Selbstzweifel

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Nun stand ich hier. Dieser Tag würde mein Leben erneut mein Leben verändern. Ich war aufgeregt und vollkommen innerlich aufgelöst. Gott sei Dank sah man es mir nicht an. Seit Tagen konnte ich nicht mehr richtig schlafen, so aufgeregt war ich.

Ich schaute wieder einmal auf den beeindruckend hohen schlanken silberfarben Tower der Firma CC-Corporation, der sich strahlenden hell im gleißenden Sonnenaufgang vor mir erhob. An mir vorbei strömten Hunderte von Mitarbeiter in ihrem schwarzen Einheitsdress in einer grauen Masse zu ihren Arbeitsplätzen in dieses dominierend wirkenden Gebäude, welches das Ziel hatte Macht darzustellen und auch erreichte. Ich jedenfalls war immer wieder beeindruckt davon.

Einige grüßten mich freundlich.

Ich nickte ihnen zu.

Ich war ein Teil von ihnen.

Ich war ein Teil dieses Imperiums, welches aus den Ideen eines einzigen Mannes empor gewachsen war - Chris di Catalo.

Fünf Jahre war es nun her. Seit fünf Jahren hatte sich mein gesamtes Leben verändert. Nichts war mehr wie vorher. Ich war ein anderer geworden. Ich hatte mich verändert und er war schuld daran gewesen. Oder war ich es? Innerlich schüttelte ich den Kopf. Nein, so war es nicht gewesen. Es war nur teilweise meine eigene Schuld.

Egal!

Es war nicht mehr zu ändern. Es hatte mich einfach verändert. Ich konnte es drehen oder wenden wie ich wollte, alles war jetzt anders.

Dies hier war mein Ziel! Dies würde alles ändern!

Meine Mutter hatte mich damals für verrückt erklärt, dass ich nach drei Jahren mühseligen Studiums der Architektur einfach alles so aufgab ohne zu wissen wo es mich hinführen würde. Sie konnte mich nicht verstehen.  Ich verstand mich zu dieser Zeit selbst nicht. Aber ich wusste was ich wollte und es hat mich hierher geführt, wie Reh, welches dem Jäger nicht entkommen konnte.  Ich seufzte. In dieser einen Nacht hatte sich alles für mich verändert!

Meine Natur war nicht das, wofür ich sie gehalten hatte. Meine eigene Natur hatte sich verändert. Ich war nicht mehr Mainstream. Ich konnte nicht mehr mitgehen mit diesen Menschen, die diesen Alltäglichkeiten nachgingen.

Meine Kollegen konnten meine Obsession zur Arbeit nicht verstehen. Seit drei Jahren arbeitete ich nun hier.

Mein ganzes Wesen, alles hatte sich auf ein Ziel konzentriert. Chris!

Es konnte nur er sein!

Es war nur eine Vermutung, aber ich hoffte, dass ich da richtig lag und mich nicht täuschte. Ich war mir sehr sicher, er müsste es sein. Für mich gab es fast keine Zweifel. Aber ich brauchte ein Bestätigung. Sein Geruch, seine Stimme irgendetwas.

Ich war am Ziel. In einer halben Stunde würde ich ihm gegenüber stehen.

Ich wusste nicht, ob es richtig war, aber ich musste es versuchen.

Ich folgte den Massen in den Bürotower, durchschritt das Sicherheitssystem mit meiner Zugangskarte, grüßte freundlich und ging an allen vorbei, die an den sechs Fahrstühlen anstanden um ihre verschiedene Büroetagen zu erreichen.

Neugierig schauten mir die Mitarbeiter hinterher. Einige tuschelten miteinander. Aber sie verhielten sich respektvoll. Sie wussten wer ich war und was mich erwartete. Einige hielten mich sogar für verrückt, einige für mutig. Keiner von ihnen würde dies wagen. Ich wusste, dass ich dies hier nicht machen musste. Aber mein innerer Zwang brachte mich dazu.
Ich wusste, dass mir eigentlich die ganze Welt offen stand mit meiner gerade absolvierten Ausbildung. Ich auf das hier nicht angewiesen. Aber ich wollte das. Es war meine eigene Entscheidung!

Ich trat zu einem siebenten Fahrstuhl, vor dem es völlig leer war und drückte den einzigen Knopf auf der Schaltleiste. Eine kleine Kamera, die über meinen Kopf angebracht war summte fordernd auf mich zu. Ich schaute freundlich hinein. Der Fahrstuhl öffnete sich sofort lautlos, ich stieg ein und drückte die eingelassene silberfarbene kleine Metallplatte für die oberste Etage des Bürohauses.

