Kapitel 8

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„Mädchen! Steht auf, wir machen Frühstück!", diese Stimme und ein stetiges Klopfen an der Tür drangen in meine Träume und holten mich langsam aber sicher zurück in die Wirklichkeit. Ich grunzte, so wie immer wenn ich wach wurde und eigentlich noch weiter schlafen wollte. Lucia neben mir stöhnte qualvoll ehe sie sich umdrehte, schmatze und wieder leise schnarchte.

„Steht auf!", Maria polterte wieder gegen die Tür, dann riss sie sie auf und marschierte ins Zimmer. Ohne Rücksicht auf Verluste zog sie die Vorhänge auf die Seite, sodass helles Licht das Zimmer durchflutete.

„Neiiiin.", Lucia vergrub ihren Lockenkopf unter dem Kopfkissen während ich meinen Unterarm über meine Augen legte.

„Raus aus den Federn!", herrschte Maria und riss erbarmungslos die Decke von uns herunter. Sofort rollte ich mich wie ein Embryo zusammen während Lucia versuchte das kleine Kopfkissen als Decke zu verwenden.

„Wir sind ja schon wach!", knurrte ich irgendwann. Ich wusste, dass Maria nicht aufgab. Als ich endlich die Augen öffnen konnte und sie wegen des hellen Lichts nicht wieder zukneifen musste, schaute ich auf die Uhr, die gegenüber an der Wand hing. Was? Erst halb acht? Maria hatte doch nicht mehr alle Tassen im Schrank. Grummelnd und fluchend setzte ich mich auf und rüttelte an Lucias Schulter.

„Wach auf.", sagte ich während ich mir den Schlaf aus den Augen rieb.

„Nein! Hau ab!", jammerte Lucia.

„Maria kommt sicher gleich mit einem Eimer eiskaltem Wasser zurück!", murmelte ich während ich ins Bad schwankte.

„Oje!", rief ich aus als ich in den Spiegel sah. Blaue Augen starrten mir entgegen und total außer Kontrolle geratene Haare. Ich sah so aus, als hätte heute Nacht ein Storch auf meinem Kopf genistet! Schnell fuhr ich mit Lucias Bürste durch das Chaos und schaffte die Mähne schließlich in einem Dud aus dem Weg. Schon besser! Etwas kaltes Wasser ins Gesicht und ich hatte das Gefühl endlich klar denken zu können. Mit den nassen und kalten Händen ging ich zurück zu Lucia und klatschte sie ihr in den Nacken. Ein gellender Schrei ertönte und Lucia sprang schneller auf, als ich es je für möglich gehalten hätte. Nachdem sie sich jedoch gewaschen hatte stellte ich fest, dass sie doch ein Morgenmensch war. Sie plapperte auf dem Weg nach unten in die Küche unaufhörlich während ich Mühe hatte mir nicht die Hände auf die Ohren zu legen um dem unerbittlichen Redeschwall zu entgehen. Zuerst brauchte ich dringend einen Kaffee...

„Da seid ihr ja endlich! Jamie, schneide das Obst, Lucia, zeig ihr wie es geht!", ordnete Maria an, die den Frühstückstisch auf der Terrasse bereits gedeckt hatte. Als wir die in Würfel geschnittene Melone auf den Tisch stellten betrachtete ich das leckere Frühstück. Frisch gebackene Brötchen, Käse und Wurst, verschiedene Brotaufstriche und alles, was man in einem guten Fünf-Sterne-Hotel ebenfalls zum Frühstück bekam. Am besten jedoch roch der frische Kaffee.

Mit uns frühstückten nur Mano und Tito. Chico und Fernando schienen noch zu schlafen. Vielleicht wohnten sie auch gar nicht hier und waren gestern Abend nur zu Besuch da gewesen. Ich hatte gierig einen Stapel von der Melone auf meinen Teller gehäuft und hörte den unverfänglichen Gesprächen der anderen interessiert zu. Ich musste zugeben, dass ich mich hier wirklich richtig wohl fühlte. Zumindest solange Chico nicht in der Nähe war. Der machte mir nämlich Angst. Doch ich hatte den Gedanken noch nicht einmal beendet, da tauchte er in der Türe auf. Er trug lediglich schwarze Shorts und sah so aus, als wäre er gerade erst aufgewacht. Als er Tito etwas fragte klang seine Stimme noch kratziger und rauer als sonst. Es klang richtig heiß. Ich schüttelte schnell meinen Kopf und schalt mich selbst für diesen kindischen Gedanken. Dann stopfte ich ein riesen Stück Melone in meinen Mund und kaute geistesabwesend darauf herum.

