Klarheit

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Faramir war froh darüber, dass Fire nun wieder mit ihm reden wollte. Er hoffte diese ganze Sache endlich aufklären zu können. Warum Fire sich so seltsam verhalten hatte, warum sie plötzlich begonnen hatte Kleider zu tragen, warum sie ihr Zimmer zuletzt nicht einmal mehr zum Essen verlassen wollte und was ihr Gespräch mit Lorgan damit zu tun hatte. Er war nun umso erleichterter darüber, nicht wie geplant nach Ithilien aufgebrochen zu sein.

Gemeinsam betraten sie das Zimmer der jungen Frau, welche die Türe hinter sich zu schob. Diesmal war sie es, die nervös auf und ab ging und dabei ihre Finger ineinander verknotete. Jetzt, da sie sich endlich ihrer anfangs aufgekommenen Angst stellen wollte, beschlich sie wieder ein ungutes Gefühl. Sie hatte in der Zeit, in der sie alleine in ihrem Zimmer war lange über Lorgans und Eowyns Unterstellungen nachgedacht. Sie war sich ihrer Gefühle für Faramir noch immer nicht sicher, aber sie wusste, dass er ihr auf jeden Fall viel bedeutete. Deshalb war sie auch der Meinung, dass er das Recht hatte zu erfahren, warum sie sich in letzter Zeit so abweisend ihm gegenüber verhalten hatte. Sie war sich sicher, dass sie diese Sache nun klären wollte, aber machte sich dennoch Sorgen.

Fire hatte Angst, er könnte sie nicht verstehen. Vielleicht würde er wütend werden oder sie sogar auslachen. Letzteres war zwar eher untypisch für den jungen Fürsten, aber die Frau hatte alle möglichen Reaktionen die ihr in den Sinn gekommen waren bedacht und sich auf sie eingestellt.

Faramir hatte die ganze Zeit über ruhig dagestanden, so wie Fire es getan hatte, als er in ihrem Zimmer auf und ab getigert war. Als die Frau zum wiederholten Mal zu ihrem Fenster gehen wollte und immer wieder tief Luft holte, als wollte sie etwas sagen, beschloss der junge Mann die Sache nun selbst in Angriff zu nehmen. Er ging langsam auf Fire zu und nahm sie vorsichtig und dennoch fest am Arm, damit sie endlich einmal ruhig stehen blieb. Sie blickte erschrocken zu ihm auf, als sei es etwas Ungewöhnliches, dass er sie berührte. Sie wollte ihren Arm schon wegziehen, ließ es aber dann doch bleiben. Faramir nahm nun ihre Hände in seine und blickte ihr ernst in die Augen. „Du wolltest mich sprechen, dann tu das bitte auch und lass mich nicht wieder ohne Antworten stehen", forderte er sie mit ruhiger Stimme auf. Fire wich seinem Blick aus und begann auf ihrer Unterlippe herumzukauen, als überlegte sie, was sie ihm sagen könnte. Er ließ ihre linke Hand los und drehte ihr Gesicht vorsichtig wieder zu sich. „Bitte rede mit mir", bat er leise. Sie atmete tief durch und begann dann, während sie sich von ihm abwendete: „Ich habe ein Problem." Der Mann beobachtete ruhig, wie sie ihren Blick auf das Fenster richtete und erneut tief Luft holte, dann aber wieder nur begann auf ihrer Lippe herumzukauen. „Erzähle mir davon", meinte er geduldig, während er ihr nervöses Fingerspiel betrachtete. „Und wenn du es nicht verstehst?", fragte Fire, während sie unsicher zu ihm herüber sah. „Ich werde es verstehen", entgegnete er. Die Frau blickte wieder zum Fenster und berichtete dann: „Ich habe mich mit Lorgan gestritten. Ich habe ihm gesagt, dass ich mich nicht mit ihm streiten will, aber er wollte mir nicht zuhören." „Und worüber habt ihr euch gestritten?", fragte Faramir vorsichtig nach. Fire blickte unsicher zu ihm herüber, antwortete aber nicht. Er legte seinen Kopf leicht schräg und seine Hand sacht auf ihre Schulter. Sie erschauderte aufgrund dieser Berührung, versuchte dies aber nicht zu zeigen und meinte stattdessen: „Er hat mir etwas unterstellt." Am liebsten hätte die Frau sich geohrfeigt. Sie hatte diese undurchsichtige Situation endlich aufklären wollen, besaß aber nun nicht den Mut, geradeheraus zu sagen, was sie beschäftigte. „Darf ich erfahren um was für eine Unterstellung es sich dabei handelte?", hakte der Mann weiter nach, in der Hoffnung endlich klare Antworten zu bekommen. Fire schloss die Augen und atmete tief durch. Es war nur ein kleiner Satz, der sie von der Erleichterung trennte, diese ganze Sache endlich hinter sich gebracht zu haben. Und doch war es ein ungeheuerlich großer Schritt, der so viel Unsicherheit beinhaltete, dass man ihn für ein risikoreiches Unterfangen halten könnte. Allerdings musste die junge Frau sich eingestehen, dass dieser Schritt keinerlei negative Auswirkungen auf ihr Leben haben würde. Vielleicht würde sie Faramir Monate lang nicht mehr ansehen können, da ihre Scham über diese seltsame Konfrontation zu tief sitzen würde. Vielleicht würde er auch erst von sich aus eine Weile auf Abstand gehen, um sich der ungewöhnlichen Lage richtig bewusst werden zu können. In jedem Fall aber, würde Fire sich dieser Last entledigt haben und das war schließlich das Ziel dieser Konversation. Es gab also keinen Grund um die Wahrheit herum zu diskutieren. „Er meinte Eowyn hatte mit ihren Unterstellungen bezüglich meines Verhältnisses zu dir Recht gehabt", erklärte die Frau, nachdem sie noch einmal tief Luft geholt hatte. Faramir schien einen Augenblick den Atem anzuhalten, während sein Blick auf ihre verkrampften Hände fiel, deren Finger sie noch immer ineinander verknotet hatte. Unsicher fragte er: „Und was... ich meine...wie viel ist an diesen Behauptungen dran?" Fires Hände krampften sich noch mehr zusammen, sodass ihre Knöchel weiß hervortraten. Sie seufzte und meinte mit vor Nervosität zitternder Stimme: „Tja... wenn ich das so genau wüsste..." Der Mann nickte langsam und löste dann vorsichtig ihre Hände auseinander, da er fürchtete, dass sie sich sonst noch die eigenen Finger brach. „Versuche es mir zu erklären", bat er dann ruhig. Die Frau wollte schon den Kopf schütteln und gehen, doch Faramir hielt sie auf. Er drehte sie wieder zu sich und murmelte ein leises „Bitte". Fire atmete einmal tief durch und meinte dann: „Nun, zumindest weiß ich, dass du mir sehr wichtig bist." Der Mann seufzte und zog sie in eine feste Umarmung. „Du mir doch auch."