In der obersten Etage ging es ruhig zu. Direkt gegenüber dem Fahrstuhl stand ein gläserner Schreibtisch hinter dem dienstbeflissen eine ältere Dame mit einer kleinen Brille auf der Nase in einem gepflegten Kostüm sofort aufstand und mich zurückhaltend lächelnd begrüßte. Wir kannten uns von meinen vielen Botengängen und ich grüßte respektvoll zurück.

"Willkommen in den heiligen Hallen. Ich würde mich freuen, wenn Sie hier bei uns tätig werden würden", sagte sie zuvorkommend. "Herr Catalo erwartet Sie. Darf ich vorangehen?"

Mich überkam ein beklemmendes Gefühl. Würde ich es schaffen? Ich hatte erst vor drei Jahren meine Ausbildung als Sekretär hier im Haus begonnen und mit Auszeichnung abgeschlossen. Ich gehörte zu den Besten meines Jahrganges, aber ob ich seinen Anforderungen gerecht werden würde, war ich mir nicht sicher.

Trotz meiner Zweifel nickte ich ihr zustimmend zu.

Sie ging den eleganten Flur entlang, der mit schwarzem schweren Teppichboden ausgelegt war, in dem die silberne CC Zeichen ineinander wunderschön geschwungen verschlungen waren, zu einem hellen Vorzimmer, in dem bereits vier Sekretärinnen saßen und fleißig in ihre Computer schauten. Sie standen sofort dienstbeflissen auf und grüßten ehrerbietig, um sich gleich weiter ihren Tätigkeiten zu widmen.
Ich nickte allen freundlich zu und ging in einen großen eisig wirkenden Vorraum, in dem auf kalten schwarzen Marmorboden ein wuchtiger schwarzer Schreibtisch einsam neben einer übergroßen dunklen Doppeltür stand.
Weitere verschlossene Türen hoben sich von den schwarzen Wänden kaum ab. Fenster waren nicht vorhanden und eine kalte Neonbeleuchtung rundete dies Tiefkühl dominante Ambiente ab.

Mich fröstelte ein wenig und mir wurde innerlich kalt. Dies würde mein künftiger Arbeitsplatz sein, wenn ich das Vorstellungsgespräch schaffen würde, dachte ich.

Auf was hatte ich mich da eingelassen? Fragte ich mich. Warum sollte dieser Mann mich überhaupt haben wollen? Wer war ich überhaupt? Wieder einmal zerfrassen meine Selbstzweifel mich. Ich hatte mich seit Jahren auf diesen Moment vorbereitet. Aber was tat ich hier überhaupt? Ich wusste nicht mal, ob dieser Mann, der Mann war, den ich wollte. Ich war nicht selbstbewusst oder selbstsicher. Wie sollte ich diese Anforderungen erfüllen können? Wie sollte ich bereit sein für den Multimilliardär und für diese riesige Firma? War er der Mann, den ich wollte? Wer war er? Oh Gott, ich sollte abbrechen. Ich sollte hier nicht sein! Was tat ich hier überhaupt?

Zweifelnd schaute ich auf diese kalten verschlossenen Türen und den nackten leeren Schreibtisch, auf den mich der Computerbildschirm bösartig schwarz anstarrte.

Sie bemerkte meinen zweifelnden Blick: "Ich denke, Sie schaffen das. Sie sind der Beste, der hier je zum Sekretär ausgebildet wurde. Denken Sie daran, kein Chef ist einfach. Er kann Sie nicht einfach ablehnen, ohne sich lächerlich gegenüber seinen Mitarbeitern zu machen", sagte sie freundlich und lächelte mich aufmunternd an. "Wenn Sie soweit sind, können Sie hineingehen."

Ich hatte das Gefühl in einen Strudel geraten zu sein. Meine Gedanken standen nicht still. Ich fühlte mich extrem unsicher und meine Selbstzweifel zerfraßen gerade meine letzte Selbstsicherheit. Ich hatte einen extrem trockenen Mund und schluckte kurz.

Mich musste mich aus diesem negativen Strudel befreien, dachte ich.

Ich wollte hier sein!
Ich hatte daraufhin gearbeitet! Alles in mir schrie danach. Ich wollte diesen Mann treffen!

Ich war einer der besten Sekretäre im Haus. Ich konnte das! Ich musste nur von mir überzeugt sein, dachte ich trotzdem zweifelnd.

So nickte ich erneut und schaute nochmal an mir herunter. Dann rückte, nicht nur meine Krawatte gerade, sondern auch mein letzten Rest an Selbstbewusstsein, gab mir einen inneren Ruck und ging entschlossen auf die Tür zu und klopfte an.

Der eisige Hauch des Alphawolfs (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt