Kapitel 33

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Mit angehaltenem Atem zog ich den Inhalt aus dem Umschlag.

„Was ist das denn?", hauchte ich, als ich die Fotos, die im Umschlag waren, in den Händen hielt. Auf jedem einzelnen Foto war ich abgebildet. Ich, wie ich mit Lucia zum Einkaufen fuhr, ich, wie ich am Pool in Marias Garten saß und ich, wie ich über den Krankenhausparkplatz lief. Was für eine kranke Scheiße war das denn bitte? Wieso hatte Chico diese Fotos von mir in seinem Schrank, versteckt in einem Karton? Hektisch ging ich die restlichen Fotos durch, doch ich fand keinen Hinweis darauf, wer sie warum gemacht haben könnte.

„Jamie? Was ist denn jetzt? Dein Kaffee wird kalt!", schrie Lucia. Ich stopfte schnell alles zurück an seinen Platz. Hektisch stand ich auf, gerade rechtzeitig, denn schon tauchte Lucia im Zimmer auf.

„Was machst du denn so lange?", fragte sie, setzte im nächsten Moment jedoch ein schiefes Grinsen auf. „Schöne Klamotte!", sie nickte zu den viel zu großen Anziehsachen, die ich mir von Chico geborgt hatte.

„Halt die Klappe!", gab ich augenverdrehend zurück, dann legte ich meinen Arm um ihre Schultern und wir gingen zusammen nach unten.

Am späten Abend lag ich neben Lucia im Bett und dachte, wie schon den ganzen Tag, über diese Fotos nach. Zuerst hatte ich mir vorgenommen, Chico darauf anzusprechen. Diese Idee hatte ich dann jedoch ziemlich schnell wieder verworfen. Erstens, würde Chico dann wissen, dass ich in seinen Sachen gewühlt hatte und zweitens, würde er mir sowieso nicht die Wahrheit sagen.

„Du bist so still heute, ist alles in Ordnung?", fragte Lucia, die sich jetzt in meine Richtung drehte.

„Ja.", gab ich knapp zurück.

„Ist es wegen deinem Vater? Du hast ihn doch heute gesehen, ihm geht es schon viel besser!"

„Nein, es ist nicht wegen Miguel.", antwortete ich. Als ich ihn heute zusammen mit Lucia besucht hatte, sah er schon wesentlich gesünder aus, nicht mehr so blass sondern wieder so, wie ich ihn kannte.

„Ich merke doch, dass du etwas hast. Hat Chico wieder etwas angestellt?"

„Nein...!", lautete meine Antwort, doch ich korrigierte mich schnell. „Obwohl... ich weiß es nicht."

Lucia setzte sich auf und musterte mich.

„Raus mit der Sprache!", forderte sie streng. Jetzt setzte auch ich mich auf während ich tief Luft holte. Ich raffte meine langen, blonden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen.

„Du musst mir versprechen, dass du es keinem sagst, Lucia!", verlangte ich. Sie nickte energisch.

„Klar, versprochen!"

Ich holte erneut tief Luft während Lucia immer ungeduldiger wurde.

„Ich habe heute etwas in Chicos Schrank gefunden, was mich ziemlich beunruhigt.", begann ich langsam zu erzählen.

„Ja, und was war das?", quatschte Lucia dazwischen.

„Fotos."

„Nacktfotos von fremden Frauen, oder was?", sie zog ihre Augenbrauen nach oben.

„Nein, du Depp! Fotos von mir!"

„Er hat Nacktfotos von dir gemacht?!", keuchte sie. Ich verdrehte meine Augen.

„Nein! Und ich glaube auch nicht, dass Chico diese Fotos gemacht hat, auf denen ich allesamt angezogen bin!", schnaubte ich.

„Ja, wo ist dann das Problem? Ist doch süß, dass er Fotos von dir hat!"

„Lucia, du verstehst es nicht. Das sind nicht solche Fotos! Die sehen so aus... ich weiß es nicht... die sehen aus, als hätte mich jemand beschattet!"

„Beschattet?!", jetzt bekam Lucia große Augen. „Das ist ja gruselig!"

Ich nickte.

