|| 53 || Unter den Sternen

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Cassian Natale

«Nun, da die formellen Angelegenheiten erledigt sind, laden wir Sie alle ein, mit uns zu Ehren der neuen Ära ein kleines Fest zu halten», verkündet Avyanna. «Wir bitten Sie uns drei Stockwerk höher folgen.»

Die zuvor angespannte Atmosphäre bricht auf, Lippen verziehen sich zu Lächeln, es wird geklatscht und getratscht. Arm in Arm gehakt, lächeln sich Avyanna und Leandro einander zu, bevor sie mit dem Blick nach vorne zu den Treppen stolzieren. Dorian und Mayra folgen ihnen, ebenfalls Arm in Arm.

Mit einem unsicheren Lächeln bietet mir Sergio seinen Arm an, jedoch schüttele ich meinen Kopf. «Wir müssen noch reden.» Seine Stirn legt sich in Falten, seine Augen weiten sich und Schulter spannen sich an. Er nickt, jedoch ist ihm die Nervosität anzusehen.
Ob er Angst hat, ich würde ihn verlassen, nun, da er aus dem Krankenhaus entlassen wurde? Fürchtet er, ich würde seinen Verrat nicht verzeihen?

Ich habe ihn die letzten paar Tage regelmäßig im Krankenhaus besucht, gar mit ihm ein paar Übungen gemacht, allerdings herrschte eine eigenartige, peinliche Stimmung. Ich bereue, ihm nicht vertraut zu haben, nach allem, was wir überstanden haben; nach allem, was er mir gesagt hat. Und, so unverständlich es für andere sein mag, ist ein kleiner Teil von mir wütend, dass er bereit war sein Leben für meines zu opfern.

Er hingegen bereut – wer hätte es gedacht – seinen inszenierten Verrat und uns davon nicht erzählt zu haben. Jedes Mal, wenn er versuchte das Thema anzusprechen, unterbrach ich ihn und wechselte das Thema. Zwar hatte ich Fragen an ihn, allerdings wollte ich nicht im Krankenhaus darüber sprechen. Es war schon Überwindung genug, das Krankenhaus auch nur zu betreten. Der Schall meiner Schritte auf dem Boden, der klinische Geruch, die Patienten und die altbekannten Gesichter der Ärzte. Alles hat mich an meine Zeit im Krankenhaus erinnert. Nicht zuletzt auch Sergios Verletzungen, schließlich wurde auch er angeschossen und schließlich war es nur der Schussweste zu verdanken, dass er lebt.

Nach und nach laufen die Gäste die Treppe hoch oder warten auf den Fahrstuhl. Nach und nach wird der Saal leerer und leerer. Nach und nach wird Sergio nervöser, bis zu dem Punkt, dass seine Fingerspitzen gegen seinen Oberschenkel schnellen, während er mit nach innen gezogener Lippe und unruhigen Pupillen die Gäste beobachtet.

Als die letzten Gäste sich die Treppe hochdrängen, fragt er mich: «Sollen wir nicht lieber hoch? Wer passt auf Leandro und Avyanna auf?» Ich runzle meine Stirn. Normalerweise geht er nie einem Gespräch aus dem Weg. 

Ich mustere Sergio, der es kaum wagt, mich anzuschauen. Auch ich bin nervös, weshalb mein Schnauben meine Anspannung nur schwer verstecken kann. «Wer nach diesem Event noch plant, ihnen in den Weg zu kommen, sollte im Guinness Buch der Weltrekorde für den dümmsten Menschen der Welt stehen», versuche ich die Stimmung zu lockern. Sergio zwingt sich ein Lächeln auf, doch erreicht es nicht seine Augen. Ich schlucke schwer, als ich die Angst in seinen Augen sehe. 

Er sieht mich an, als würden wir im tosenden Meer ertrinken, uns mit letzter Kraft an den Händen halten, wissend, dass jeden Moment eine Welle uns auseinander reißen könnte.

Räuspernd wende ich rasch meinen Blick ab, bevor ich ihn informiere: «Ich habe Dorian und drei Cassamento Kapitäne gebeten, auf Leandro und Avyanna aufzupassen.»

Derselbe Fehler, wie vor einigen Monaten am königlichen Ball, wird mir nicht noch einmal passieren. Ein kalter Schauder jagt meinen Rücken herunter, als die Erinnerungen auf mich einprasseln, wie wir Leandro am Friedhof suchten.
Sergio nickt nur, sagt dazu nichts. Ob ihn dieselben Erinnerungen plagen?

Schließlich, noch bevor die letzte ältere Gruppe von Mafiosi in den Fahrstuhl steigen, platzt es aus ihm heraus: «Es tut mir so leid, Cas. So unendlich leid. Wirklich! Ich kann dir gar nicht sagen wie sehr! Ich wollte dich schon die ganze Woche um Verzeihung bitten, aber du wolltest nicht darüber reden und du hast natürlich jedes Recht, meine Entschuldigung nicht anzuhören und für ewig auf mich wütend zu sein, aber ich hatte die Hoffnung, weil du dich in den letzten Tagen so um mich gekümmert hast und mich damals, als ich aufgewacht bin, so stürmisch umarmt hast, dass du vielleicht bereit wärst mir zu verzeihen, aber-»

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