Ich muss Geduld haben!

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Wir flogen etwas außerhalb der Stadt nach Malibu an das Meer, wo der Hubschrauber auf dem Dach eines kleinen, aber exklusiven Krankenhaus landete.

Ich folgte Nikolas und den Ärzten, die bereits bereitstanden, bis zur Emergency Room Tür. Dort wurde ich von einer freundlichen jungen hübsch anzublickenden Schwester in einem hellblauen medizinischen Schützenkleid mit einer kleinen Uhr am Revers und hochgesteckten blonden Haar abgefangen. „Mein Herr, ich bin Joyce. Ich begleite Sie auf ihre Suite. Der Doktor wird sie gleich informieren, soweit die wichtigsten Untersuchungen vorgenommen worden."

Ich nickte ihr zu und folgte ihr auf ihren weißen Crocs in eine hübsche Zwei-Zimmer-Suite.

Der in einem warmen hellblau gestrichene Raum war mit einem langen gemütlichen Sofa ausgestattet, einer Stehlampe, einer Sitzecke mit vier Stühlen, an der man Essen konnte, und einem Schreibtisch mit Computeranschlüssen. An der Wand hing ein überdimensionierter Flachbildfernseher. In einer Ecke stand hinter einem Vorhang diskret ein schmales Bett. In einer Kommode war eine vollausgestattete Minibar mit Glasfront eingebaut und ein WMF Kaffeevollautomat mit Anleitung stand bereit. Sanftes Licht erhellte den Raum und gab den Blick auf die Berge und das Meer am Malibu Beach bei Nacht frei.

Sie öffnete die Tür zu einem zweiten hellerleuchteten gleichfalls hellblau gestrichenen Raum. Dort standen alle möglichen medizinischen Apparate bereit und ein zweiter Flachbildschirm hing an der Wand. Zwei gemütliche hellblaue Ohrensessel und ein kleiner Tisch standen am Fenster. Ein einzelner medizinischer Nachttisch stand in dem sonst leeren Raum. Das Bett fehlte noch, aber mir war klar, dass hier Nikolas landen würde, wenn er die wichtigsten Untersuchungen hinter sich hatte. Er war nicht wirklich krank, dass wusste ich. Ich hatte schon in meiner Jugend lernen müssen, dass ein einzelner Alpha Menschen so stark die Energie des Lebens entziehen konnte, dass der Mensch innerhalb von Minuten versterben konnte. Dies wurde uns in meiner Kindheit immer wieder von den erwachsenen Wölfen eingetrichtert.

Nikolas hatte einfach keine Lebensenergie mehr. Ich hatte ihm diese entzogen. Es war schwierig zu erklären. Wir würden es die Seele nennen. Ich raubte ein Teil der Seele des Menschen. Aber dieser konnte sie, wenn er jung war, immer wieder ersetzen. 

Andere Wölfe konnten es sogar innerhalb eines Monats. So dass es klein Problem war, das Alphatier innerhalb eines Monats zu nähren und ihm Kraft zu geben. Menschen waren nur eine Ausnahmeerscheinung und nur für den Notfall eine Alternative. Sie waren einfach zu schwach, um dies so, wie ein Wolf aushalten zu können. Ein Alpha brauchte ein Rudel. Dann war er vollkommen und konnte sich seiner Macht sicher sein.

Ich wusste das und hatte entgegen meiner Überzeugungen gehandelt. Eigentlich wollte ich dies niemals zulassen.

Nikolas hatte mich verführt. Er war einfach zu verführerisch.

Ich sank auf dem Sofa nieder während meine Tränen flossen. Ich schämte mich nicht einmal. Es war alles meine Schuld.

Die Schwester verschwand diskret und kam nach einigen Minuten mit einem Glas Wasser wieder. „Ich habe bereits einige Erkundigungen eingezogen. Ihre Begleitung wird es schaffen. Er hat einen langsamen, aber stabilen Herzschlag und die Atmung ist gleichmäßig. Seine Hirnfunktionen sind alle vorhanden und so wie es aussieht, werden alle wichtigen Teile des Körpers mit Blut versorgt."

