|| 21 || Das Hausmädchen

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Leandro Cassamento

Ich runzle meine Stirn. «Wieso glaubst du, dass Jason lügt?» Ich lenke meinen Mercedes um eine scharfe Kurve, während ich darüber nachdenke, woraus Avyanna es herausgemacht hat, dass er schwindelte.
Avyanna erklärt: «Als ich ihn geradeheraus gefragt habe, ob er mit Vincenzo Kontakt hatte, hat er zuerst verneint, bevor sein Körper reagierte.» Meine Stirn legt sich in Falten, als ich versuche mich zu erinnern. «Normalerweise reagiert der Körper zuerst oder gleichzeitig, doch seine körperliche Reaktion folgte verspätet, als müsste er erst nachdenken, wie er reagieren soll.»

Ich fahre an die Straßenseite und wende mich Avyanna zu. «Bist du dir sicher?», hacke ich nach. «Du weißt, dass dies Jasons Tod in Folge ziehen kann.»
Ihre Lippen sind zusammengepresst, als sie kurz nickt. «Ich möchte ihn nicht fälschlich beschuldigen, daher würde ich vorschlagen, dass wir zuerst zu seiner ehemaligen Hausfrau fahren und dort mehr Informationen sammeln, bevor wir Jason zur Rede stellen.»
«Das klingt nach einem Plan», stimme ich zu. «Nur gibt es da ein Problem»
«Und das wäre?»
«Wir wissen nicht einmal den Namen des Hausmädchens.» Selbst für Cassian und sein Spionageteam würde es schwierig werden, mehr über sie herauszufinden, ohne dass Jason etwas davon mitbekommt.

Avyanna legt ihren Kopf schief, ihre Stirn ist in Falten gelegt. «Womöglich weiß Sergio mehr. Ich habe ihm bereits geschrieben, aber noch keine Antwort erhalten.»

«Kennt Sergio Jason?»
«Ja, sie sind zwar keine Freunde, aber ein Teil von Sergios Arbeit ist es, über alles informiert zu sein.» Sie seufzt. «Außerdem hat Sergio früher versucht die Sympathien aller Familia Mitglieder zu gewinnen, daher hat er guten Kontakt zu vielen von ihnen.»
«Wieso das denn?»
Erneut weicht ein Seufzen aus ihrem Mund, als würde sie sich nicht gerne an vergangene Zeiten erinnern. «Sergio hatte es auf meinen Job abgesehen.»
Meine Augen weiten sich, meine Augenbrauen springen in die Höhe. «Sergio wollte was?»

Sie zuckt mit ihren Schultern, doch ihre Mimik ist angespannt. «Er hielt sich für den rechtmäßigen Boss und versuchte meinen Posten zu übernehmen.»
Zögerlich, fast schon ängstlich vor der Antwort, frage ich: «Weil du eine Frau bist?» Stumm bete ich, dass ich mich irre.
Avyanna schluckt schwer, ihr Blick senkt sich und sie beißt auf ihre innere Wangenseite. Schließlich hebt sie ihren Kopf wieder und beteuert: «Das spielt keine Rolle. Er hat sich geändert und hat dies in letzter Zeit oft genug bewiesen.»

Ein mulmiges Gefühl rumort in meinem Bauch. Das gefällt mir gar nicht. Weiß Cassian davon Bescheid? Soll ich ihm davon berichten? Aber wenn Avyanna Sergio verzeiht und er sich geändert hat, ist es überhaupt erwähnenswert? Doch würde es Cassian nicht trotzdem wissen wollen?

Meine Finger schnellen auf das Lenkrad. «Bist du dir sicher, dass er sich verändert hat?»
«Du kennst Sergio.» Ihre Stirn legt sich in Falten. «Hast du Zweifel ihm gegenüber?»
Habe ich das? Ich brauche mehrere Sekunden, um über diese Frage nachzudenken. Nervös fahre ich mir durch die Haare. «Ich möchte nur nicht, dass Cassian verletzt wird.»

Auch Avyanna benötigt kurz, um sich ihre Worte zurechtzulegen. «Sergio hat, nachdem Cassian angeschossen wurde, sehr gelitten.» Sie schaut aus dem Fenster, jedoch ist ihr Blick nicht präsent, sondern als würde sie alte Erinnerungen aus ihrem Gedächtnis kramen. «Er ist schon lange keine Beziehung mehr eingegangen. Es muss ihm wirklich ernst mit Cassian sein.»

«Du nimmst ihn auch nicht nur in Schutz, oder?» Es fühlt sich falsch an, so über Sergio zu reden, allerdings möchte ich kein Risiko eingehen. Cassian hat in seiner Vergangenheit schon genug gelitten. Ich möchte ihn vor weiteren Schmerzen schützen.

Hastig schüttelt Avyanna ihren Kopf. «Nein, keine Sorge. Du kennst Sergio.»
Kenne ich ihn denn? Wenn ich nicht einmal wusste, dass er früher Avyannas Position streitig gemacht hat. Wahrhaftig erinnere ich mich an das Gespräch im Café bei unserem ersten Date, als sie offenbarte, dass ihre Familia ihre Errungenschaften nicht anerkennen würde. Jedoch habe ich nicht geahnt, dass Sergio nicht nur dort dazugehören würde, sondern fast schon der Anführer gewesen zu scheint. «Er kam mir immer so korrekt vor. Ich hätte nie geglaubt, dass er dich verurteilen würde, allein weil du eine Frau bist.»

