31 - Betrunken

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Mein Handy klingelte. Einfach so. Ohne um Erlaubnis zu fragen. Und das mitten in der Nacht.
Stöhnend fuhr ich herum und kniff die Augen zusammen, als ich auf das viel zu helle Display sah.
Clary.
„Hast du eine Ahnung, wie spät es ist?", knurrte ich verschlafen, nachdem ich den Anruf angenommen hatte. Im Hintergrund konnte ich laute Musik ausmachen.
„Dreiundzwanzig Uhr zehn."
„Oh." Ja gut. Zugegeben, die eine Woche Uni, die ich nun schon hinter mir hatte, zerrte ziemlich an meiner Energie, und als ich heute nach Hause gekommen war, hatte ich mich einfach zu ausgelaugt gefühlt, um noch weiter wach zu bleiben.
„Du solltest herkommen."
„Wieso?" Ich gähnte.
„Izzy hat zu tief ins Glas geguckt", erklärte Clary besorgt.
„Macht sie das nicht immer?"
„Nicht so. Du wirst es verstehen, wenn du hier bist."
Ich seufzte. „Wo ist hier?"
„Pandemonium. Wir sehen uns", gab sie noch von sich, dann legte sie auf.
Na, ganz toll.
Erneut gähnte ich, saß erstmal einige Momente untätig auf meiner Bettkante. Es dauerte, bis ich angezogen war und in meinem heißgeliebten Auto saß, das ich seit dem Gewitter in den Ferien noch mehr verehrte.
„Also gut, meine Treueste, fahren wir aus."

Der Türsteher kannte mich. Was auch gut war, schließlich würde ich sonst nie im Leben in diesen Club kommen. „Hey, man, dich hab ich ja schon ewig nicht mehr gesehen!", rief Dave, der Schrank vor der Tür, mir enthusiastisch zu. Er hielt mir die Hand entgegen, und ich schlug ein, auch wenn ich eigentlich so schnell wie möglich hier weg wollte.
„Wo warst du die letzten Monate? Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, warst du vollkommen hacke und du bist mit so nem Asiaten abgehauen."
„Ach, du weißt schon. Dies und das." Ich würde ihm definitiv nicht von Max erzählen.
„Ist meine Schwester da?"
„Kam vorher rein, war echt aufgelöst. Was ist los mit der, man?"
„Will ich ja rausfinden", murmelte ich mehr zu mir selbst als zu dem Türsteher, als er mich eintreten ließ.
Das Wummern der Bässe, der Geruch nach Deo, Alkohol und Schweiß, die brüllenden Menschen, das alles strömte auf mich ein.
Kein Wunder, dass ich mich das letzte Mal ins Nirwana getrunken hatte, nüchtern hielt man es hier ja nicht aus. Zudem ermunterte alles an diesem Club dazu, sich so heftig zu betrinken, dass man nicht mehr wusste, wo oben und wo unten war.
Seufzend drängelte ich mich an abgefüllten Menschen und knutschenden Pärchen vorbei, stets auf der Suche nach meinen Freunden. Letztendlich entdeckte ich Jace, Clary und Isabelle an unserem üblichen Tisch in der hintersten Ecke. Doch während meine Schwester wild gestikulierend irgendetwas von sich gab, wirkte das Dreamteam eher besorgt.
Wie beruhigend.
„Und deshalb", lallte Izzy, als ich an dem Tisch ankam, „ist Ketchup der bessere Dip für Pommes. Oh, hi, Bruderherz!" Sie sprang mich förmlich an, und ich konnte die Alkoholfahne riechen, die von ihr ausging.
Nicht, dass ich meine Schwester noch nie betrunken gesehen hätte. Schon mein Vater meinte, dass wir Lightwoods eine sehr leidenschaftliche Familie seien, besonders beim Trinken. Doch noch nie, wirklich noch nie in allen von Isabelles Lebensstadien – und die gingen von Selbstmitleid über Liebeskummer bis hin zu ‚Jeden Tag 'nen Anderen' – hatte ich sie so dermaßen... weggetreten erlebt. Sie lallte, torkelte und hielt uns in den ganzen dreißig Minuten, in denen Jace, Clary und ich verzweifelt versuchten, sie aus dem Club zu lotsen, einen Vortrag darüber, wieso sich vegetarisch lebende Menschen Fleischersatz kauften, der wie Fleisch schmeckte, obwohl sie auf ebendies verzichteten. Aber letztendlich seien in diesen Ersatzstoffen eh nur Chemikalien und es machte eigentlich auch gar keinen Unterschied, weil anstatt Tieren eben ein paar arme Wissenschaftler an fehlgeleiteten Versuchen starben.
Oder so.
„Komm schon, Iz. Was ist los mit dir?", fragte ich schließlich und gab auf. Geschafft glitt ich neben Jace auf die Sitzbank, während Clary neben Isabelle Platz nahm.
„Nichts ist mit mir los! Aber weißt du, ihr Jungs seid halt schon scheiße! Erst macht ihr uns armen, armen, gebrechlichen Mädchen Hoffnungen, dann knutscht ihr einfach so mit einer anderen rum! Wieso macht ihr sowas?"
„Wer macht sowas?" Mein Beschützerinstinkt keimte auf. Niemand, aber auch niemand hatte das verdammte Recht, meine Schwester zu verletzen!
„Der Weihnachtsmann!" Izzy beugte sich verschwörerisch zu mir. „Weil, weißt du, eigentlich ist er ein verdammter Pädophiler, der gerne Jugendlichen Hoffnungen macht, um dann eiskalt siebenjährige zu vögeln." Sie lehnte sich wieder zurück, lachte. „Reingelegt!", gluckste sie fröhlich. „Eigentlich meinte ich Simon."
Das Lachen verschwand aus ihrem Gesicht, sie wurde still. Zum ersten Mal an diesem Abend.
Oh, dieser verdammte Möchtegern – Musiker würde einiges von mir zu hören bekommen.
Gleich nachdem ich das mentale Wrack neben mir ins Bett befördert hatte.
„Komm jetzt, wir gehen nach Hause", murmelte ich mit zusammengebissenen Zähnen, wütend auf den verdammten Bastard, der meine Schwester verletzt hatte.
Erstaunlicherweise wehrte sie sich nicht, sodass wir ohne große Probleme zu viert auf den Ausgang zusteuern konnten. Dave nickte uns zu, als wir in der Nacht verschwanden.
„'Sch versteh ds einfa nisch!", lallte Iz auf dem Weg zum Auto, die es irgendwie geschafft hatte, noch betrunkener zu klingen.
