|| 42 || Flüche und Hoffnung

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Avyanna Salvatore

«Wir hatten eine Vereinbarung!» Als ich auf Leandro zulaufe, führt er ein hitziges Telefongespräch. Leandro steht im menschenleeren Gang vor dem Besprechungsraum, das Kinn angespannt, den Blick ins Leere gerichtet. Das goldene Abendlicht scheint durch das ihm gegenüber liegende Fenster, verleiht seiner Haut einen bronzenen Schimmer. «Sie bekommen noch genau zwei Tage. Wenn die Lieferung bis dahin nicht da ist, folgen Konsequenzen.» Als er das Telefonat beendet, flucht er leise vor sich hin.

Leandro muss das Klickern meiner Stöckelschuhe gehört haben, denn er unterbricht seinen Wall aus Flüchen und dreht sich zu mir um. Augenblicklich entspannen sich seine Schultern und ein sanftes Lächeln umspielt seine Lippen. Sein Blick wandert über meinen marineblauen Anzug, den ich mit einer beigen Bluse und goldenen Schmuck kombiniert habe.

«Worum ging es?», erkundige ich mich mit einem nervösen Lächeln, als ich vor ihm stehenbleibe. Nach all den Monaten macht mich Leandros Blick noch immer nervös.
Seufzend lässt Leandro sein Handy in der inneren Jackentasche seines dunkelgrauen Jacketts verschwinden. «Um Avadro.»
«Unsere Droge?», frage ich nach. 

Vor wenigen Wochen, kurz nach Luigis Sieg, beschlossen wir, dass unser erstes gemeinsames Projekt als Capo dei capis eine neue Droge sein solle. Ein großes Einkommen sämtlicher Mafias ist dem Drogenverkauf zu verdanken. Meine Mutter brachte mich auf die Idee, als wir zufällig beim Abendessen über Papa sprachen. Dabei erzählte sie, wie sie kurz nach ihrer Hochzeit gemeinsam eine neue Whiskey-Sorte entwarfen. 

Eine Wolke schiebt sich vor das abendliche Sonnenlicht, woraufhin der goldene Glanz auf Leandros Haut verschwindet. Mit leicht zusammengezogenen Augenbrauen, die über sein Ärgernis zeugen, sagt er: «Tut mir leid, dass ich dich nicht vorher in Kenntnis gesetzt habe. Wie du weißt, wurde uns versprochen, die Ware würde heute ankomme, aber das tat sie nicht. Da ich keinen Anruf erhielt, ging ich davon aus, dass es sich lediglich um eine Verspätung des Kuriers handele und die Ware jeden Moment ankommen würde. Erst vor einer halben Stunde erhielt ich die E-Mail, dass es sich um eine längere Verspätung handele.»

Ich schürze meine Lippen. «Das ist ungünstig.»
«Sehr», stimmt Leandro mir zu. «Jetzt haben wir keine Ablenkung mehr.» Eigentlich war der Plan, die Überraschungs-Ankündigung über unsere Droge als Ablenkungsmanöver zu verwenden; in der Hoffnung, dass Miguels und meine Hochzeit sowie das Verschwinden von Sergio möglichst unkommentiert bleiben würde. Es war von Anfang an, ein naiver Versuch von unseren Problemen abzulenken.

Leicht lege ich meinen Kopf in den Nacken, schließe meine Augen und seufze. Für genau drei Sekunden gönne ich es mir, mein Leben und das Universum zu verfluchen. Dann öffne ich wieder meine Augen, sehe Leandro ernst an. «Wir können zumindest ankündigen, dass die Droge bald auf den Markt kommt.» Eigentlich ist es üblich, dass man gleich eine gratis Kostprobe verschenkt, wenn man ein neues Produkt auf den Mafia-Markt bringt. Tja, nicht immer alles verläuft nach Plan – wenn jemals überhaupt. «Wir können ankündigen, dass wir Ihnen eine Kostprobe zusenden werden. Ich denke nicht, dass das einen großen Unterschied ausmachen würde.» Es ist ja nicht so, als würden sie normalerweise die Kostprobe direkt in der Kommission zu sich nehmen.

«Ja, eine andere Wahl bleibt uns wohl nicht.» Gedankenverloren schaut Leandro in den Gang, durch den in Kürze die Mafia Bosse kommen werden. Noch ist der Gang leer. Wir sind alleine. Nun sieht er mich wieder an; einen suchenden, gar verzweifelten Ausdruck in den Augen. «Hast du dich schon entschieden?»

Ich weiß sofort, worüber er redet. Ein abfälliges Schnauben rutscht mir heraus. Nicht wegen der Frage, sondern wegen der Situation. «Habe ich denn eine Wahl?»

Leandro greift nach meinen Händen, drückt diese bestimmt, aber leicht; als wolle er mich nicht gehen lassen, wisse aber um die Situation. «Tu es nicht.» Bittend, ja flehend, sucht er meinen Blick. «Heirate ihn nicht.»

Mafia Romance 2 Donde viven las historias. Descúbrelo ahora