Große Schwester regelt das!

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Da hatte Lorgan ihn doch tatsächlich abgewimmelt. Faramir war wütend. Der junge Mann hatte schließlich keinerlei Gründe auf den Fürsten sauer zu sein!

Dieses Problem war, wie Faramir am nächsten Morgen jedoch feststellte, nur eine Nebensächlichkeit. Viel wichtiger war die Frage, was mit Fire los war. An diesem Tag erschien sie nämlich nicht einmal mehr zum Essen. Sie konnte doch nicht den ganzen Tag nur in ihrem Zimmer herumsitzen! Sie musste doch auch irgendetwas zu sich nehmen

Da Fire ihm nicht zuhören würde, beschloss Faramir mit Adeola zu sprechen. Sie hatte einen guten Draht zu ihrer kleinen Schwester und liebte sie von ganzem Herzen. Blieb nur zu hoffen, dass sie sich mal für ein paar Minuten von Éomer trennen konnte. Die Beiden schienen in letzter Zeit nämlich jeden freien Augenblick miteinander zu verbringen und wie Kletten aneinander zu kleben.

„Adeola, kann ich kurz mit dir sprechen? Es ist unglaublich wichtig!", fragte der Fürst ernst, als er sie mal einen kurzen Moment ohne Éomer zu sprechen bekam. „Aber natürlich! Was gibt es so Dringendes?", fragte sie freundlich lächelnd. „Es geht um Fire. Sie spricht mit niemandem mehr und verlässt ihr Zimmern nicht. Nicht einmal zum Essen kommt sie raus! Ich vermute, dass sie sich mit Lorgan gestritten hat. Er will mir aber nichts erzählen und meint nur, es sei nichts sonderlich Gravierendes vorgefallen. Auf mich will sie nicht mehr hören, aber vielleicht schaffst du es, zu ihr durchzukommen", erklärte Faramir hastig mit besorgtem Unterton. „Bei den Valar, warum ist mir nicht aufgefallen, dass mit ihr etwas nicht stimmt?!", fragte die Frau entsetzt, „Natürlich werde ich sofort mit ihr reden!" „Hab Dank. Ich mache mir nämlich wirklich Sorgen um sie", meinte der Mann erleichtert. „Das ist doch selbstverständlich! Sie ist meine Schwester! Ich danke dir tausendmal, dass du mich darauf hingewiesen hast!" Mit diesen Worten schob Adeola sich an dem Fürsten vorbei und begab sich auf direktem Weg zu Fires Zimmer.

„Fire? Bist du da?", fragte die Frau, als sie an die Zimmertür ihrer kleinen Schwester klopfte und niemand antwortete. „Hallo? Schwesterchen, ich muss mit dir reden!" Wieder meldete sich Fire nicht zu Wort. Vorsichtig drückte Adeola die Klinke herunter. Die Türe war verschlossen. „Fire, mach bitte die Tür auf!", rief die Frau daraufhin voll Sorge. Es blieb still.

„Fire? Warum antwortest du nicht? Geht es dir gut?!", fragte Adeola dem Verzweifeln nah. Sie bekam keine Antwort. Unruhig begann sie vor dem Zimmer auf und ab zu gehen. Es blieb weiterhin still.

Irgendwann nahm die Frau den Türgriff in die Hand und begann daran herumzurütteln. Natürlich ging die Türe so auch nicht auf.

Adeola strich sich mit der Rechten über die Wange, als hoffte sie sich so irgendwie beruhigen zu können. Sie stand einfach so da, den Blick stur auf die Türklinke gerichtet, aufmerksam lauschend, ob sie ein Geräusch aus dem Raumesinneren vernehmen konnte.

Plötzlich hörte sie ein leises Schluchzen, welches aus Fires Zimmer kam.

„Fire? Was ist los? Bitte rede doch mit mir!", bat Adeola nun wieder.

Lange herrschte wieder Stille und nur Fires leises Schluchzen drang an das Ohr ihrer großen Schwester.

