir einen Löffel ziemlich heissen Zaubertrankes einflösste. Er zeigte schnell Wirkung und ich konnte mich wieder alleine auf den Beinen halten, doch mein Vater liess mich nicht aus den Augen. Ich wandte mich Professor  McGonagall zu, die noch immer neben mir stand. "Wo ist Harry?" Sie hob besorgt eine Augenbraue hoch. Gerade als sie etwas erwidern wollte, hörte ich Draco nach mir rufen. "Faye!" Ich drehte mich zu ihm um und fiel ihm erschöpft in die Arme. "Dir geht es gut", flüsterte er feststellend an mein Kopf und nahm dann mein Gesicht in die Hände. "Ich habe mir Sorgen gemacht. Wieso warst du da unten?" fragte er aufgebracht. Und genau auf diese Frage, wusste ich nicht wie ich antworten sollte. Ich schaute schweigend zwischen seinen Augen hin und her, während er erwartungsvoll zurückblickte. Dann ging ein Raunen durch die Menge, gefolgt von Jubeln und ich wirbelte herum. Harry schwamm auf die Tribüne zu und ich eilte zur Leiter, um ihm hoch zu helfen. Als er die Plattform erreichte, kniete ich zu ihm nieder und schlang meine Arme um ihn. "Harry! Merlin sei Dank. Dir geht es gut." Er erwiderte die Umarmung. Ich vergrub mein Gesicht in seinen Schultern und eine Träne vor Erleichterung kullerte über meine Wange. Für einen kurzen Moment dachte ich, er würde aus der Sache nicht lebend heraus kommen. Für eine winzige Sekunde dachte ich, ich könnte meinen Bruder verlieren. Und wenn ich darüber nachdenke, ist vermutlich auch er einer von den Personen, die mir auf dieser Welt am meisten bedeuteten.

Ich hob meinen Kopf wieder und sah zu Draco, der uns ungläubig und verletzt anstarrte. Als sich unsere Blicke kreuzten, drehte er sich um und verschwand in der Menschenmenge. Ich seufzte, schloss die Augen für einen kurzen Moment, liess die Decke fallen und stand dann auf, um Draco nach zu gehen. Ich folgte ihm ans Ufer, doch er war um einiges schneller als ich. "Draco", rief ich ihm nach. "Draco, bitte." Meine Stimme zitterte. "Bleib stehen." Doch er ignorierte mich gekonnt. Auch wenn ich die Kraft dazu eigentlich nicht hatte, beschleunigte ich meine Schritte und holte ihn ein. "Draco." Ich griff nach seinem Arm und er wirbelte herum "Was?" Seine Stimme klang empört, doch es lag auch etwas Enttäuschung darin. Seine Augen waren gerötet. "Ich-" Doch was wollte ich überhaupt sagen? Er lachte erstickt auf. "Ich verstehe schon. Potter ist einer von den Guten. Der Auserwählte." Er wollte sich wieder umdrehen und davon laufen, doch ich hielt ihn zurück. "So ist es nicht Draco." Er kam auf mich zu, doch ich wich nicht zurück, so dass uns nur wenige Zentimeter trennten. Er griff nach meinen Schultern. "Ach ja? Wie ist es dann", fuhr er mich an. Eine Träne entwich meinem Auge. "Er ist mein Bruder, Draco. Harry Potter ist mein Bruder. Ich war da unten, weil ich seine Schwester bin. Lily Evans war meine Mutter." Ich hielt die Luft an und blickte in Dracos Augen. Er starrte mir fassungslos entgegen. Keiner von uns sagte etwas. Dann liess er mich abrupt los und ging einige Schritte rückwärts. "Draco, bitte", sagte ich leise. Tränen liefen mir über mein Gesicht. Doch dann drehte er sich um und lief in Richtung Schloss davon. Ich atmete erstickt aus. Ich bin selber Schuld. Ich hätte von Anfang an ehrlich sein müssen.

Dann war mir auf einmal alles zu viel und meine Beine gaben unter mir nach. Ich sank langsam auf den Boden, aufgeschmissen, da ich nicht wusste, wie ich die ganze Situation noch retten konnte. "Faye", ertönte Junes Stimme hinter mir. Sie kniete sich zu mir nieder. "Faye, du zitterst am ganzen Körper." Ich schüttelte den Kopf, da das gerade das geringste Problem war, das ich hatte. "Er ist einfach gegangen. Er-", schluchzte ich. "Ich habs vermasselt. Er weiss es. Ich-" "Ich weiss Faye." Unterbrach June mich. "Er braucht Zeit. Es wird alles gut kommen." Ich hörte Schritte auf uns zukommen. "Miss Evans." Professor McGonagall legte ihre Hand auf meine Schulter. "Ihr Gesicht ist kreidebleich, sie haben blaue Lippen und zittern am ganzen Körper. Sie sollten erstmal in den Krankenflügel und sich erholen." Ich nickte langsam und merkte erst jetzt wieder, wie kalt mir eigentlich war und wie viel Energie mich das Ganze gekostet haben muss. Also befolgte ich McGonagalls Rat, stand mit ihrer Hilfe auf und sie führte mich zum Schloss hoch. 

Wie ich schlussendlich in den Krankenflügel gekommen bin, weiss ich nicht. Den ganzen Weg zum Schloss war ich in meine Gedanken versunken. Was jetzt? Ich wollte Draco nicht verlieren. "Evans?" McGonagalls sanfte Stimme riss mich aus den Gedanken. Ich schaute sie fragend an, während sie sich neben mich setzte. "Wissen sie, ihre Mutter hatte auch immer Angst davor, die Personen, die ihr nahe waren zu enttäuschen und hätte sogar ihr Leben für sie aufs Spiel gesetzt. Sie war immer für alle da und hat sich dafür manchmal in den Hintergrund gestellt. Lily war eine bewundernswerte Frau und sie erinnern mich wirklich in vielen Hinsichten an sie. Doch gelegentlich sollten sie auch auf sich selber schauen."

Sie klopfte auf meine Schultern, verliess dann den Krankenflügel und ich schaute ihr mit Tränen in den Augen hinterher.


Faye Lily Evans - The Girl Who LovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt