Kapitel 2

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Er stieg aus und ich bemerkte den Mann, der aus der Hütte heraus gelaufen kam. Ich stieg ebenfalls aus, blieb aber vor dem Auto stehen.

„Jamie?", der Mann lächelte mich an. Seine Augen waren braun, irgendwie wirkte er ziemlich alt.

„Hm?", ich beäugte ihn einmal von oben bis unten. „Du bist dann wohl mein Erzeuger?"

Der Mann, mein Erzeuger, schluckte bevor er nickte.

„Willkommen! Ich bin so froh, dich endlich kennen zu lernen.", mein Erzeuger hatte sein Lächeln schnell wieder gefunden. Ich räusperte mich pikiert.

„Ja... ich mich leider überhaupt nicht.", ich sah mich gespielt übertrieben in der Gegend um. „Und wo werde ich wohnen?"

Miguel, mein Erzeuger, zog verwirrt seine Augenbrauen zusammen. Er drehte sich um und zeigte auf die Baracke die er sein Haus nannte.

„Nein. Auf keinen Fall!", platzte ich heraus und schüttelte energisch meinen Kopf. „Du da!", ich zeigte auf den Jungen. „Bring mich in ein Hotel!"

Der Junge verdrehte abermals seine Augen und mein Vater sagte irgendwas auf Spanisch zu ihm. Daraufhin schmiss der Junge meinen Koffer auf die Straße und fuhr einfach davon. Mein Vater ging wortlos zu meinem, jetzt endgültig verbeulten, Koffer und hob ihn auf.

„Kommst du?", er schaute nicht zurück, er wusste, dass ich ihm folgen würde. Was sollte ich auch sonst machen?

***

Das Haus war von innen keinen Deut schöner als von außen. Es war klein, düster und es stank ganz ekelhaft nach Rauch. Einen Eingangsbereich gab es nicht, wenn man die Hütte betrat stand man direkt im Wohnzimmer. Hier gab es weder Pflanzen noch Gardinen. Es standen lediglich ein Sofa, ein Tisch und ein alter Antennenfernseher herum.

„Du hast noch nicht mal einen Flatscreen?", fragte ich entsetzt als ich das Gerät aus dem vorherigen Jahrhundert betrachtete. Die Küche sah aus wie vom Sperrmüll eingesammelt. Die meisten Schränke waren kaputt, der kleine Tisch und die Stühle sahen unmodern aus. Ich folgte Miguel in den oberen Stock.

„Hier ist dein Zimmer!", sagte er und drückte die Tür auf. Er stellte meinen Koffer auf den Boden vor das schmale Bett und lächelte mich an. „Ich habe es extra für dich her gerichtet. Die Bettwäsche ist ganz neu und das Bad nebenan kannst du ganz allein nutzen, wenn du möchtest!"

Ich verstand nicht, wieso er so stolz war. Das Zimmer war viel zu klein, genauso das Bad. Es gab noch nicht einmal eine Badewanne. Als er merkte, dass ich nichts sagen würde, ging er zur Tür.

„Ich lass dich in Ruhe auspacken."

Ohne ihn anzusehen ging ich zum Fenster. Ich sah direkt auf die Straße herunter. Mit einem Ruck öffnete ich das alte Fenster und ließ die feuchtwarme Luft herein. Lieber das als der ekelhafte Gestank der im Inneren des Hauses herrschte. Während ich meine wenigen Klamotten in den Schrank hängte überlegte ich fieberhaft wo ich jetzt meine Maniküre herbekommen sollte. Gab es hier Nagelstudios, Friseure und Fitnessstudios? Ich würde mich umbringen wenn ich nicht weiter in ein Fitnessstudio gehen konnte und meinen perfekten Körper verlor. Das wäre mein Untergang!