„Zeig sie mir!", verlangte sie während sie aufstand und ihren Morgenmantel überzog.

„Spinnst du? Wir können doch nicht mitten in der Nacht in Chicos Zimmer gehen! Was, wenn er nach Hause kommt?"

„Quatsch, der kommt erst in ein paar Tagen wieder! Sie sind nach New Orleans gefahren."

„New Orleans?", hauchte ich. „Er hat mir gar nichts gesagt!"

„Jetzt komm schon!"

Allein schon die Wut darüber, dass Chico mir nicht Bescheid gesagt hatte, sorgte dafür, dass mein schlechtes Gewissen quasi nicht mehr vorhanden war. Wie Spione schlichen wir über den Hausflur, die Treppen hinauf. Ich öffnete die Tür, im Zimmer war es dunkel. Lucia drängelte sich von hinten an mir vorbei und schloss die Tür. Dann knipste sie ihre Taschenlampe an.

„Wo hast du die denn jetzt her?", fragte ich.

„Aus meinem Nachttisch, für Notfälle!", erklärte sie geschäftig während sie das Zimmer ableuchtete.

„Also, hier ist keiner! Wo sind die Fotos?"

„Im Schrank!", antwortete ich und ging hinüber um den Karton heraus zu holen. Alles war noch an Ort und Stelle.

„Junge, Junge! Sind das viele Pistolen!", hauchte Lucia und nahm eine heraus. Sie hielt sie vor sich und tat so, als wäre sie ein Gangster.

„Lass den Scheiß!", keifte ich und entriss ihr die Kanone.

„Spaßbremse!", murrte sie und leuchtete in den Karton hinein. Ich zog den Umschlag heraus und drückte ihr die Fotos in die Hand. Für einen kurzen Moment betrachtete sie schweigend die Bilder.

„Das siehst irgendwie...", murmelte sie geistesabwesend. „...echt nicht gut aus!"

„Ach nee!", schnappte ich und entriss ihr die Bilder wieder, um sie selbst noch einmal anzusehen.

„Und da steht nirgends was drauf, von wem die sind?", fragte sie. Ich schüttelte meinen Kopf.

„Vielleicht solltest du doch mit Chico darüber reden?", schlug sie vor.

„Bist du blöd oder so? Was soll ich ihm denn sagen? Hallo Chico, ich habe in deinen Sachen geschnüffelt und diese Fotos von mir gefunden?", schnauzte ich.

„Hm. Ja, das hört sich ziemlich doof an.", gab Lucia zu. „Komm, wir gehen wieder nach unten, dann besprechen wir das weiter!"

Wir räumten alles wieder an seinen Platz, dann schlichen wir die Stufen wieder hinunter. Erst als wir wieder im Bett lagen, trauten wir uns, etwas zu sagen.

„Dieses Foto auf dem Krankenhausparkplatz ist erst wenige Tage alt. Wir müssen die Augen offen halten, vielleicht entdecken wir den Fotografen!", schlug Lucia vor. Ich nickte während ich gähnte. Dieses ganze Familia-Gehabe war ganz schön anstrengend.

*

Ich wurde von meinem Handy geweckt, welches auf dem Fußboden lag und vibriert hatte. Lucia grunzte, zog sich die Decke über den Kopf und schnarchte weiter. Mit einer umständlichen Verrenkung versuchte ich mein Handy zu erreichen. Während meine Beine noch im Bett waren, hing mein Oberkörper aus dem Bett heraus. Verzweifelt hatte ich meine Hand ausgestreckt und versuchte an das Gerät zu kommen. Nachdem ich das Gleichgewicht verloren und aus dem Bett auf den Fußboden gerutscht war, musste ich mir eingestehen, dass es schneller und einfacher gewesen wäre, wäre ich einfach aufgestanden.

„Sind in New Orleans, in zwei Tagen wieder zurück. Chico.", stand da auf meinem Display. Wow, nachdem er nun jetzt schon einen Tag und eine Nacht weg war, ließ er sich dann auch mal dazu herab mir diese nette Nachricht zu schicken. Ich schnaubte. Wenn überhaupt, würde er auf eine Antwort meinerseits noch einige Stunden warten müssen.


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