Avyanna zuckt mit ihren Schultern. «Ich weiß nicht, ob das sein Grund gewesen ist.» Sie überlegt kurz, bevor sie fortfährt: «Womöglich hielt er mich lediglich für unfähig.»
«Hast du ihn den nie gefragt?»
Mit zusammengepressten Lippen schüttelt sie ihren Kopf. Just in diesem Moment erhält sie eine Nachricht auf dem Handy. Nachdem sie es hervorgezogen hat und ihre Augen über dem Display huschten, breitet sich ein Lächeln auf ihren Lippen aus. «Sergio konnte die Adresse von Jasons Hausmädchen herausfinden.»


Eine halbe Stunde später sitzen wir in ihrem Wohnzimmer. Der Raum ist klein, vollgepackt mit Bildern, Dekorationen und altem Krimskrams. Obwohl die Wohnung klein ist, zeugen ihre Dekorationen und der Zustand ihrer Wohnung davon, dass es ihr an Geld nicht mangelt. Sie mag nicht reich sein, aber arm genauso wenig.
Avyanna und ich bedanken uns, als sie uns eine heiße Tasse Tee vor die Nase stellt. Ein süßlicher Früchtetee Geruch steigt mir in die Nase.

«Verstehe ich das richtig?» Frau Wang, eine junge chinesische Frau, sieht Avyanna an. «Sie sind der Boss von meinem ehemaligen Arbeitsgeber Jason?» Ihr Akzent ist kaum herauszuhören, nur bei bestimmten Wörtern wird er bemerkbar.
«Richtig.» Avyanna nicke. «Wir wollten Ihnen ein paar Fragen zu ihm stellen.»
«Hat er-», sie überlegt kurz, als würde sie nach dem richtigen Wort suchen. «Hat er Schwierigkeiten gebaut?»
Ich antworte: «Das wollen wir jetzt herausfinden.»

Sie nickt bedächtig. «Das dachte ich mir schon.»
Avyanna beugt sich nach vorne über den Tisch, sieht die Frau neugierig an. «Wieso sind sie davon ausgegangen? Hat er sich in letzter Zeit auffällig verhalten?»
Miss Wang knetet ihre Hände und nickt zögerlich.
«Könnten Sie uns sagen, wie sich sein Verhalten verändert hat?», frage ich Frau Wang, bevor ich einen Schluck des Tees trinke.

«Er warf mit Gegenständen um sich, war oft gereizt und einmal-» Sie schluckt schwer. «Einmal hätte er mich fast geschlagen.»

Meine Augen reißen auf. Ich verschlucke mich am Tee. Scheiße, ist der Tee heiß!

Avyanna verspannt sich. «Was ist dann passiert?»
«Ich habe gekündigt.»
Hustend nicke ich. Dann hat Jason uns wohl angelogen oder zumindest nicht gesamte Geschichte erzählt.

Avyanna hackt nach: «Hat er sie schon einmal körperlich belästigt?»
Frau Wang schüttelt ihren Kopf. «Nein, deswegen war ich auch so geschockt, als es passiert ist. Er war oft außer Haus, daher habe ich selten gesehen, aber wenn er da war, war er stets nett zu mir.»

Ich runzle meine Stirn. «Seit wann hat sich sein Verhalten verändert?»
Frau Wang kneift ihre schmalen Augen zusammen, wodurch sich ihre Stirn in Falten legt. «Ich glaube, vor mehr als einem Monat.» Ungefähr zu der Zeit, als der Mafia Krieg endete.
Avyanna und ich werfen uns einen Blick zu. Wir beide denken dasselbe.

Avyanna pustet über ihren Tee, bevor sie einen kleinen Schluck nimmt. Dann fragt sie: «Hat er in dieser Zeit irgendwelche besonderen Briefe oder Anrufe erhalten?»
Heftig schüttelt Frau Wang ihren Kopf. «Ja! Oftmals rief ein Mann an und jedes Mal, wenn ich den Anruf entgegengenommen habe, hat er nach Jason gefragt und wollte mir nicht einmal seinen Namen verraten oder was er von ihm will.»
Wieder treffen sich Avyannas und meinen Blick.

Ich lege meine Hände auf dem Tisch ab und beuge mich leicht nach vorne. «Wie hat sich Jason verhalten, wenn er die Anrufe entgegennahm? Haben sie Gesprächsfetzen mithören können?»
Sie beißt sich auf ihre Lippen, nickt jedoch dann. «Ich habe mitbekommen, wie Jason irgendein Angebot ständig abgelehnt hat, aber ich glaube der Mann wollte ein Nein nicht akzeptieren.»

Avyanna schürzt ihre Lippen. «Sind sie sicher, dass Jason das Angebot nicht angenommen hat?»
«Ich glaube schon, aber sicher bin ich mir nicht. Aber ich weiß, dass sich die zwei Männer nicht gut verstanden. Ständig diskutierten sie und anschließend war Jason immer angespannt und gereizt.»

«Frau Wang», sagt Avyanna, «Sie nennen ihn beim ersten Vornamen. Kennen sie sich gut?»
Ihre Wangen nehmen einen rosigen Ton an. «Entschuldigt, dass ist Angewohnheit. Er mochte es nicht, mit Mister angesprochen zu werden. Aber wie gesagt habe ich in der Regel eher selten gesehen. Ich würde nicht sagen, dass wir uns gut kannten.»

Avyanna nickt. «Vielen Dank, Frau Wang, Sie haben uns sehr weitergeholfen.» 

Mafia Romance 2 Where stories live. Discover now