Faramir erschrak etwas, als er feststellte, dass Fire begonnen hatte zu schluchzen. „Was ist denn los?", fragte er, während er sich von ihr löste und ihr besorgt in die Augen blickte. Sie schniefte einmal laut und mit zitternder Stimme erklärte sie ihm: „Ich habe Angst." Der Mann sah in einer Mischung aus Verwunderung und Mitleid zu ihr herab und fragte: „Wovor fürchtest du dich?" Sie zuckte nur die Schultern und blickte beschämt zu Boden. „Es ist keine Schande Angst zu haben", versuchte der junge Fürst seine Freundin zu beruhigen, während er sie wieder in die Arme schloss. „Was, wenn Eowyn und Lorgan Recht haben und unsere Freundschaft dadurch zu Bruch geht?", fragte Fire. Faramir schüttelte langsam den Kopf ehe er ihr wieder fest in die Augen blickte und meinte: „Das würde sie nicht, sie wäre lediglich...verändert." Die Frau schaute irritiert zu ihm auf. Statt sich zu erklären beugte er sich leicht zu ihr herab und legte seine Lippen sanft auf die ihren. Erschrocken fuhr Fire zurück und blickte ihn in einer Mischung aus Überraschung und Furcht an. Sie wollte etwas sagen, doch wusste sie nicht was. Sie war mit dieser Situation maßlos überfordert. Zwar war sie sich spätestens jetzt ziemlich sicher was sie fühlte, aber sie hatte so etwas noch nie empfunden. Dieses Gefühl machte ihr Angst und sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie damit umgehen sollte. „Es...es tut mir so leid, ich wollte nicht...", entschuldigte der Mann sich sofort. Fire schüttelte den Kopf. „Braucht es nicht...aber ich... ich glaube ich brauche jetzt etwas Zeit für mich", murmelte sie leise mit gesenktem Blick. Faramir nickte unsicher und verließ dann zügig den Raum.

KämpferherzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt