Kapitel 15

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Am Nachmittag saß ich allein im Garten und starrte nachdenklich auf die glatte Oberfläche des Pools. Lucia war mit einer Freundin zum Shoppen gefahren. Sie hatte zwar lange versucht mich zu überreden mitzukommen, doch ich hatte jetzt wirklich keinen Nerv für so etwas. Erstaunlich, vor ein paar Tagen noch hätten mich Nichts und Niemand davon abgehalten shoppen zu gehen. Doch ich kam mit dieser Geschichte, und mit Rauls Tod, obwohl ich den armen Mann noch niemals gesehen hatte, einfach nicht klar. Was lief hier verdammt nochmal? Ich verstand es einfach nicht und es machte mich so langsam fertig. Ich war erst kurz in Mexiko und schon kam ich überhaupt nicht mehr klar. Ich hatte nicht nur mich selbst in die Scheiße geritten sondern musste nebenher noch mit Morden, Waffen und Gangs fertig werden. Im Vergleich hierzu war mein altes Leben in San Diego total lachhaft gewesen. Dort ging es nur darum zu feiern, einzukaufen und sämtliche Lippenstiftfarben auszuprobieren, die Chanel zu bieten hatte. Außerdem, und das machte mich wirklich verrückt, machte ich mir riesige Sorgen um Chico. Er war ein Arsch und hatte sich mir gegenüber richtig übel verhalten, trotzdem hatte ich unheimliche Angst davor, dass er auch erschossen werden könnte. Ich hatte auch Angst um Miguel, schließlich gehörte er auch zu den La Morenas. Ich war so in Gedanken versunken gewesen, dass ich überhaupt nicht mitbekommen hatte, dass die Sonne hinter dichten, grauen Wolken verschwunden war. Erst als der erste Tropfen auf meinen Kopf fiel, bemerkte ich den Wetterwechsel. Seufzend stand ich auf und ging ins Haus. Kaum hatte ich die Terrassentür geschlossen goss es auch schon wie aus Eimern. Plötzlich war mir richtig kalt. Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und schaute den Regentropfen zu, wie sie auf die Oberfläche des blauen Pools klatschten und der sonst so hellen und warmen Welt Mexikos etwas Trostloses verliehen. Plötzlich fühlte ich mich so allein wie noch nie. Ich vermisste meine Mutter und noch trauriger wurde ich als mir klar wurde, dass sie noch nicht einmal versucht hatte mich zu erreichen seit ich hier war. Ich ging in Lucias Zimmer und kramte einen langärmligen Pullover aus meinem Schrank. Dann griff ich nach meinem Handy, das überhaupt keine Nachrichten anzeigte. Nicht einmal Hannah hatte sich gemeldet. Als die Tür aufgeschlagen wurde zuckte ich zusammen. Lucia trat kichernd ein und schmiss verschiedene Tüten auf den Zimmerboden. Sie war klatschnass und ihre Locken klebten ihr auf dem Kopf.

„Hey Jamie!", rief sie, während sie ihren Kopf schüttelte. Hinter ihr trat eine Dunkelhaarige ein. Auch sie trug etliche Tüten mit sich und sah genauso begossen aus wie Lucia. Das Beeindruckendste an ihr war, dass sie leuchtend grüne Augen hatte. Es passte überhaupt nicht zu ihren dunklen Haaren und dem südländischen Aussehen.

„Hi!", sie winkte mir zu. „Ich bin Becca!"

Ich grinste sie an und reichte zuerst Lucia, dann ihr, ein frisches Handtuch.

„War die Shopping-Tour erfolgreich?", fragte ich obwohl ich die Antwort schon kannte.

„Oh ja! Allerdings!", rief Lucia und kramte in einer dunkelroten Tasche. „Hier! Das hat mich sofort an dich erinnert!"

Sie schmiss eine kleine Schachtel zu mir die ich geschickt auffing. Beinahe hätte ich gejubelt. Eigentlich fing ich nie etwas auf. Ich war in solchen Dingen komplett untalentiert.

„Was ist das?", fragte ich und musterte die Freundin neugierig.

„Machs auf!", Lucia trat näher und beobachtete mich. Ich öffnete die kleine Schachtel und fand einen Anhänger für eine Kette darin. Es waren schwarze Pumps mit roter Sohle. Louboutins!

„Oh Lucia!", rief ich und umarmte sie stürmisch. „Die sind wunderschön."

„Na ich dachte, weil deine echten ja kaputt sind... Du warst so traurig deswegen."

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll.", ich war heut sowieso nah am Wasser gebaut und diese kleine, liebevolle Geste trieb mir die Tränen in die Augen.

Verschiedene WeltenWhere stories live. Discover now