Kapitel 32

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„Ich weiß.", flüsterte ich und nahm meine Hand von seiner Wange. Meine andere Hand löste ich von seinem Nacken, dann stand ich langsam auf. Er folgte mir mit seinem Blick und ich wusste, dass er dachte, ich würde mein Versprechen brechen. Doch ich streckte ihm meine Hand entgegen, die er verwundert annahm. Er stand auf, sodass ich jetzt wieder nach oben sehen musste, um ihm in die Augen sehen zu können. Ich ging auf ihn zu, legte meine Hände auf seine Brust und stellte mich auf die Zehenspitzen.

Wie bescheuert war ich zu denken, ich könnte ihn verlassen? Wie dumm konnte ich sein zu denken, dass ich ohne ihn leben könnte?

Doch ungeschoren würde er mi r nicht davon kommen.

Als Chico bemerkte, was ich vorhatte, war es nur leider schon zu spät. Mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, stieß ich zu. Unter normalen Umständen hätte ich kleiner Knirps gegen ihn keine Chance, doch er war nicht darauf gefasst gewesen, sodass er mit den Armen rudernd ins Wasser flog. Als er auftauchte war außer meiner Lache nichts zu hören. Chico sah sich kurz verwirrt um, als er mich schließlich lachen sah, stimmte er mit ein.

„Komm schon rein!", verlangte er, woraufhin ich heftig meinen Kopf schüttelte. Chico war mit wenigen Zügen an den Beckenrand geschwommen. Gerade, als er sich aus dem Wasser zog, grummelte der erste Donner. Kurz darauf spürte ich die kleinen Tropfen, die vom Himmel fielen. Ich kreischte, als ich mich umdrehte um vor Chico weg zu rennen. Der nächste Donnerschlag ertönte und ließ unser lautes Lachen untergehen. Und dann öffnete der Nachthimmel seine Schleusen. Innerhalb weniger Sekunden war ich durchnässt, da machte es auch keinen Unterschied mehr, dass Chico mich zu fassen bekam und mich an sich drückte. Ich lachte noch immer, wurde jedoch ruhiger als ich meinen Kopf auf seine Brust legte. Ich hörte seinen schnellen Herzschlag und spürte die Wärme, die unter den nassen Klamotten von ihm ausging. Seine starken Arme waren um mich geschlungen und hielten mich fest, während Blitze über den Himmel zuckten. Schließlich ließ er seine Arme nach unten gleiten und hob mich hoch, sodass mein Gesicht nun leicht über dem seinen war. Ich legte meine Hände an seine nassen Wangen und strich sanft darüber. Ein Blitz zuckte über den Himmel und für einen kurzen Augenblick war der gesamte Garten taghell erleuchtet. Ich senkte meinen Kopf und hielt, kurz bevor unsere Lippen sich trafen, inne. Schließlich drückte ich meine Lippen sanft auf seine. Und wieder einmal stellte ich fest, wie sehr ich ihn brauchte. Auch wenn er Chico Morena war und ein knallharter Typ und von mir aus auch ein Gangster. Er war mein Chico. Als der Regen heftiger wurde, ließ Chico mich hinunter auf den Boden. Meine Beine fühlten sich an, als wären sie aus Pudding. Ich schlang meine Arme sofort um seinen Nacken und dachte überhaupt nicht daran, den Kuss zu lösen. Chicos Hände griffen in meine nassen Haare. Während das Gewitter zunahm, wurde auch unser Kuss heftiger. Als ich gerade dabei war, unter sein Shirt zu fassen, löste er sich jedoch von mir.

„Wir sollten rein gehen.", sagte er während er meine Handgelenke sanft umfasste und so meine Hände von seinem Bauch weg zog. Ich machte einen Schmollmund, doch Chico verschränkte unsere Finger miteinander und zog mich ins Haus. Es war still und dunkel. Maria war wahrscheinlich schon vor einer Weile ins Bett gegangen. Chico zog mich ohne zu fragen in sein Zimmer hinauf. Kaum, dass er die Tür geschlossen hatte, drückte er mich dagegen um mich wieder zu küssen. Die Kälte, die mich kurz davor noch gequält hatte, war vergessen. Sie wurde von einem Feuer ersetzt, welches nur Chico in mir entfachen konnte. Er griff, ohne den Kuss zu unterbrechen, nach dem Saum meines T-Shirts. Es klebte an meiner Haut, da es völlig durchnässt war. Auch auf dem Fußboden unter uns hatte sich eine Pfütze gebildet. Es war mir egal. Ungeduldig half ich Chico dabei, das Shirt von meinem Oberkörper zu zerren. Mit einem schweren Klatschen kam es auf dem Boden auf, doch ich war damit beschäftigt, Chicos Shirt von seinem Körper zu zerren. Er zog es sich über den Kopf und manövrierte mich dann in sein Badezimmer. Als er das Wasser in der Dusche anstellte, warf ich einen kurzen Blick in den Spiegel. Ich erkannte mich fast nicht wieder. Ganz davon abgesehen, dass meine Haare nass waren und mir platt auf dem Kopf klebten, sah ich ganz anders aus. Meine Lippen waren geschwollen und rot, meine Wangen glühten ebenfalls. In meinen Augen lag etwas, was ich nur als wild beschreiben konnte. Der Spiegel beschlug und Chico drehte mich zu sich um. Er öffnete geschickt die Knöpfe meiner Jeans-Shorts und zerrte sie über meine Beine. Ich hob mich kurz an seinen Schultern fest, als ich aus den Shorts heraus stieg. Mit ihm war irgendwie alles so normal. Dann drehte er mich wieder um. Ich spürte seine Lippen in meinem Nacken und keuchte als er meinen BH öffnete und ihn sanft von meinen Armen schob. Seine Hände wanderten langsam tiefer und entfernten auch den Rest meiner Kleidung von meinem Körper. Schließlich drückte er mir noch einen Kuss auf die Stirn, dann schob er mich unter die Dusche. Ich holte zischend Luft, als der heiße Wasserstrahl meine kühle Haut berührte. Bereits nach wenigen Sekunden hatte ich mich jedoch an die Wärme gewöhnt, sodass sich meine Muskeln entspannten. Ich hob meinen Blick und sah, dass Chico sich ebenfalls aus den nassen Klamotten geschält hatte. Beinahe stürmisch schlang ich meine Arme um seinen Bauch und zog ihn zu mir unter die Dusche. So fest ich konnte, presste ich meinen Körper an seinen während wir uns küssten. Seine Hände strichen meine Wangen entlang, über mein Schlüsselbein, über meinen Rücken und Po. Kurz unter meinem Po blieben seine Hände liegen. Er hob mich hoch, mein Rücken wurde gegen die kalte Fliesenwand gepresst, was mich kurz keuchen ließ. Doch bereits eine Sekunde später fanden meine Lippen wieder die seinen. Ich spürte, dass ich ihn wollte. Ich wollte ihn mehr denn je. Nein, ich brauchte ihn sogar. Ich brauchte ihn so dringend wie die Luft zum Atmen und ich spürte, dass auch er mich wollte. Ich löste meine Lippen von den seinen und legte meinen Kopf an der Fliesenwand ab. Als er in mich eindrang, schlossen sich meine Augen flatternd. In seiner Nähe war ich einfach nicht mehr Herr meiner Sinne. Ich spürte seine Lippen auf meinem Dekolleté, während ich völlig den Verstand verlor...

*

„Ich hoffe, es hat uns keiner gehört!", flüsterte ich, als wir später dich aneinander gekuschelt in seinem Bett lagen. Das Gewitter war vorüber gezogen. Man hörte in der Ferne noch Donnergrollen, doch das Schlimmste war vorbei. Der Regen jedoch hatte nicht nachgelassen. Es war gemütlich dem Regen zuzuhören, der auf das Dach prasselte. Ich drückte mich noch fester an Chico, der seine Arme fest um mich geschlungen hatte und immer wieder einen Kuss auf meinen Haaransatz drückte.

„Wieso kann es nicht immer so einfach sein?", hauchte ich während ich genießerisch meine Augen schloss. Chico schwieg. Weil ich nicht hier her gehöre, gab ich mir selbst die Antwort. So, als wollten meine eigenen Gedanken den Moment zerstören, kam mir plötzlich die Sache mit Tito in den Sinn. Wenn dieses Missgeschick ans Tageslicht käme, wäre alles zerstört. Doch selbst wenn wir dann nicht mehr zusammen wären, wahrscheinlich nicht einmal mehr miteinander reden würden, würde ich immer wissen, dass er jetzt, in diesem Moment, alles für mich war.

*

Als ich am nächsten Morgen wach wurde, war Chicos Betthälfte leer. Etwas enttäuscht ließ ich mich zurück in die Kissen fallen. Ich war gerade wieder dabei einzuschlafen, draußen regnete es noch immer, also hatte ich keinen Grund aufzustehen, als es an der Tür klopfte.

„Jamie? Bist du da drin?", Lucias fragende Stimme drang durch das Holz.

„Ja.", gab ich verschlafen zurück.

„Allein?"

„Ja, komm schon rein!", forderte ich während ich mich aufsetzte. Lucia schob vorsichtig ihren Kopf zur Tür rein.

„Maria frägt, ob du frühstücken möchtest."

„Klar, ich komme gleich.", antwortete ich während ich das Zimmer nach meinem Shirt abscannte.

„Okay, wir warten unten auf dich!", Lucias Lockenmähne verschwand wieder aus dem Türrahmen. Mein Shirt lag dort, wo wir es gestern Abend fallen gelassen hatten. Beim Gedanken an den gestrigen Abend stahl sich sofort ein Grinsen in mein Gesicht. Leider war mein Shirt noch immer nass, sodass ich es nicht tragen konnte. Jetzt stand ich allerding fast nackt hier herum. So konnte ich nicht durch das Haus gehen, schließlich wusste man hier nie, wer noch alles durch die Gänge geisterte. Ich ging also zu Chicos Kleiderschrank und wühlte darin herum. Zwar befanden sich fast nur schwarze, graue oder weiße Shirts darin, dennoch, und das musste ich neidvoll anerkennen, war sein Schrank ordentlicher als meiner. Ich griff nach einem schwarzen T-Shirt und einer Jogginghose. Ich wollte den Schrank gerade wieder schließen, als ich einen Karton entdeckte. Was war da wohl drin? Einmal mehr verfluchte ich meine Neugier. Wie oft hatte sie mich schon in Schwierigkeiten gebracht? Ich sollte den Karton in Ruhe lassen, es ging mich nichts an. Doch Chicos ständige Geheimnistuerei machte mich sowieso schon lange wahnsinnig. Vielleicht war da etwas drin, was mich weiter bringen könnte? So, als wäre es ein Versehen, trat ich gegen den Karton.

„Ups!", machte ich, total bescheuert, weil ja sowieso keiner im Raum war. Dann hob ich den Deckel an. Kurz zögerte ich noch. Sollte ich das wirklich tun? Der Engel und der Teufel auf meinen Schultern führten eine heiße Diskussion, wie immer gewann letztendlich der Teufel. Ich schob den Deckel ganz herunter. Ich keuchte, als ich den Inhalt erblickte. Waffen, unzählige Waffen. Keine Ahnung, was das alles war, aber auf jeden Fall waren es tödliche Handfeuerwaffen, die mir heftig Angst einjagten. Gerade als ich den Karton wieder verschließen wollte, entdeckte ich etwas Weißes dazwischen. Mit spitzen Fingern, so, als wären sie giftig, schob ich die Waffen beiseite und kramte nach dem Papier. Es war ein Briefumschlag. Er war unordentlich aufgerissen worden. Ich kämpfte wieder einmal gegen das schlechte Gewissen an. Sollte ich diesen Schritt auch noch gehen?

Ja. Ich sollte...

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