Verzweiflung

810 44 0
                                    

Die nächsten Tage saß Fire, immernoch mit dem Blick gegen die Wand gerichtet, in ihrer Zelle. Sie war seit der Diskussion mit Faramir ziemlich wütend und umso mehr davon überzeug, keines der steinharten Brote anzurühren. Ab und zu ein Schluck aus dem Krug, aber mehr nahm sie nicht zu sich. Ihr Stolz war verletzt worden und das ging ihr gehörig gegen den Strich. Jede Wache, die zu ihrer Zelle kam um ihr irgendetwas mitzuteilen oder ihr wieder Wasser und Brot aufzuschwatzen, wurde lautstark von ihr angewiesen, zu verschwinden. Faramir war seither nicht mehr bei ihr aufgetaucht. Sie war froh den, ihrer Meinung nach nervigen und kaltherzigen, Heerführer nicht dauernd sehen zu müssen. Allerdings war er ihr einziger Gesprächspartner gewesen, seit Jukka hingerichtet worden war.

Da Fire in ihrer Zelle weder Tag noch Nacht wahrnahm, merkte sie gar nicht wie die Zeit verging. Nur ihr inzwischen äußerst unangenehmer Geruch nach Schweiß und Dreck machte ihr klar, dass sie schon verdammt lange hier war. Zu lange.

Die Tage vergingen wie Jahre und die Monate wie Menschenleben. Von der starken Frau war nur mehr ein dünnes, bemitleidenswertes Wesen geblieben. Nur ab und an aß sie wiederwillig ein Stück Brot, aber auch nur dann, wenn gerade keine der Wachen zusah. Fire wollte nach wie vor stur sein und zeigen, dass sie sich nichts vorschreiben ließ und ihre Ehre behielt. An Faramir dachte sie nicht mehr. Er war seit Wochen, sogar Monaten nicht mehr aufgekreuzt. Wieso sollte sie also ihre Gedanken an ihn verschwenden? Insgesamt lebte Fire schon knapp ein Jahr im Gefängnis Minas Tiriths. Ihre Beschäftigung bestand darin, Wachen zu belauschen und gegen die Wand zu starren. Geschlafen hatte sie seit langem nicht mehr. Wie lange, konnte sie nicht sagen. Sie hatte sich längst damit abgefunden, ihr Leben in einem Kellerloch zu verbringen.

Früher träumte sie oft davon verschiedene Orte Mittelerdes zu besuchen. Das Auenland, Rohan oder sogar den Düsterwald. Inzwischen waren derartige Träume verblasst und in den Hintergrund gerückt. Momentan war ihr größer Wunsch, die Sonne wieder zu sehen.

Fire spürte jeden Tag aufs neue, dass Licht- und Nährstoffmangel sie langsam zerfraßen. Ihr Immunsystem hatte durch Vitaminentzug schon lange den Geist aufgegeben. So durchlebte sie oft grauenvolle Nächte, in denen sie hustete und trotz heißer Stirn am ganzen Körper zitterte. Auch weinte sie oft. Meist jedoch so leise, dass niemand es merkte. Auch weinte sie ohne Tränen. Sie hatte keine für ihr Leben mehr übrig. Es war ihr egal.

Sie merkte, dass sie wahrscheinlich noch kaum mehr als einen Monat zu leben hatte. Einfache Krankheiten wie Erkältungen setzten ihr schwer zu und sie wirkte trotz ihres sonst recht dunklen Hauttons wie ein Gespenst. Die Wachen gruselten sich vor diesem Anblick und so liefen sie oft vorbei, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Man konnte fast meinen, sie hätten vergessen, dass dort in der Zelle überhaupt noch jemand saß. Das Einzige was auf das Wissen um ihre Existenz hindeutete, waren die Besuche von Wachmännern, welche ihr Brot und Wasser gaben.

Fire kämpfte den schlimmsten Kampf, den sie jehmals erlebt hatte. Sicher hatte sie sich schon oft gegen stark bewaffnete Männer behaupten müssen, doch war das nichts im Vergleich zum erbitterten Kampf ums Überleben, welchen ihr Körper führte. Es grenzte wahrlich an ein Wunder, dass sie überhaupt noch von sich behaupten konnte am Leben zu sein. Manchmal hörte sie, wie Soldaten über Piraten sprachen, welche verhungert oder an irgendwelchen Krankheiten verendet waren. Jeden Abend betete sie, dass die Valar sie endlich von diesem grausamen Schicksal erlösen mögen. So sah Fire auch den Tod als einen Weg der Erlösung an. Jedoch blieb ihr Betteln und Flehen ohne Erfolg.
Jukka sagte sie solle nicht aufgeben. Dieser Gedanke schien sie auf unerklärliche Art und Weise am Leben zu halten, auch wenn jeder Tod ihr lieber gewesen wäre, als ein weiterer Tag in dieser Zelle.

KämpferherzWhere stories live. Discover now