„Schueast geht er mit mir aus, ja? Un jetzt datet er schone Maia!"
Seufzend schnallte ich sie auf dem Beifahrersitz an, was sie jedoch nicht einfach so zuließ.
„Nein! Lass mich! Wenn isch sterbe, dann kannscht du Simon sagen, dass es seine Schuld is!"
„Isabelle, schnall dich an."
„Nein."
„Izzy, bitte", schaltete sich nun Clary ein, die mit Jace auf der Rückbank lag und müde ihren Kopf auf dessen Schulter gebettet hatte. Am leichten Glänzen ihrer Augen konnte ich erkennen, dass auch sie etwas intus hatte, wenn auch bei weitem nicht so viel wie Iz.
Schließlich schaffte ich es, meinen eigenen persönlichen Esel anzuschnallen und manövrierte uns durch den allabentlichen New Yorker Verkehr. Etwa auf der Hälfte des Weges sah ich an einer roten Ampel nach hinten, um zu fragen, zu wem ich meine Gäste auf dem Rücksitz denn nun fahren durfte. Doch beide schlummerten friedlich, die Köpfe aneinander gelehnt, also beschloss ich einfach, sie zu mir zu bringen und beide irgendwie ins Gästezimmer zu schleppen, nachdem ich Izzy irgendwie in ihr eigenes Bett gebracht hatte.
Nach einem kritischen Blick in ihre Richtung beschloss ich, sie lieber auch gleich anzuketten. Sie saß beinahe reglos da, eine Hand vor den Mund gepresst, während Tränen über ihre Wangen flossen.
Zugegeben, neben dem Zorn auf Simon und der Sorge um meine sturzbetrunkene Schwester machte ich mir auch Gedanken um mein Auto. Wenn Isabelle es wagte, in meinen Wagen zu kotzen, dann musste ich sie leider foltern, bis sie das alleine sauber gemacht hatte.
Glücklicherweise kamen wir zuhause an, ohne dass irgendein Mageninhalt in meinem Innenraum landete. Allerdings hastete Izzy augenblicklich aus dem Auto und erbrach sich geräuschvoll in einen Gulli.
Appetitlich. Immerhin sah es nach Regen aus, der konnte sich dann darum kümmern.
Müde warf ich einen Blick nach hinten – Jace und Clary schliefen noch immer - , dann stieg ich aus, um meiner würgenden, hilflosen Schwester die Haare aus dem Gesicht zu halten, wie ich es schon viel zu oft getan hatte.
Schlussendlich kam nichts mehr aus ihr heraus und sie verbrachte einige Zeit damit, trocken zu würgen, bis sie sich schließlich vollkommen ermattet gegen mich sinken ließ.
„Ich will nicht mehr, Alec."
„Du solltest schlafen."
„Will mich nicht bewegen."
Seufzend schob ich einen Arm unter ihre Knie, den anderen an ihren Rücken und hob sie hoch, nur um sie an der Haustür beinahe fallen zu lassen, weil ich den Schlüssel nicht wirklich ins Schloss bekam. Letztendendes schaffte ich es allerdings, sie heil in ihr Bett zu legen und leise die Tür hinter ihr zu schließen.
Blieben nur noch zwei weggetretene Menschen, die ich irgendwie in den ersten Stock bekommen musste.
Also wieder nach unten und Clary aus meinem stehenden Auto ins Gästezimmer tragen. Was jetzt nicht unbedingt schwer war, bedachte man die Tatsache, dass das Mädchen klein und dünn war. Sie mummelte sich augenblicklich in die blaue Decke ein und wachte kein einziges Mal auf.
Blieb noch Jace, was am schwersten war. Mühevoll schleppte ich ihn aus dem Wagen, schloss ab. Langsam schwankte ich auf die Haustür zu, unsicher aufgrund des ungewohnt schweren Gewichts.
Früher, ohne die ganzen Muskeln, war Jace wesentlich leichter gewesen, wie ich aus Erfahrung wusste.
Nach einiger Zeit war auch das vollbracht und ich lehnte mich erstmal vollkommen erledigt gegen die Wand im Flur.
Ich hatte den Eimer für Isabelle vergessen.
Ach, Mist.
Gut, dann halt wieder nach unten. Zusätzlich nahm ich noch eine kleine Flasche Wasser und eine Packung Aspirin mit und betrat damit Izzys Zimmer.
Nur, dass sie nicht drin war. Ihr Bett war leer. Ihr Sofa war leer. Alles war leer.
Klasse.
Das leise Prasseln der Dusche drang an meine Ohren, vermischt mit einem Singsang. ‚
Ach, Mist.


Falls wer das oben nicht verstanden hat:
"Ich versteh das einfach nicht. Zuerst geht er mit mir aus, ja? Und jetzt datet er so eine Maia."
Nur für den Fall.

Leute, hat jemand ein paar gute Horrorstorys parrat? Ich bin gerade in so einer Phase...

(Es regnet *-*)


Real Life - MalecWhere stories live. Discover now