Ich nahm ihr das Glas ab und sah sie dankbar an.

„Das zweite Bett hier im Nebenraum ist für Sie gedacht. Sie können aber auch gerne hier schlafen, wenn sie möchten." Sie schaute auf die Uhr. Ich denke in einer halben Stunde wird ihre Begleitung... – darf ich nach dem Namen fragen?"

„Entschuldigung, er heißt Nikolas Park, ist siebenundzwanzig Jahre alt und mein Sekretär. Wir hatten einen Unfall."

Sie lächelte wissend und stellte eine Schachtel mit Papiertaschentüchern vor mich hin. „Sie müssen mir nichts erklären. Wir haben hier alle möglichen Fälle. Ich werde ihnen gleich die Papiere bringen, die können Sie soweit ausfüllen, wie sie es für richtig halten. Uns interessieren insbesondere medizinische Besonderheiten, wie Vorerkrankungen und ob etwas aktiv geschehen ist, wie zum Beispiel Schusswunden, Schlägereien und so weiter."

Ich nickte verstehend und sagte fest: „Wir haben miteinander geschlafen, da ist er ohnmächtig geworden. Weitere Krankheiten sind mir nicht bekannt. Er war bisher immer Gesund und der Arbeitsmedizinische Dienst hat bei Einstellung nichts festgestellt."

„Gut, ich werde die Ärzte informieren und gleich wieder kommen und werde alles Weitere mit Ihnen durchgehen."

--o--

Müde schaute ich auf das Meer. Graublau warfen die kräftigen Wellen des kalten Pazifik die weiße Gicht auf den Strand im Winter. Ich wusste, von hier aus war das nächste feste Land Japan oder Hawaii. Dazwischen kam nur noch dieses, weite tiefe schwarze Meer, welches Tod und  Leben brachte.

Hinter mir hörte ich das leise Piepen des Herzschlages von Nikolas Anzeigegerät.

Ich drehte mich um und schaute traurig in dieses schöne bleiche Gesicht, welche ich zu lieben gelernt hatte. 

Bedrückt trat ich an das Krankenhausbett und streichelte ihm über die blasse, wie Wachs aussehende Wange, die mit einem Atemgerät bedeckt war.

Ich wusste, man sollte mit Menschen sprechen, die im Koma lagen, aber mir fehlten einfach die Worte. Sein Leben hing immer noch an einem seidenen Faden. Er lebte, aber er regte sich nicht. Seit fünf Tagen war er in diesem Zustand. Die Ärzte wussten nicht, woran das lag. Sie konnten in dem Fall nur warten. 

Ich wusste warum. Ich konnte nur warten und hoffen. 

Ich musste Geduld haben.

--o--

Meine Tage vergingen wie im Flug.

Gegen Nachmittag erschien ich regelmäßig im Krankenhaus, wenn ich nichts Unaufschiebbares zu erledigen hatte und setzte mich an Nikolas Bett. Sein Zustand war unverändert. Ich las ihm vor oder berichtete von den wichtigsten Ereignissen auf der Arbeit. Ich hatte einen Schreibtisch ins Zimmer stellen lassen und arbeitete meist bis in die späte Nacht in seinem Zimmer, so dass er nicht alleine war. Ich schlief im Nebenzimmer. James brachte gegen Morgen meine Kleidung und ich fuhr wieder ins Büro. Ich vermisste nicht mal die Berge. Mein Wolf starrte immer nur auf Nikolas, ohne sich zu rühren. Er liebte sein Spielzeug und er war unendlich traurig. Er vermisste ihn. Ich konnte das spüren. Manchmal fuhr ich Heim, verwandelte mich und rannte einfach todtraurig in der Nacht durch den leeren Wald. 

Ich vermisste ihn so unendlich!

Der eisige Hauch des Alphawolfs (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt