Das Große Schweigen

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Da Fire auch den restlichen Tag über nicht mehr aus ihrem Zimmer gekommen war und Faramir sie erst zum Abendessen wieder sah, beschloss er danach noch mal ein Gespräch zu wagen.

„Fire, hast du einen Moment Zeit?", fragte er, als die Frau sich nach dem Essen erhob um zurück auf ihr Zimmer zu gehen. Sie seufzte und nickte stumm. „Danke. Ich muss wirklich dringend mit dir reden. Aber nicht hier. Können wir auf dein Zimmer?", beeilte Faramir sich zu sagen. Er befürchtete, Fire könnte ihre Meinung schnell wieder ändern und ihn abermals abweisen. Außerdem wusste er, dass sie ihm nichts erzählen würde, solange sie sich mit den Anderen in einem Raum befänden. Zu seiner großen Erleichterung murmelte sie ein leises „Wenn es denn sein muss" und ging voraus in Richtung ihres Zimmers.

Dort angelangt zog Faramir die Türe hinter sich zu und begann langsam von der Türe zum Fenster und wieder zurück zu gehen, während er überlegte, wie er am besten ein Gespräch begann, ohne, dass Fire sofort wieder auf Durchzug schaltete und ihm nicht mehr zuhörte. Sie hatte sich in der Zeit mit verschränkten Armen an den Türrahmen gelehnt und wartete ruhig darauf, dass Faramir zu sprechen begann.

Nachdem der Mann zwei weitere Male auf und ab gegangen war, blieb er abrupt in der Mitte des Zimmers stehen und blickte Fire direkt an, während er sprach: „Bevor du mich wieder wegschickst, höre mir bitte gut zu! Ich sehe deutlich, dass mit dir etwas nicht stimmt. Die Fire die ich kenne, würde nicht grundlos weinend auf ihrem Bett liegen. Zudem ist es nicht normal, dass du deinen Freunden gegenüber so verschlossen bist. Ich mache mir wirklich Sorgen um dich!" Die Frau starrte weiter stumm vor sich hin. „Ich kann mir vorstellen, dass es nicht einfach für dich ist, mit mir über deine Probleme zu sprechen. Vor allem, weil ich mit Schuld an Jukkas Tod bin. Ich erwarte auch nicht von dir, dass du mir das jemals verzeihen wirst. Das wäre zu viel von dir verlangt. Allerdings hatte ich geglaubt, dass uns inzwischen eine starke Freundschaft verbindet und wir einander vertrauen können. Und ich vertraue dir! Deshalb fände ich es schade, wenn du mir nicht auch etwas Vertrauen entgegen bringen könntest", erklärte Faramir sein Anliegen. „Man kann niemandem vertrauen, denn selbst dein Schatten verlässt dich in der Dunkelheit", meinte Fire ruhig. „Ich bin kein Schatten. Ich bin dein Freund und will, dass es dir besser geht", entgegnete der Mann ernst. „Es geht mir blendend", behauptete die Frau daraufhin schulterzuckend. „Jetzt fang bitte nicht wieder damit an. Das Thema hatten wir doch schon, als du nach der Schlacht am Schwarzen Tor verwundet warst. Ich will nicht wieder bei Null anfangen müssen. Willst du etwa all das, was wir in dieser Zeit erreicht haben, einfach wegwerfen?", fragte der junge Fürst ungläubig. Fire zuckte nur die Schultern. „Was muss ich tun, damit du dir helfen lässt?", fragte er daraufhin seufzend. „Mich in Ruhe zu lassen, wäre schon mal ein guter Anfang", meinte die Frau nur. Faramir seufzte erneut und fuhr sich mit der rechten Hand durch das Gesicht, ehe er begann nachdenklich mit den Fingerspitzen über seinen Dreitagebart zu streichen.

„Gibt es sonst noch etwas worüber du mit mir reden willst?", fragte Fire nach einigen Momenten der Stille. Faramir atmete tief ein, als wollte er noch etwas sagen, ließ es aber bleiben und ging auf die Türe zu. Ehe er sie öffnete, wand er seinen Blick noch einmal Fire zu und meinte: „Das Kleid... es steht dir." Dann nickte er kaum merklich, als wollte er seine Worte unterstreichen und verließ dann den Raum.

Was konnte nur mit ihr sein? Faramir verstand nicht, warum Fire sich auf einmal so seltsam verhielt. Es war harte Arbeit gewesen, Fires vertrauen zu gewinnen. Daher verletzte es ihn umso mehr, dass sie urplötzlich so abweisend geworden war.

