|| 2 || Hundertausende Worte

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Avyanna Salvatore

Stöhnend lasse ich mich gegen die Stuhllehne fallen, werfe ich meinen Kopf in den Nacken, vergrabe meine Hände in den Haaren. Stechende Kopfschmerzen plagen mich. Ich fühle mich als wäre ich eine Kindergartenbetreuerin und nicht ein Capo dei capi.

«Anstrengend», spricht Leandro meine Gedanken aus.
«Das kannst du laut sagen», seufze ich. Normalerweise dauern die Kommissionen eine gute Stunde, aber diese Kommission, die erste die Leandro und ich als Capo dei capi gehalten haben, zog sich in die Länge. Allein eine Stunde vergeudeten wir damit, den Idioten zu erklären, wie es mit zwei Capo dei capis ablaufen wird und welche Regeln sich nun verändern werden. Gegenwind gab es mehr als genug. Ich habe mich auf eine Welle von Argumententen vorbereitet, doch was uns traf war ein Tsunami.

«Denkst du, sie werden sich an den Gedanken von zwei Capo dei capis gewöhnen?» Besorgnis steht in Leandros Augen.
Jaein. Ich denke, sie werden sich dran gewöhnen, aber lediglich nur billigen, weil ihnen nichts anderes übrigbleibt. Ich spreche aus Erfahrung. Bis heute haben sich nur wenige mit dem Gedanken angefreundet, eine Frau als Mafia Boss zu haben.

Ich zucke mit meinen Achseln. «Sie haben keine andere Wahl.» Zudem muss sich Leandro kaum Sorgen machen, seinen Titel zu verlieren. Wenn es soweit kommen sollte, dass nur eine Person Capo dei capi sein wird, dann habe ich die Arschkarte gezogen. Obwohl meine Mafia größer ist als Leandros und schon zu Luigis Zeiten mächtiger war als seine, müsste ich den Titel als Capo dei capi aufgeben. Warum? Weil ich eine Frau bin.

Aber soweit wird es nicht kommen. Ich lasse nicht zu, dass mir etwas weggenommen wird, wofür ich hart gearbeitet habe. Leandro und ich haben Luigi gemeinsam besiegt. Gemeinsam werden wir regieren. Etwas anderes würde keinen Sinn machen, selbst wenn mir die anderen Mafia Bosse und Mafiosos wohl kaum zustimmen werden.
Man sollte denken, meine eigene Familia würde sich nicht beklagen. Man sollte denken, meine Familia würde feiern, Teil der mächtigsten Mafia des Landes zu sein. Man sollte denken, meine Familia würde mich unterstützen. Tja, falsch gedacht.

Vorgestern Abend berichtete Sergio mir, dass zwischen einem Viertel und der Hälfte meiner Leute der Meinung seien, eine Frau dürfe kein Capo dei capi sein. Sie wollen nicht wahrhaben, dass eine Frau mächtiger als ein Mann sein kann – denn selbst wenn Leandro ebenfalls Capo dei capi ist, ist meine Mafia größer und einflussreicher als seine. Sie wollen nicht wahrhaben, dass Frauen nicht nur Hausfrauen und Kindermädchen sein können. Sie wollen nicht wahrhaben, dass Männer nicht das bessere Geschlecht sind.
Sie wollen lieber Teil der zweitbesten Mafia sein, als eine Frau regieren zu sehen.

Man sollte doch wirklich glauben, Männer können nicht dümmer werden, aber dann überraschen sie einen immer wieder aufs Neue und beweisen, dass sie tatsächlich noch tiefer sinken können. Ich frage mich, wann sie den Erdboden des tiefsten Punktes auf der Welt erreichen werden – wenn sie nicht schon längst an diesem Punkt gelangt sind.

«Wie leben sich Luigis Mafiosos bei dir ein?», erkundigt sich Leandro. Mein Blick huscht zu Leandro, dem lebenden Beweis, dass nicht alle Männer hoffnungslos sind.
«Die meisten verhalten sich unauffällig, folgen ihren Anweisungen ohne Beschwerde. Sergio teilte mir mit, dass er oft das Gefühl hat, er könne unmenschliche Anforderungen an sie stellen und selbst dann würden sie es nicht wagen, sich zu beschweren.» Luigi hat sie zu Robotern trainiert. Roboter, die für ihn kämpfen, nichts hinterfragen, und ihr Leben für seines aufgeben würden.

Nun muss ich mich einer Herausforderung stellen wie keine zuvor: Wie bringt man Robotern Spaß bei?

Leandro nickt. «Bei mir ist es nicht anders. Wenn ich durch die Gänge laufe, zucken sie zusammen, richten sich starr auf und wagen es kaum ein Geräusch zu machen. Anfangs haben sie sich sogar leicht vor mir verbeugt!» Angewidert schüttelt er den Kopf. «Wir müssen irgendwas tun, um ihnen zu zeigen, dass wir nicht wie Luigi sind.»

Mafia Romance 2 Where stories live. Discover now