4 - Max

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Hinter mir rief irgendjemand etwas, doch ich hörte es nicht. Es gab nur Magnus' katzenhafte Augen, das lustige Kribbeln und das Schütteln unserer Hände.
Eine Sekunde später ließ er meine Hand los und der Moment war vorbei. Blinzelnd lächelte ich ihn an und bemerkte, dass er zu einer Frage ansetzte. Es wurde jedoch von Isabelle unterbrochen. „Alexander Gideon Lightwood! Kommst du jetzt bitte wieder?" Verlegen musterte ich den Boden zwischen unseren Füßen, der mir plötzlich ungemein interessant vorkam. Ich hasste meinen Zweitnamen.
Magnus' grellpinke Flip - Flops lenkten mich kurz ab, doch dann sah ich hoch, verabschiedete mich und lief zu meinen Freunden. Ich spürte seinen Blick im Rücken, versuchte aber krampfhaft, mich nicht umzudrehen. Es gelang mir sogar. Als ich neben Jace herlief konnte ich mir einen Blick zu Magnus nicht verkneifen. Er sah mir hinterher. Und seine Haare glitzerten im Licht.
Clary leckte sich genüsslich die eisverschmierten Finger ab, während ich mir den letzten Löffel des mittlerweile flüssigen Eises in den Mund schob. „Was, findet ihr, ist der Sinn des Lebens?", fragte Isabelle plötzlich. Ich nahm es genauso wenig wahr wie die Antworten meiner Freunde. Sie hätten durch ein Megafon schreien können und ich wäre noch immer wie taub gewesen. Die ganze Zeit über starrte ich auf meine rechte Hand. Das Kribbeln hatte aufgehört. Es schien immer willkürlich zu kommen. Vielleicht bekam ich ja wirklich einen Sonnenstich. Doch mir war nicht übel und ich hatte auch keine Kopfschmerzen. Bedeutete das Kribbeln Sonnenallergie? Bekam ich eine Grippe? Hatte ich Heuschnupfen und das waren die Auswirkungen? Ich konnte es nicht sagen.
„Hey, Alec! Alec!" Jace' schnippsende Hand tauchte in meinem Sichtfeld auf. Blinzelnd hob ich den Kopf, wofür ich ein Schnippsen gegen die Nasenwurzel kassierte. „Aua." Jace zuckte mit den Schultern. „Selbst schuld, wenn du nicht aufpasst." „Sorry, bin etwas neben der Spur", brummte ich und rieb mir über die schmerzende Stelle. „Du bist immer neben der Spur, du hast die Nebenspur erfunden. Also, was ist jetzt deiner Meinung nach der Sinn des Lebens?" Mir entfuhr ein Seufzen. Ich hatte die Antwort auf diese Frage schon vor Jahren gefunden. „Dem Leben einen Sinn zu geben", antwortete ich also und sah erneut stirnrunzelnd auf meine Hand. Sonnenstich? Allergie? Heuschnupfen? Erkältung oder schlimmeres?

Vollkommen erledigt schloss ich die Haustür hinter mir. Ich fühlte noch immer das Wasser gegen meinen Körper schwappen. Einbildung, wie jedes Mal. Doch es fühlte sich so echt an, dass ich auf dem Weg in das obere Badezimmer beinahe geschwankt wäre. „Ich bin zuhause! Izzy ist noch bei Clary!", rief ich in den Flur, bevor ich meine Tasche fallen ließ. Meine Beine schmerzten von meinem schnellen Tempo auf dem Rad, meine Arme von den Schwimmzügen und meine Handflächen, weil ich irgendwie allergisch auf den Gummiüberzug meines Fahrradlenkers reagierte.
Hose und Handtuch waren schnell aufgehängt. Anschließend holte ich mir eine dünne Jogginghose und ein Tanktop aus meinem Zimmer und ging unter die Dusche. Das herrlich kühle Wasser beruhigte meinen geschundenen Körper. Ich fühlte mich dennoch so, als hätte ich einen Zehn - Kilometer - Marathon hinter mir. Zweimal nickte ich fast ein - und das unter der Dusche! Durch diese Unachtsamkeit bekam ich Shampoo in die Augen. Na toll. Nun taten auch diese weh.
Gähnend betrat ich das Bad, mit noch feuchten Haaren und nackten Füßen. Eigentlich wollte ich in mein Zimmer gehen, mich in die kühle Abendsonne legen und endlich den Mord zuende lesen. Doch erneut wurde mir ein Strich durch die Rechnung gemacht: „Aleec! Ich will auch getragen werden!", rief Max und rannte auf mich zu. Oh, shit. Nur mit Mühe gelang es mir, ihn aufzufangen und nicht auf dem Boden zu landen. Doch ich stolperte ein paar Schritte nach hinten, bevor ich glücklicherweise mein Gleichgewicht wiederfand. Unbeeindruckt wuschelte mir mein kleiner Bruder durch die Haare. Seine Brille war durch seine Aktion auf seine Nasenspitze gerutscht, doch das schien ihn kaum zu stören. Plötzlich wurde er still. „Mom und Dad haben sich wieder gestritten. Warum streiten sie andauernd, Alec?", fragte er mit großen Augen. Oh nein. Fieberhaft suchte ich nach einer passenden Antwort, die auch ein Neunjähriger verstand. „Weil sie nicht immer einer Meinung sind." „Aber Mommy hat heute ganz laut geschrien, dass die entgültig die Nase voll hat. Was meint sie damit, Alec? Sie wird uns doch nicht etwa verlassen?" Max' Unterlippe schob sich vor und seine Augen wurden feucht. Ich seufzte innerlich. Er war der Sensibelste von uns allen, wurde aber dennoch durch seine altersbedingte Unselbstständigkeit andauernd in die Streitereien unserer Eltern reingezogen.
Ich tat das einzig Richtige: Ich antwortete nicht wahrheitsgemäß - denn eine Scheidung unserer Eltern war durchaus möglich - , sondern lächelte ihn an und sagte, dass sie nur die Nase voll von der ganzen Streiterei hatte. Mein kleiner Bruder gab sich mit dieser Antwort zufrieden und hopste aus meinen Armen. „Baust du mit mir Lego?", fragte er munter und schenkte mir sein kindliches Lächeln. Ich zögerte. „Ich weiß nicht..." „Bitte?" Mit großen Augen sah er mich an. Verdammt. Bye, Bye, Mord. Hallo, Mister Legostein.

Wisst ihr, was mein Lieblingsmoment der Serie ist?
"Roll dich."
"Stell dich tot."

Real Life - MalecWhere stories live. Discover now