Alagos

446 29 6
                                    

"Okay, dann leg mal los! Wie beginnt man?!", fragte Angrim, welcher mit Lorgan am Zaun stand und Fire beobachtete. "Mir hilft es, wenn ich mich in das Pferd hineinversetze. Stellt euch einfach vor, ihr wurdet von Fremden aus eurer gewohnten Umgebung gerissen. Es gibt niemanden, der euch helfen könnte. Ihr seid auf euch allein gestellt! Der einzige den ihr erreichen könnt ist ein Fremder. Wie denkt ihr?", begann die Frau zu erklären. "Gut vorgestellt? Schön. Nun überlegen wir uns, wie wir als Mensch dem Pferd etwas Scheu nehmen können. Bedenkt dabei, dass die Pferde kein Wort von dem verstehen, was ihr sagt. Ihr müsst das sichere Gefühl allein durch eure Stimme vermitteln. Da hilft es, zur Situation passende Dinge zu erzählen. Es muss nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen, das Wichtigste ist die Stimmlage!", erklährte Fire weiter. "So aufgewühlt wie er ist, wird er wohl kaum auf eine Fremde Stimme hören, egal wie beruhigend sie klingt!", warf Lorgan ein. "Und deshalb muss man ihm verdeutlichen, dass man kein Interesse daran hat ihn anzugreifen oder ähnliches. Deshalb setze ich mich meist auf den Boden. Am besten mit gesenktem Blick. So bin ich im Vergleich zum Pferd winzig und wehrlos. Das Tier erkennt dadurch, dass es euch überlegen ist. Also braucht es sich nicht zu fürchten. Oder?", fuhr sie fort. "Klingt logisch! Aber bekommt man da als Mensch nicht ungeheure Angst? Man sitzt wehrlos auf dem Boden und sieht nicht, was das wilde Pferd macht! Wird man da nicht verdammt panisch?", fragte der Junge weiter. "Manchmal. Doch selbst wenn, man darf die Angst nicht zeigen. Pferde sind Herdentiere. Sie konzentrieren sich auf die anderen Pferde. Da ihr der einzige seid, der bei ihm im Gatter ist, fällt seine Aufmerksamkeit natürlich auf euch. Wenn ihr also Angst zeigt, wird das Pferd ebenfalls panisch. Wenn selbst der mutige Mensch Angst hat, muss das was ihm Angst macht doch wirklich ungeheuer furchtbar sein!", verdeutlichte Fire weiter. Lorgan nickte nur und beobachtete die Frau, wie sie die aufgezählten Punkte ausführte. Wärend sie auf dem Boden kniete, rutschte der Ärmel ihrer Bluse etwas nach oben und gab den Blick auf ein paar ihrer alten Lederarmbäder frei. Sie trug jedes einzelne mit Stolz. Jedes einzelne stand für eine erfolgreiche Schlacht in der sie mitgewirkt hatte. Sie lächelte zufrieden, als sie die braunen und schwarzen Bänder an ihrem Handgelenk betrachtete. Eines von ihnen mochte sie besonders. Es hatte als einziges einen silbernen Ring. An ihn waren zwei Bänder angeknotet, welche den Ring zum Armband machten. Dieses hatte sie schon, seit sie ein Kind war. Sie hatte oft die Bänder wechseln müssen. Jedes mal wenn sie ein Stück gewachsen war, war das Armband ein wenig enger geworden.

Langsam rappelte Fire sich vom Boden auf. Der Hengst stand ihr ruhig gegenüber. "Jetzt müsst ihr näher an das Pferd herankommen. Das wichtigste dabei ist: Niemals frontal auf ein Pferd zugehen! Pferde sind Fluchttiere, weshalb sie ihre Augen seitlich am Kopf haben. Wenn ihr euch von vorne nähert, hat es Probleme euer Handeln zu erkennen und fühlt sich angegriffen. Am besten wäre es, sich daher von der Seite zu nähern. Am besten geht man direkt auf die Schulter zu. So kann das Pferd jede Bewegung sehen und hat die Möglichkeit zu gehen, sollte man ihm zu nahe kommen. So kann es selbst entscheiden, ob es stehen bleibt." Wieder schwieg Fire um die genannten Punkte abzuarbeiten.
Nun stand sie knapp zwei Meter von dem Tier entfernt. Von nun an sprach sie nur noch mit einer Intonierung, als spräche sie mit dem Pferd. Das verwunderte die beiden Männer nicht, hatte die Frau ihnen doch erklährt, wie man mit einem scheuen Pferd zu reden hatte. "Ihr dürft das Pferd auf keinen Fall berühren. Es muss selbst entscheiden, ob es mit euch auf Tuchfühlung gehen will", sagte die Frau nun. Sie blieb einfach regungslos stehen. Der Hengst lief langsam in etwas Abstand um sie herum und betrachtete sie genau. Als er hinter Fire stand, näherte er sich mit kleinen Schritten, was Lorgan und Angrim angespannt beobachteten. Schließlich schnaubte das Pferd vorsichtig in Fires Haare, was die Frau beinahe zum Lachen brachte. Sie musste jedoch still stehen bleiben, sollte die Aufgabe gelingen. Neugierig begann der Braune Fires Kleidung mit der Oberlippe abzutasten, was darin endete, dass Fire ihm ohne Probleme ein Halfter anlegen konnte. "Dürfen wir applaudieren?", fragte Lorgan, welcher sichtlich beeindruckt war. "Auf keinen Fall! Oder wollt ihr ihn direkt wieder erschrecken?!", antwortete die Frau ernst. Sie tätschelte den Hals des Tieres und führte es dann am Halfter aus der Umzäunung. "Er braucht noch einen Namen", sagte Angrim bestimmt. "Den dürft ihr auswählen!" Er blickte Fire freundlich an und schien auf eine Antwort zu warten. "Ähm... tja... öh...", gab diese nur von sich, was Lorgan zum Schmunzeln brachte. "Er ist recht stark und majestätisch. Sein Name muss ihn ja auch gut beschreiben... irgendein Wort das seine Stärke und Ausdauer zum Ausdruck bringt... wenn mich nicht alles täuscht ist Alagos das elbische Wort für Sturm. Das würde perfekt passen", überlegte Fire. Der Hengst schnaubte und wiegte den Kopf, als hätte er verstanden, dass es um ihn ging. Er schien mit der Wahl des Namens zufrieden, denn er stupste Fire mit seiner Weichen Nase an der Schulter, ganz so, als wollte er ihr zustimmen.

Kämpferherzحيث تعيش القصص. اكتشف الآن