Ich bin das Ziel!

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Sekundenbruchteile später stand ich mit einem Mal in einer rauchenden Hölle.

Alles geschah gleichzeitig. Holz flog berstend laut umher, Fenster splitterten und zersprangen kreischend. Das Licht ging aus, Rauchbomben qualmten. Das Gebäude erbebte. Sogar der schwere Holztisch vibrierte. Unermesslicher Lärm erklang. Meine Gedanken waren wie weggeblasen. Von allen Seiten sprangen schwarz gekleidete Männer in den Saal und schossen. Schreie, Rufe. Neben mir kippten reihenweise Menschen um. Einige verwandelten sich in Wölfe und wollten fliehen. Sie wurden niedergeschossen. Bellen, knurren und hohes jaulen. Alles gleichzeitig.

Ich konnte nichts mehr sehen.

Im Augenwinkel nahm ich wahr, wie Chris sich verwandelte und gleichzeitig in Richtung des Alphas sprang. Ich spürte noch seine Überraschung. Dann war er aus meinen Gedanken verschwunden. Ich hustete und meine Augen tränten unermesslich. Tränengas! Sie brannten erbärmlich.

Mit einem Mal wurde ich von hinten umgriffen und weggezogen. Ich fand mich hinter dem Küchentresen wieder, wo mich ein vermummter schwarzer Mann in voller Sicherheitsmontur durch seine Nachtsichtbrille ernst anstarrte und den Finger auf die Lippen legte. Ich nickte zustimmend. Er zog seine schusssichere Weste aus und legte sie mir geschwind über. Dann stülpte er mir seinen Helm über, gab mir ein nasses Tuch, welches ich mir schnell vor dem Mund band und brachte sich hinter mich, während er mit seiner Waffe wieder in den Raum zielte.

Mit einem Mal war es schlagartig ruhig im Raum. Befehle wurden gebrüllt. Der Rauch verzog sich. Der Mann an meiner Seite schaute wieder zu mir und gab mir Luft aus seinem Atemgerät.

Er sprach in sein Mikrophon am Funkgerät: „Ziel gesichert"

Ich hörte knisternd aus seinem Funkgerät mehrere Ansagen „Gebäude gesichert"; „Alle Personen ausgeschaltet"; „Code Berta, Code Berta, Beschuss einstellen!" „Catalo? Catalo? Lagemeldung?"

Sekundenlang kam keine Rückmeldung.

Mir lief es kalt über den Rücken. Ich sprang auf und starrte über den Küchentresen in das Chaos.

Wabernde Rauchfetzen durchzogen den Raum. Irgendwo flackerte eine Taschenlampe auf. Lichtkegel der Stirnlampen der Männer erhellte alles gespenstig. Schwarzgekleidete Männer gingen im Nebel umher und überprüften die am Boden Liegenden, die sich nicht mehr rührten. Wölfe und Menschen alles durcheinander. Einige husteten, ein hohes jaulen war zu hören.

Ich hörte weiter auf die Funksprüche: „Irgendjemand Catalo gesehen?"

„Nein wir zählen sechzehn Überlebende plus Ziel"

„Gut, aber Catalo? Bitte jeder Einzelne - nochmal melden."

Ich hörte weiter ein tiefes Jaulen und Knurren. Aber es war nicht zu hören. Es war meinem Kopf, wie ich überrascht feststellte. Die Verbindung! Chris! Der Alpha! Ich konnte ihn hören!

Ein neuer knarrender Funkspruch: „Nicht angreifen, hinter dem Billardtisch liegen zwei Wölfe. Beide schwer verletzt. Nicht schießen. Die können uns nichts mehr tun."

Ich sprang auf, das war Chris!

„Chris!" Schrie ich den Sicherheitsmann vor mir an und zog an seinem schwarzen T-Shirt.

Er drehte sich um und schaute mich überrascht an.

„Das ist Chris!" schrie ich ihn verzweifelt an. „Der Wolf ist Chris!!", verzweifelt riss ich an seinem T-Shirt.

Er zog die Stirn kraus. Aber er gab über Funk die Information weiter: „Das Ziel muss sich irren, aber er sagt, einer der Wölfe sei Chris di Catalo."

Über Funk hörte ich: „Egal, beide hier liegende Wölfe sind schwer verletzt. Die können sowieso nichts mehr machen."

Ich sprintete los. Quer durch das Chaos.

„Nicht schießen", hörte ich hinter mir. "Es ist das Ziel!"

Ich starrte in mehrere Waffenläufe, die hochgerissen wurden und hob beide Hände. Während ich jetzt langsam weiterging. Die Männer ließen mich durch. Der Mann, der mich gesichert hatte, folgte mir und gab mir Feuerschutz.

Ich ging zum Billardtisch. Da sah ich sie!

Sie lagen in einander verkeilt und bluteten aus vielen Wunden. Der Boden um die beiden war Blut verschmiert. Ich erkannte Chris sofort. Der andere Wolf war grauhaarig. Das konnte nur der Alpha sein. Chris hatte sich in seinem Maul verbissen. Aber es sah aus wie eine Pattsituation. Der Andere bewegte sich hektisch und schlug heftig mit seiner Rute. Er versuchte sich mit seinen riesigen Tatzen von Chris zu lösen, der hatte aber sein ganzes Maul, welches etwas größer war, über die Schnauze des anderen geschoben. - Aber er bewegte sich nicht mehr!

„Keiner rührt sich!", befahl ich und beugte mich zu Chris herunter, während mir die Tränen liefen. Ich hörte die Stimme des Alphas wieder. Der verzweifelt nach mir rief und Befehle an mich aussendete. Ich strich über Chris blutbeschmierten Körper und ertastete auf seiner Brust nach seinem Herzen. Es schlug nur noch schwach.

Der Alpha rief mich – stark – seine Befehle waren stark – er wollte, dass ich die Waffe nehme und Chris erschieße.

Mein Kopf schmerzte mit einem Mal unermesslich. Es war wie ein Schlag in den Nacken. Ich fiel auf die Knie, mir liefen die Tränen. Der Alpha versuchte seinen gedanklichen Befehl durchzusetzen. Ich wehrte mich gegen diese Gedankenkontrolle. Ich wollte das nicht. Das war Chris. Mein Chris!

Konnte ich mich widersetzen? Mein Kopf fing an zu brennen. Feuer, er brannte lichterloh! Hitze! Ich schrie laut und hielt mir den Kopf.

Der Mann neben mir schaute mich entsetzt an. Er wusste nicht, welchen Kampf ich innerlich ausfocht.

Ich schaukelte hin und her und stöhnte, während ich mir meinen Kopf hielt. Ich wollte das nicht! Das war Chris! Ich musste gehorchen! Er hatte Macht über mich! Er schickte mir derart stechende Schmerzen, dass ich nicht mehr klar denken konnte.

Ich musste die Waffe nehmen! Ich musste! Der Alpha verlangte es! Schieß! Schieß!

Ich griff neben mir und riss dem Mann die geladene Waffe aus der Hand.

Er war völlig überrascht.

Mein Hirn zersprang in tausend Teile wie eine riesige berstende Glasscheibe.

Ich schoss!


Der eisige Hauch des Alphawolfs (BoyxBoy)Where stories live. Discover now