|| 6 || Meine Droge

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Sergio Pedrotti

Das letzte Mal, als ich so aufgeregt war, war an meinem Abschlussball. Aber <nervös> ist wahrscheinlich der falsche Begriff. <Verängstigt> und <unwohl> traf es damals wohl eher.

Damals ging ich mit meiner damaligen festen Freundin Sabrina zum Schulball. Zu dem Zeitpunkt waren wir drei Monate zusammen und sie zeigte deutlich, dass sie mehr wollte, als nur ausgehen, kuscheln und küssen. Ich fühlte mich unter Druck gesetzt, wollte doch gar nichts derartiges. Ich hielt mich für verrückt, abnormal, komisch. Welcher achtzehnjährige Junge war denn nicht notgeil? Ich hatte zwar einige Fantasien, aber diese in die Realität umzusetzen, war eine ganz andere Sache. Damals gab es noch keinen Begriff (zumindest war mir keiner bekannt), aber zur heutigen Zeit nennt man das glaube ich Asexualität. Asexualität ist ein Spektrum, mit dem sich Leute, die wenig bis gar keine sexuelle Anziehung empfinden, identifizieren.

Später stellte sich heraus, dass ich nicht asexuell, sondern schwul bin. Selbstverständlich gibt es auch asexuelle Schwule, aber dies trifft nicht auf mich zu.

Ich knete meine verschwitzten Hände, während ich darauf warte, dass alle anderen das Besprechungszimmer verlassen. Während Avyanna ihre Unterlagen zusammenpackt, bemerkt sie, dass weder Cassian noch ich Anstalten machen, zu gehen. Ihre Stirn legt sich in Falten, dann schmunzelt sie kaum merklich. Bevor sie aus der Tür tritt, schaut sie über ihre Schulter und ruft: «Viel Spaß bei eurem Date » Grinsend verschwindet sie.

Meine Wangen fangen an zu glühen. Ich wage es kaum Cassian anzublicken. Tagelang sahen wir uns nicht, sprachen uns nicht. Tagelang schmerzte mein Herz. Tagelang versuchte ich mich in meine Arbeit zu vergraben, konnte jedoch keine Minute aushalten, ohne an ihn zu denken. Tagelang wälzte ich mich im Bett umher und zerbrach mir den Kopf, was ich falsch getan habe und wie ich es wieder hinbiegen könnte. Tagelang ging es mir so dreckig wie schon lange nicht mehr.

Offengestanden jagt es mir Angst ein, wie schnell ich mein Herz an ihn verlor. Ich bin keine Person, deren Herz man schnellt gewinnt. Bis ich Avyanna leiden konnte, vergingen Jahre. Naja, das stimmt nicht ganz. Vor dem Verschwinden ihrer Eltern, passte ich öfters auf sie auf. Zwar beteuerte ich ihrem Vater Silvestro jedes Mal, wie sehr es mich nerve, als Kinder Manny (männliches Kindermädchen) meine Zeit zu verschwenden, anstatt der Mafia hilfreich zu sein, jedoch genoss ich heimlich die Zeit mit Avyanna. Wie könnte ich auch nicht? Sie war aufgeweckt, neugierig und versessen auf alles, was mit der Mafia zu tun hatte. Damals war ich ihr sehr ähnlich.

Im Nachhinein bin ich überzeugt, dass Silvestro mich so oft auf Avyanna aufpassen lassen, weil er sichergehen wollte, dass sie nie alleine ist, auch wenn er versterben würde. Ich glaube, er wollte, dass ich Avyanna unterstütze und wie ein Mentor für sie diene, falls er vor ihrer Machtübernahme sterben würde.
Ich habe ihn enttäuscht.

Ich räuspere mich und verdränge die schwarzen Gedanken. Ich habe ein Date mit Cassian. Kein Platz für Negativität. Ich stehe von meinem Stuhl auf. «Wollen wir?» Gütiger Gott, wie meine Stimme zittert!
Cassians Kopf schnellt zu mir, als hätte ich ihn aus seinen Gedanken gerissen. Ob er genauso aufgeregt ist wie ich? Ist das überhaupt möglich? Er schluckt schwer, bevor er hastig nickt. «Ja, ähm, wohin gehen wir?»
«Ich kenne ein ausgezeichnetes Restaurant. Fünf Sterne mit einem Spitzenkoch. Die haben das beste Creme Brulée, dass du je gegessen hast! Das Ambiente ist wunderschön und rom-» Ich stocke. Was labere ich denn da? Leicht schüttele ich den Kopf und senke meinen Blick, bevor ich mich wieder traue, ihm in die Augen zusehen. «Wir können natürlich zu einem anderen Restaurant.» Was ist, wenn er kein Hunger hat? Oder Restaurants nicht mag? Kleinlaut füge ich hinzu: «Oder wo anders hin.»
Cassian schmunzelt. «Das Restaurant klingt wunderbar.»

Mafia Romance 2 Where stories live. Discover now