Kapitel 28

351 19 1
                                    

Leise öffnete ich die Schlafzimmertüre. Es war spät am Abend, Maria und Lucia schliefen schon lange und Chico war, wie ich das schon erwartet hatte, nicht nach Hause gekommen. Er hatte sich nicht einmal gemeldet, kein Anruf, nicht einmal eine kleine SMS. Die Unruhe übernahm schließlich die Überhand und mein Hirn schaltete sich aus. So schlich ich also mal wieder im Dunklen durch das große Haus. Den Wagenschlüssel hatte ich schnell gefunden. Er lag ordentlich in der dafür vorgesehenen Schüssel im Eingangsbereich. Als der SUV piepte, als ich ihn aufschloss, sah ich mich hektisch um. Hoffentlich hatte es keiner gehört! Doch im Haus blieb es dunkel. Ich atmete erleichtert ein und setzte mich hinter das Steuer. Innerhalb weniger Sekunden hatte ich die Einfahrt verlassen und raste durch die Stadt. Ich hoffte inständig, dass mich keiner der Jungs entdeckte. Doch die Straßen waren ruhig, kein Mensch und kein anderes Auto waren zu sehen. Als ich schließlich durch die herunter gekommene Siedlung fuhr, in der Miguel lebte, überkam mich ein seltsames Gefühl. So ähnlich wie eine dunkle Vorahnung, schätze ich. Ich parkte den SUV vor dem Haus meines Vaters und stellte den Motor ab. Meine Hände zitterten leicht und ich wischte sie mir nervös an der Jeans ab. Was war denn nur plötzlich los mit mir? Sicherheitshalber klemmte ich den Schlüssel so in meine Hand, dass ich einen Angreifer abwehren konnte. Mir war schon klar, dass es ziemlich lächerlich war, schließlich trugen hier alle Schusswaffen, aber der Schlüssel gab mir ein Gefühl der Sicherheit. Ich ging langsam auf die Haustüre zu und öffnete sie. Als ich eingetreten war und das Licht einschaltete hielt ich den Atem an. Szenen von Horrorfilmen schossen mir durch den Kopf. Ich war erleichtert, dass kein Mörder auf dem Sofa saß als ich das Licht eingeschaltet hatte. Ich blieb einen Moment still stehen, außer dem unnatürlich lauten Ticken der Wanduhr war nichts zu hören. Schnell schaute ich mich im Wohnzimmer und in der Küche um. Es war alles, wie immer. Schmutziges Geschirr in der Spüle und der Gestank von Zigaretten lag in der Luft. Ich ließ den Schlüssel auf eine alte Kommode fallen und huschte ins Schlafzimmer meines Vaters. Ich hatte schnell eine alte Sporttasche gefunden, in die ich jetzt wahllos irgendwelche Klamotten schmiss. Viel Kleidung hatte Miguel sowieso nicht, demnach war ich relativ schnell fertig mit dem Packen. Bevor ich das Licht wieder ausschaltete sah ich mich im Haus noch einmal um. Es war nach wie vor alles still. Ich zog die Haustür hinter mir zu und joggte zurück zu Chicos SUV. Ich kramte mein Smartphone aus meiner Hosentasche und wartete ungeduldig, bis die Navigations-App funktionstüchtig war. Die Adresse vom Krankenhaus hatte ich schnell heraus gefunden, mit dem Navi würde ich es sicher schnell finden. Die Computerstimme leitete mich sicher durch die Stadt und in weniger als einer halben Stunde tauchte der große, graue Kasten, der das Krankenhaus war, vor mir auf. Das Parkverbotsschild ignorierend parkte ich direkt vor dem Haupteingang. Mit der Tasche in der Hand sprintete ich durch die sich automatisch öffnenden Türen. Eine braunhaarige Frau, ich schätzte sie auf circa dreißig Jahre, saß an der Information und blätterte gelangweilt in einem Magazin während sie lautstark auf einem Kaugummi herum kaute.

„Hallo! Ich muss zu Miguel Rodriguez!", brachte ich atemlos hervor. Sie sah langsam auf und ließ dabei ihren pinkfarbenen Kaugummi knallen.

„Hä?", machte sie während sie sich eine ihrer Locken um den Finger wickelte. Sie nervte mich jetzt schon.

„Miguel Rodriguez!", sagte ich etwas lauter.

„Ist ein bisschen spät für Besuch, hä?", raunzte sie gelangweilt. Sie ging mir wirklich richtig auf die Nerven.

„Er ist mein Vater!", zischte ich und trommelte ungeduldig mit meinen Fingernägeln auf dem Tresen herum.

„Was? Dein Vater?", fragte sie sichtlich überrascht.

„Nein, mein Hamster!", fuhr ich sie an. „Natürlich mein Vater!"

„Du bist aber ne Vanillebraut!", ihre Stimme klang ekelhaft und nervig. Ich wollte ihr gerne die Visage zerkratzen!

Verschiedene WeltenWhere stories live. Discover now