|| 27 || Die Todesverkündung

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Avyanna Salvatore

«Dorian», weise ich ihn an. «Bringe den Verräter zu mir.»

Zwar stehe ich nur wenige Meter von Dorian und Jason entfernt, jedoch sind solche Kleinigkeiten wichtig für die Machtdemonstration. Nur auf diese Art kann ich beweisen, dass ich mehr bin als nur eine verrückte Frau, die genug von den frauenfeindlichen Kommentare hat. Ich muss beweisen, dass ich eine intelligente Frau bin, die vor Maßnahmen nicht zurückschreckt und es versteht mit Macht umzugehen.

Ich wende mich der Zuschauermenge zu und blicke in hunderte große Augen. Offenbar ist <Zuschauermenge> der passendste Begriff, denn die hier anwesenden Mafiosi verfolgen die gegenwärtigen Handlungen, als handele es sich hierbei um die spannendste Fernsehshow, die es gibt.

Und das ist erst der Anfang.

In mein Augenfeld tritt Dorian, der Jason hart am Oberarm gepackt hat. Jason schüttelt heftig mit seinem Kopf und seine Augen schreien geradezu vor Angst. Ich balle meine Hände zu Fäusten und grabe meine Nägel in mein Fleisch. Ich rufe mir in Erinnerung, dass Jason den Tod aufgrund seines Verhaltens verdient, selbst falls er unschuldig sein sollte.
Keine Schwäche zeigen. Keine Reue, keine Zweifel.

Ich tue nur das, was ich tun muss.

Dorian formt mit seinen Lippen ein stummes «Achtung», woraufhin sich meine Augenbrauen zusammenziehen. Auf einmal stoßt Dorian Jason direkt vor meine Füße. Jason prallt mit den Knien zuerst auf, dann klappt er leicht zur Seite, so dass auch sein Oberkörper fällt. Der Mundknebel dämpft seinen Schrei. Sein Aufprall hallt im Saal wider. Ein kollektives Keuchen der Zuschauermenge ertönt.
Nur dank Dorians Warnung zeige ich, abgesehen von einem kaum merklich zusammenzucken, keine Reaktion.

Dorians Blick huscht zu Sergio, dann ziehen sich seine Mundwinkel nach oben. Dorian mag zwar machtpolitisch nicht der Erfahrenste sein, jedoch hat Sergio ihm wohl eine kleine Nachhilfestunde erteilt.
In Gedanken schreibe ich mir eine kurze Notiz, mich später dafür bei Sergio zu bedanken.

Meine Mundwinkel zucken, als ich den Blick auf den gefallenen Verräter genieße und die Atmosphäre auf mich einwirken lasse.
Etwas in mir sagt mir, dass nach dem heutigen Tag eine neue Ära anbricht. Eine Ära, in der die Großzahl aller Mafiosi mich respektieren, gar fürchten. Denn wenn die Reaktion auf Jasons Hinrichtung schon so ausfällt, wird der Höhepunkt der Feier in die Geschichte der Mafia eingehen.

Die Zweifel, die ich soeben noch hegte, lösen sich spätestens in Luft auf, als Jasons Augen wutentbrannt funkeln. Er windet sich und kämpft gegen seine Fesseln an, während sein Blick nicht von mir ablässt. Wäre es ihm möglich, würde er wahrscheinlich auf mich springen, seine Hände um meinen Hals klammern und mich erwürgen.

Soll er in der Hölle verrotten.

«Verräter, knie dich hin», befehle ich ihm. «Das ist noch immer eine Feier.»
Zornig funkelt er mich an. Ich wette, sämtliche Schimpfwörter liegen auf seiner Zunge, nur werden wir nie in den Genuss kommen, ihnen zu lauschen.
Ich sollte öfters meine Opfer am Mund knebeln.

Ich nicke Dorian zu, dass er ihm helfen soll, weil Jason es alleine nicht schafft, sich hinzuknien. Dorian folgt meiner Anweisung. Anschließend werfe ich dem knienden Jason einen abfälligen Blick zu, bevor ich meine Aufmerksamkeit auf die Zuschauermenge lenke. «Wie ich bereits vorhin sagen wollte – bevor ich unhöflich unterbrochen wurde», mein Blick huscht zu Ronaldo Ancelotti und anschließend zu Gevarsi, «möchte ich mit Euch allen meine erste offizielle Hinrichtung als Capo dei capi zelebrieren.» Ich verschränke meine Hände hinter meinem Rücken, während ich mein Kinn nach oben streck. «Denn an diesem besonderen Tag wird nicht nur ein vermutlicher Hochverräter, der mir nicht den nötigen Respekt erwies, hingerichtet.»

Mafia Romance 2 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt