|| 12 || Karaoke im Ballsaal

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Avyanna Salvatore

Gejaule, Geschreie, Gesänge.
Schräge Gesänge.

Und ich darf nicht einmal mir die Ohrschmerzen wegsaufen! Als hätte ich nicht ohnehin mehr als ausreichend Gründe um mich zu betrinken.

Wieso habe ich mich hier nochmal drauf eingelassen?

Tausende von meinen und Leandros Mafiosi tummeln sich in einem kleinen Ballsaal, den Mayra innerhalb Rekordzeit zu einer Karaokebar verwandelt hat. An den Wänden stehen Sitzgelegenheiten und Tische verteilt, eine Bar erstreckt sich über die gesamte Wand, eine rundliche Bühne thront in der Mitte des Saales. Gedämmtes Licht, bunte Diskokugeln sowie Partydekorationen und große Musikboxen ergänzen das Bild der Karaokebar.

Ich nippe an meiner Cola und versuche den Lärm um mich herum auszublenden. Eigentlich mag ich Karaoke. Mit Mayra und Dorian. Wenn wir angetrunken sind.
Aber natürlich ist ausgerechnet heute eine Ballettaufführung, die Mayra unbedingt anschauen wollte und Dorian muss sie begleiten. Obwohl er beteuerte, er ginge gerne mit Mayra mit, war es nicht schwer aus seiner Körpersprache zu lesen, dass er um einiges lieber mit zum Karaoke gegangen wäre.
Ich finde Ballett genauso uninteressant wie Dorian, dennoch würde ich nur allzu gerne mit ihm Plätze tauschen.

Alles ist besser als das hier.

Mit ansehen zu müssen, wie andere Alkohol in ihre Kehlen schütten, den Spaß ihres Lebens haben. Mit anhören zu müssen, wie ihre schrägen Stimmen sämtliche ausgelutschte Lieder trällern und brüllen. Folter. Reine Folter.
Leandro ist vor einer halben Ewigkeit in der Menge verschwunden, hat mich hier allein auf der kleinen Couch sitzen lassen. Und nicht einmal besaufen darf ich mich!

Amara, eine meiner neuesten Mafiosi, schlängelt sich zu mir durch, um mich zum Singen aufzufordern, jedoch lächle ich nur schwach und wimmele sie mit der Ausrede, es ginge mir nicht gut, ab. Als Enttäuschung sich auf ihrem Gesicht abzeichnet, bereue ich es beinahe.

Ich wünschte, ich könnte nun unbeschwert singen und mich im Takt zur Musik herumzuwirbeln, allerdings ist mir dies nicht vergönnt. Drei Gründe hindern mich.

Erstens, ich bin Capo dei capi. Folglich darf ich nicht die Kontrolle verlieren, solange sämtliche meiner und Leandros Soldaten mich sehen könnten. Ich kann es mir nicht leisten, meine bereits in Frage gestellte Autorität gänzlich zu verlieren.
Ich bin ein Mafia Boss, der Capo dei capi.
Wer würde mich respektieren, wenn dazu nicht einmal meine eigene Familia fähig wäre? Nein, ich darf kein Risiko eingehen. Sie müssen mich als Boss ansehen, nicht als eine betrunkene Frau, die nicht singen kann.

Natürlich könnte ich mich auch in Unterhaltungen einmischen, Kontakte knüpfen. Vermutlich wäre das sinnvoll, schließlich war dies das eigentliche Ziel dieses Abends. Ich könnte mich an Leandro dranhängen, seinem Beispiel folgen und die Sympathie möglichst vieler Anwesenden gewinnen. Jedoch ist da noch der zweite Grund, der mir dies verwehrt.

Denn, verdammt nochmal, ich habe vorgestern erfahren, dass ich Miguel heiraten muss!
Die Einladungen wurden bereits verschickt. Es ist offiziell.
In weniger als einem Monat bin ich eine verheiratete Frau. In weniger als einem Monat wird von mir erwartet, meinen besten Freund nicht nur romantisch, sondern gar sexuell, zu lieben.
In weniger als einem Monat werde ich meine Freiheit verlieren.

Mein ganzes Leben lang habe ich daraufhin gearbeitet, Capo dei capi genannt zu werden. Mein Weg war gesäumt mit Hindernissen, Vorurteilen, Frauenfeindlichkeit und blutigen Kämpfen. All diese Mühen sollen nicht umsonst gewesen sein. Mayras Schwester Najada starb hierfür. Zudem war es der größte Wunsch meines Vaters. Obwohl mein Vater Teilschuld an meiner jetzigen Lage besitzt, liebe ich ihn und möchte seinem Erbe Ehre verleihen. Er musste genauso sehr dafür kämpfen, dass ich nach seinem Tod Mafia Boss werden, wie ich es nun musste und noch immer muss. Ich Schulde es ihm. Ich möchte ihn Stolz machen. Ich möchte sein Vermächtnis ehren.

Mafia Romance 2 Where stories live. Discover now