Schließlich hatte ich mich lange genug davor gedrückt nach unten zu gehen. Der Koffer war schnell ausgepackt gewesen. Das Erste, was ich morgen tun würde, war mir neue Kleidung zu besorgen. Niedergeschlagen schlich ich die morsche Treppe hinunter und entdeckte meinen Vater im Garten. Er war gerade dabei den Grill zu putzen.

„Was machst du da?", fragte ich überflüssigerweise.

„Zu deinen Ehren bekommen wir Gäste. Wir werden Grillen und feiern, dass du hier bist!", erklärte mein Vater stolz. Ich bekam große Augen.

„Was gibt es da zu feiern?", ich schnaubte ungläubig.

„Du bist meine Tochter und Teil der großen Familie, die wir hier sind!"

„Ja!", ich lachte trocken auf. „Ich wünschte, es wäre nicht so!"

Miguel ließ den Satz unkommentiert und widmete sich wieder dem Grill. Er strafte mich also mit Missachtung? Na schön, ich war die Königin in diesem Spiel. Ich stampfte zurück ins Haus, die Treppe hinauf und verbarrikadierte die Zimmertür hinter mir. Sollte er doch feiern, dass ich hier war, aber ohne mich!

Ich hatte versucht meine beste Freundin Hannah zu erreichen. Leider bekam ich sie nur kurz an die Strippe. Heute war Dannys Poolparty, auf die wir uns schon seit einem halben Jahr gefreut hatten. Hannah hatte mich abgewimmelt um sich in Ruhe stylen zu können. Jetzt saß ich unzufrieden auf meinem Bett und hatte keine Menschenseele, der ich mein Herz ausschütten könnte. Außerdem machte ich mir jetzt erst recht Sorgen, schließlich konnte Hannah sich jetzt ungeniert an Collin heran machen. Beste Freundin hin oder her, ich wusste, dass sie ihre Chance, jetzt da ich weg war, ergreifen würde. Schließlich hörte ich Stimmen, die durch das offene Fenster drangen. Neugierig stand ich auf und sah hinaus. Mein Vater stand im Garten, der Grill rauchte vor sich hin und etliche Leute strömten durch das Gartentor herein. Sie alle sahen so unglaublich fröhlich aus, die meisten Frauen trugen Schüsseln mit irgendwelchen Speisen und stellten sie auf einen langen Tisch. Mein Vater wurde überschwänglich begrüßt und umarmt. Die waren doch nicht alle verwandt mit ihm? Ein paar jüngere Kerle zogen schließlich meine Aufmerksamkeit auf sich. Sie sahen verdammt gut aus. Groß, durchtrainiert und braungebrannt. Doch andererseits wollte ich ihnen lieber nicht nachts in einer dunklen Gasse begegnen. Sie hatten alle diesen wachen, suchenden Blick. Die Tatoos, mit denen sie übersät waren trugen nicht gerade zu einem netten Erscheinungsbild bei. Das waren nicht diese Sorte von Tatoos, die ich mir stechen lassen würde. Ich hatte einen kleinen Smiley auf der rechten Pobacke tätowiert, eine Jugendsünde die ich unter Alkoholeinfluss begangen hatte. Doch nach Smileys sahen diese Tätowierungen der Jungs nicht aus. Es waren auch keine Totenköpfe oder so. Es waren vielmehr irgendwelche Schriftzüge und Logos. Das alles kam mir jedoch nicht im Geringsten bekannt vor. Vielleicht waren solche Zeichen hier modern, ich konnte diese seltsame Kultur der Leute hier sowieso nicht verstehen. Ich hatte mich gerade wieder vom Fenster abgewandt um weiter in meinem Selbstmitleid zu versinken als es an der Tür klopfte. Ich stöhnte und drückte mein Gesicht in das Kopfkissen. Vielleicht würde der ungebetene Gast vor meiner Tür, ich war mir sicher, es war Miguel, einfach von alleine wieder verschwinden wenn ich ihn nur lang genug ignorieren würde. Doch leider ging mein Plan nicht auf. Es klopfte erneut und eine hohe Stimme rief: „Hallo?"



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