Kapitel 5

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„Ach ja?", meine Stimme war plötzlich leise und zurückhaltend. Chico nickte.

„Was soll das, Chico?", grunzte Juan hinter mir. Sofort fuhr ich wieder herum um ihm meinen Todesblick zuzuwerfen.

„Das ist Miguels Tochter.", erklärte Chico an Juan gewandt.

„Ganz recht!", keifte ich während ich meine Arme vor der Brust verschränkte.

„Steig in den Wagen.", Chico sprach leise aber seine Aussage ließ keinen Widerspruch zu. Doch ich war dumm genug und versuchte es trotzdem.

„Was? Vergiss es!", ich machte einen Schritt zurück, Chicos Anwesenheit brachte mich völlig durcheinander. Ich hatte wirklich einen Heidenrespekt vor ihm.

„Ich bring dich zurück zu Miguel, hier draußen ist es zu gefährlich."

Ich verdrehte meine Augen. „Zu gefährlich? Es wäre überhaupt nichts passiert wenn dieser Gorilla hier nicht gewesen wäre!", schrie ich und deutete hinter mich auf Juan.

„Hey!", beschwerte dieser sich und ich spürte, dass er wieder näher an mich herangetreten war. Sofort ging ich einen Schritt nach vorne, doch leider stand da Chico.

„Geht einfach weg!", forderte ich während ich angriffslustig mein Kinn nach vorne reckte. Sie durften meine Angst und Unsicherheit nicht bemerken. Chico lachte leise, was mich gleichermaßen verwirrte als auch wütend machte.

„Was gibt's da zu lachen, huh?"

„Steig in den Wagen!", von einer Sekunde auf die nächste war das Grinsen aus seinem Gesicht verschwunden und ein wütender Ausdruck machte ihm Platz.

„Ihr habt echt Probleme!", murmelte ich, erstaunt über den schnellen Stimmungswechsel. Chico nickte Juan kurz zu, ich konnte gar nicht so schnell schauen, da hatte er mich wieder gepackt und mich hinten ins Auto hinein gesetzt.

„Hey! Nein! Ich zeig euch an! Das ist Entführung! Freiheitsberaubung ist das!", brüllte ich während Chico hinter dem Lenkrad und Juan neben ihm Platz nahm. Ohne auf meine Beschwerden und Drohungen einzugehen startete Chico den Wagen und steuerte ihn ziemlich schnell zurück zu der Baracke in der Miguel lebte. Dieser wartete natürlich bereits auf mich. Als Chico und Juan ausstiegen erkannte ich, dass er erleichtert wirkte. Chico öffnete die hintere Tür während Juan sich lässig an den Wagen lehnte.

„Danke, dass ihr sie zurück gebracht habt!", sagte Miguel, während er beiden die Hand schüttelte.

„Steig aus!", Chicos tiefe Stimme drang an meine Ohren.

„Nein!", keifte ich aus dem Inneren des Wagens heraus und verschränkte erneut trotzig meine Arme vor der Brust. Ich hörte, wie der dunkelhaarige Kerl genervt ausatmete.

„Raus jetzt!", sagte er etwas lauter.

„Nein!"

„Willst du mich verarschen? Raus aus meinem Wagen!", Chico hatte sich herunter gebeugt und starrte mich wütend an.

„Nein!", ich schaute demonstrativ in die andere Richtung. Natürlich benahm ich mich wie ein Kind, doch es war mir sowas von scheißegal. Im nächsten Moment umfasste Chico meinen Arm und zog mich aus seinem Auto. Ich schrie erschrocken auf, der Kerl war definitiv stark, sehr sogar. Mein Fuß blieb im Fußraum stecken und so hatte ich keine Chance mehr mein Gleichgewicht zu halten. Da Chico meinen einen Arm fest umklammert hielt konnte ich mich nirgends richtig festhalten was dazu führte, dass ich unsanft mit den Knien auf dem Asphalt aufkam. Kurz verzog ich schmerzhaft das Gesicht, doch keineswegs würde ich es diesem frauenverachtenden Arschloch zeigen. Ich konnte mich noch nicht einmal selbst aufrappeln, Chico zog mich hoch und ich betrachtete meine aufgeschlagenen Knie.

„Geht man so mit einer Frau um, ja?", brüllte ich jetzt außer mir vor Wut. Ich holte aus und wollte diesem Mistkerl eine knallen, leider war er schneller und umfasste meine Hand bevor sie auch nur in die Nähe seines Gesichts kam. Meine Angst vor ihm hatte der blanken Wut Platz gemacht.

„Lass mich los, du Mistkerl!", brüllte ich und eroberte meinen Arm und meine Hand zurück. Dann wollte ich in die scheußliche Baracke meines Erzeugers laufen. Nichts wie weg von diesen groben Typen. Doch bereits nach fünf Schritten krachte der Absatz meines Schuhs. Und das war der Moment in dem mein Zorn überkochte. Chico hatte meine Louboutins kaputt gemacht! In einer schnellen Bewegung zog ich mir den kaputten Schuh vom Fuß und warf so fest ich konnte. Leider verfehlte das Wurfgeschoss sein Ziel, welches eigentlich Chicos hübsches Gesicht gewesen war, und traf den schwarzen Wagen. Ein tiefer Kratzer blieb im Lack zurück. Oje! Jetzt aber weg hier!

Ich war gerade dabei meine wenigen Klamotten aus dem Schrank zu ziehen und in den Koffer zu werfen. Auf gar keinen Fall würde ich hier noch länger bleiben. Ich war gerade einmal einen Tag hier und schon waren meine Lieblingsschuhe ruiniert und zwei Gangster hatten mich misshandelt. Naja, sie hatten meine Louboutins misshandelt und dafür gesorgt, dass meine Beine durch blutige Knie entstellt waren und meine Handgelenke und Arme sich hässlich blau verfärbten. Mein Verstand sagte mir, dass ich schnell das Weite suchen sollte bevor sie mich noch umbrachten. Ich sah kurz von meinem Koffer auf als es an der Tür klopfte. Natürlich war es Miguel, dieser Verräter.

„Jamie, was machst du denn da?", fragte er nachdem er die Tür geöffnet und seinen Kopf ins Zimmer gesteckt hatte.

„Ski fahren! Nach was sieht es denn aus?", motzte ich und versuchte den Reißverschluss des verbeulten Koffers zu schließen. Miguel überging meine patzige Antwort einfach. Es machte mich wahnsinnig, dass er immer so ruhig blieb.

„Raus jetzt! Ich will in Ruhe packen!", zischte ich und nickte in Richtung Tür.

„Du kannst nicht abreisen!", widersprach er.

„Ach nein? Dann sieh mal her!", rief ich und stolzierte mit meinem Koffer an ihm vorbei.

„Jamie, sei vernünftig. Wie willst du denn zum Bahnhof kommen?"

„Bevor ich auch nur eine Minute länger hier bleibe werde ich laufen! Da kannst du Gift drauf nehmen!"

„Das ist zu gefähr...!"

„Gefährlich, gefährlich – Halt die Klappe!", unterbrach ich ihn indem ich ihn und die beiden Gorillas, die mich verletzt hatten, nachäffte.

„Komm schon Jamie! Wir kriegen das hin!", seine Stimme klang fast bittend und um ein Haar hätte ich fast ein bisschen Mitleid mit ihm gehabt. Ich warf meine langen, blonden Haare über meine Schulter und funkelte ihn wütend an.

„Ich bleibe nicht hier in diesem Drecksloch von Haus! Das kannst du vergessen!"

Ich bemerkte den Schmerz, der kurz in seinen Augen zu erkennen war, ignorierte es jedoch. Zu schlimm war die Vorstellung hier weiterhin leben zu müssen für mich.

„Was, wenn ich dich vorübergehend woanders unterbringe? Nur so lange, bis du dich eingelebt hast.", Miguel sah mich hoffnungsvoll an.

„Ach und wo willst du mich unterbringen? In einer deiner Villen, oder was?", ich verdrehte meine Augen.

„Ich rufe jemanden an.", murmelte er und ging in die Küche. Jetzt ließ dieser Trottel mich hier wirklich stehen! Wahrscheinlich war mein Gesicht schon übersät mit roten Flecken weil ich so wütend war! Sicher würde ich Stress-Pickel bekommen. Das würden sie mir büßen, dieses ganze Gesindel hier! Bereits nach wenigen Minuten kam mein Erzeuger wieder aus der Küche.

„Du kannst zu Maria.", sagte er. Was? Jetzt wollte er mich zu einer wildfremden Frau abschieben, in die nächste Baracke? Ich sprach meinen Gedanken laut aus.

„Es wird dir bei ihr gefallen, dort ist es mehr so... so wie du es gewöhnt bist."

Ich schnaubte. „Das kann ich mir kaum vorstellen, aber okay. Bring mich hin – sofort!"

Ich drückte ihm meinen Koffer in die Hand und ging zu seinem alten, rostigen Truck.



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