Der junge Fürst beschloss einmal mit Lorgan zu reden. Erst seit Fires Gespräch mit ihm verhielt sie sich schließlich so seltsam. Hatten sie sich womöglich gestritten? Aber warum war sie dann nicht nur zu ihrem Bruder so abweisend gewesen? Sie war schließlich auch Faramirs Worten ausgewichen.

Dieser klopfte gerade an Lorgans Zimmertüre und hoffte, dass dieser sich auf ein Gespräch einlassen würde. Glücklicherweise öffnete er. Eowyn war, den Valar sei Dank, auch nicht anwesend.

„Was willst du?", fragte Fires Bruder nicht sonderlich erfreut über Faramirs Besuch. „Es geht um Fire, sie...", begann dieser, wurde aber unterbrochen. „Ich habe ihr bereits gesagt, was ich von der ganzen Sache halte!", meinte Lorgan gleichgültig. „Das habe ich mir bereits gedacht. Ich bin aber nicht wegen besagter Sache hier. Was geschehen ist, ist geschehen und nicht mehr rückgängig zu machen", versuchte der Rotblonde möglichst vernünftig zu bleiben. „Warum bist du dann hier?", fragte der Andere daraufhin. „Das wollte ich dir ja gerade erklären. Seit Fire sich gestern mit dir unterhalten hat, verhält sie sich seltsam", wollte Faramir die Situation schildern, wurde jedoch abermals unterbrochen: „Hat sie sich denn jemals normal verhalten?" Der Fürst seufzte und fuhr ohne auf diese Frage einzugehen einfach fort: „Gestern Abend lag sie weinend auf ihrem Bett. Heute trägt sie ein Kleid, obwohl sie Kleider hasst. Auch war sie heute noch kein einziges Mal im Stall bei Alagos und ihr Zimmer hat sie nur verlassen um zu essen. Sie spricht nicht mehr, und wenn doch, ist sie kalt und abweisend. Sie vertraut mir wieder genauso wenig wie zu dem Zeitpunkt, als ich angefangen hatte, sie nach der Schlacht am Schwarzen Tor zu verarzten. Irgendwas stimmt mit ihr ganz und gar nicht und ich hoffte du würdest mir vielleicht sagen, ob euer Gespräch etwas damit zu tun haben könnte." Lorgan legte die Stirn in Falten und schien über Faramirs Worte nach zu denken. „Es gäbe da schon ein zwei Dinge, wegen der sie eingeschnappt sein könnte, aber auch nichts sonderlich gravierendes", log der Mann schulterzuckend. Faramir nickte und fragte dann: „Wärst du so freundlich mir zu verraten, was für Dinge das waren?" „Da fragst du am Besten Fire. Sie wird wohl am besten wissen, weshalb sie beleidigt ist", antwortete Lorgan um nicht selbst auf die Frage antworten zu müssen. Er wusste genau, dass Fire dem Fürsten laut dessen Erzählungen nichts verraten würde. Umso besser für ihn. Er wollte Faramir nicht unbedingt wissen lassen, dass er gelogen hatte, als er meinte, es sei nichts Schlimmes gewesen. „Sie wird mir aber nichts erzählen", meinte dieser nun, als könnte er Gedanken lesen. „Daran kann ich auch nichts ändern", antwortete Lorgan, während er die Augen verdrehte. „Du könntest mir aber verraten, was deiner Meinung nach der Grund dafür sein könnte, dass sie sich so verhält!" Faramir war nicht willens aufzugeben. „Woher soll ich das denn wissen?", meinte Fires Bruder nun gereizt. „Du hast selbst gesagt, dass es ein zwei Dinge gibt, wegen der Fire jetzt eingeschnappt sein könnte", meinte der Fürst eindringlich. „Und wenn schon. Was würde es ändern, wenn ich es dir sage?", entgegnete Lorgan schnippisch. „Es würde mir helfen, zu verstehen, warum Fire sich so seltsam verhält. Ich mache mir wirklich Sorgen um sie", antwortete der rotblonde Mann dem Verzweifeln nah. „Dadurch wird sie aber auch nicht gewillter sein, mit dir zu reden", versuchte der Andere sich aus dieser Situation heraus zu reden.

Plötzlich klopfte es an der Tür und ohne eine Antwort abzuwarten kam Eowyn herein. „Entschuldige bitte, aber wie du siehst, habe ich Besuch. Ich würde mich gerne weiter mit dir unterhalten, aber leider, leider müssen wir das verschieben!" Mit diesen Worten schob Lorgan den Fürsten nach draußen und schloss die Tür.

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