„Hast du gut geschlafen?", irritiert hob ich meinen Blick als ich bemerkte, dass Chico mich angesprochen hatte. Sofort wurde mir heiß und ich spürte, wie ich rot anlief. Ein belustigter Ausdruck huschte über sein Gesicht als ich nickte, die Backen voller Melone. Wahrscheinlich sah ich aus wie ein Hamster...

„Iss etwas, Junge!", forderte Maria ihn auf, doch er verneinte nur und faselte irgendwas von einer dringenden Sache oder so, dann verschwand er wieder im Inneren des Hauses. Irgendwie hatte Chicos Auftritt mir den Appetit verdorben. Nach dem Frühstück erledigten Lucia und ich den Abwasch als Maria in die Küche kam.

„Liebes, sei so nett und bringe Chico das hier in sein Zimmer. Er muss so viel arbeiten, da muss er auch essen."

Normalerweise hätte ich Marias muttervolle Art geliebt, doch jetzt fand ich es ziemlich beunruhigend. Ich wollte nicht zu ihm gehen! Trotzdem nickte ich und nahm ihr den Teller aus der Hand.

„Wo ist sein Zimmer?", fragte ich und ärgerte mich darüber, dass meine Stimme irgendwie belegt klang.

„Zweiter Stock, letzte Tür auf der linken Seite.", sagte Maria während sie Lucia beim Abtrocknen des Geschirrs half. Ich ging extra langsam los und versuchte den unangenehmen Kontakt mit Chico noch hinauszuzögern, doch auch im langsamten Schneckentempo stand ich irgendwann vor seiner Tür. Scheiße.

Ich klopfte und wartete auf eine Antwort, die verzögert kam.

„Was!"

Hui! Der hörte sich vielleicht angepisst an. Trotzdem öffnete ich die Tür und trat ein. Das Zimmer war wie das von Lucia hell... oder wegen der großen Fensterfront wäre es hell gewesen, Chico hatte jedoch die Vorhänge zugezogen, sodass nur spärlich Licht in den Raum fiel. Auf der rechten Seite befand sich ein großes Bett, es war zerwühlt und daneben auf dem Fußboden lagen Klamotten herum. Chico selbst saß mit dem Rücken zu mir auf einer Couch, der Fernseher gegenüber war an, Chico jedoch schaute nicht hin. Er war mit irgendetwas, was er auf dem kleinen Tisch vor sich ausgebreitet hatte, beschäftigt.

„Ich bring dir was zu essen.", sagte ich schnell, blieb dann aber unschlüssig mitten im Raum stehen. Chico drehte sich um, sah mich einen Moment verwirrt an, dann kramte er eilig die Einzelteile einer Waffe – Moment, was? Eine Waffe?! – vor sich zusammen und schmiss sie unter den Tisch.

„Stell es hier her!", sagte er während er auf die Kommode zeigte und gleichzeitig aufstand. Gerade als ich den Teller abgestellt hatte trat er direkt hinter mich um nach dem Kaffee zu greifen. Die plötzliche Nähe machte mich verlegen und nervös. Erschrocken wich ich einen Schritt zurück und rempelte dabei eine Stehlampe an. Chicos amüsierter Ausdruck entging mir nicht. Er hätte sich wenigstens ein Shirt anziehen können! Ich war ja auch nur ein Mensch! Als ich bemerkte, dass ich ihn gerade wirklich angestarrt hatte, klatschte ich mir innerlich selbst eine. Ich verlor doch sonst nie meine Selbstbeherrschung. Naja, okay, wenn ich einen Wutanfall hatte verlor ich sie immer... aber niemals bei Kerlen!

„Also dann...", murmelte ich und wollte das Zimmer schnell wieder verlassen.

„Danke.", sagte Chico und nippte an seinem Kaffee. Ich antwortete nicht mehr, ich flüchtete regelrecht aus dem Raum und versteckte mich erst einmal in Lucias Zimmer. Wieso machte dieser Kerl mich so konfus?



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