Nach langem Schweigen kam Adeola ein Gedanke. Sie setzte sich mit dem Rücken an die Zimmertüre auf den Boden und begann zu erzählen: „Weißt du was, kleine Schwester? Ich muss gerade daran denken, wie wir uns damals, als wir noch kleine Mädchen waren, oft gestritten haben. Ich weiß nicht mehr worum es ging, aber ich weiß noch, dass ich dich fast jedes Mal so laut angeschrien habe, dass du dich weinend in dein Zimmer verkrochen hast. Als ich mich dann bei dir entschuldigen wollte, hast du, so gut es ein kleines Kind eben kann, nach mir geschlagen. Ich habe mich dann vor deine Zimmertüre gesetzt und gewartet, bis du dich wieder beruhigt hattest. In der Zeit habe ich dir dann Geschichten erzählt, die unsere Mutter uns oft erzählt hatte. Sie hat in diesen Situationen dann immer lächelnd in der Küche gestanden und mir zugehört, wie ich mit dir geredet habe. Sie wusste nämlich, dass man mit dir nicht diskutieren konnte, wenn du sauer warst. Nur mir hast du zugehört, wenn ich nur lange genug gegen deine Zimmertüre geredet hatte." Adeola musste bei diesem Gedanken schmunzeln. Als man aus dem Inneren des Raumes, vor dem sie saß wieder nichts außer Fires Schluchzen vernahm, fuhr sie fort: „Mutter hat dann immer Gebäck bereitgestellt und gewartet bis wir uns wieder vertragen hatten. Bist du doch noch jedes Mal aus deinem Zimmer gekommen, weil du keine Lust mehr hattest dich mit mir zu streiten. Wir haben uns dann immer zusammen in die Küche gesetzt und Mutters Kekse gegessen. Weil du dann trotzdem oft noch ein bisschen weitergeschmollt hast, habe ich versucht dich mit dämlichen Grimassen zum Lachen zu bringen und es ist mir noch jedes Mal gelungen!" Fire hatte die ganze Zeit über nichts gesagt und tat es auch jetzt nicht.

Plötzlich kam Adeola eine Idee.

Sie rappelte sich vom Boden auf und meinte: „Ich bin gleich wieder da."

Zügig lief sie in Richtung Küche, wo sie auf zwei Köchinnen traf.

„Entschuldigt, wenn ich störe, aber wäre es möglich hier irgendwo Kekse oder etwas der Gleichen aufzutreiben?", fragte Adeola höflich. „Seid Ihr nicht das Fräulein Adeola? Man hört den König stets nur gutes über Euch reden!", meinte eine der Frauen freundlich. Fires Schwester spürte, wie ihr ein roter Schimmer über die Wangen huschte, besann sich aber dann wieder ihres Vorhabens und fragte erneut: „Gibt es hier vielleicht..." Weiter kam sie nicht, denn sie wurde von der anderen Köchin unterbrochen: „Aber natürlich! Wenn nicht hier, dann nirgends! Wir haben heute Morgen erst frisch gebacken. Es sind zwar keine Kekse, aber ich hoffe gezuckerte Quarkbällchen gehen auch. Für die Flamme unseres Königs nur das Beste!" Wieder spürte Adeola wie sie rot wurde. Sie begann zu lächeln und meinte: „Nun, wenn Ihr mir ein paar Quarkbällchen mitgeben könntet, wäre das natürlich perfekt." „Gerne, ich gebe Euch eine kleine Schale voll mit!", antwortete eine der Frauen eifrig nickend und füllte ein Schüsselchen mit dem Gebäck. Adeola nahm selbiges dankbar entgegen und eilte zurück zu Fires Zimmer.

Dort angekommen, setzte sie sich wieder vor die Türe auf den Boden.

„Ich bin wieder da, Schwesterchen", meinte sie, gefüllt mit Stolz aufgrund ihrer Idee. „Ich war kurz in der Küche und habe etwas Gebäck geholt. Es sind zwar keine Kekse, aber ich denke auch Quarkbällchen erfüllen ihren Zweck. Ich werde übrigens so lange hier sitzen bleiben, bis du heraus kommst. Oder wie ich früher immer zu sagen pflegte, bis ich verfaule! Ich glaube nur, dass die Quarkbällchen da etwas schneller dabei sind als ich. Wenn du also noch welche haben möchtest, bevor sie schlecht werden, solltest du dir langsam mal überlegen, ob du wirklich in deinem Zimmer sitzen bleiben willst. Mir ist das gleich, ich kann warten. Das Gebäck nicht", begann die Frau wieder zu erzählen. Als sie einen Moment schwieg und lauschte, hörte sie, dass Fire aufgehört hatte zu schluchzen. Das war doch wenigstens schon mal etwas.

KämpferherzWhere stories live. Discover now