25 - Klärende Gespräche

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„Aha", murmelte Clary und nippte an ihrem Kaffee. Fieberhaft suchte ich in meinem Kopf nach einem Anfang, einer Art, ihr zu vermitteln, was ich meinte. ‚Hey, bin jetzt mit so 'nem Glitzerhaartypen zusammen. Du kennst ihn schon, das ist der aus dem Schwimmbad. Ach ja, er macht tolle Pfannkuchen' klang falsch und kam zu hundert Prozent ziemlich blöd rüber.

Glücklicherweise war sie so nett und ergriff zuerst das Wort.
„Wer war diese kleine, schwarzhaarige Schlampe?!", giftete sie ihren Kaffee an, während sie wild mit den Beinen baumelte.
Oh, okay.
„Ich meine, wenn er mich betrügt, dann bitte mit einer Blondine oder einer Brünetten. Aber doch keiner Schwarzhaarigen!", fuhr sie fort, unbeirrt der Tatsache, dass ihre Worte so ziemlich gar keinen Sinn ergaben.
„Clary", setzte ich an, doch sie unterbrach mich einfach. „Und dann gesteht er es nicht einmal! Dieses gottverdammte..."
Diesmal war es an mir, sie zu unterbrechen. „Clary, Jace betrügt dich nicht."
„Arschloch!", rief sie aus, dann wurde sie schlagartig still.
„Was?"
„Denkst du ehrlich, er wäre so bescheuert und würde dich betrügen? Ich kenne Jace seit Ewigkeiten. Glaub mir, ich weiß, wie er mit Mädchen umgegangen ist. Er war arrogant und unnahbar. Ganz nach dem Motto ‚verletze sie zuerst, damit sie dich nicht verletzen'. Mit dir hat sich das alles geändert." Ich lachte auf. „Gottseidank, sonst hätte ich ihm schon lange eins übergebraten. Außerdem ist Aline – so heißt die ‚schwarzhaarige Schlampe' nämlich – mit einer gewissen Helen zusammen. Sieht aus wie eine Elfe, hat mir zumindest Frank erzählt. Sie wollte nur wissen, ob sie wirklich lesbisch ist – warum auch immer - , und hat Jace geküsst. Von seinem Standpunkt aus gesehen war es ein Versehen", schloss ich und trank meinen Kaffee in wenigen Zügen aus.
„Hat er dir gesagt, dass du das sagen sollst?" Clary flüsterte beinahe.
„Nein?"
„Ach, wirklich?", fragte sie verbittert und trank ebenfalls ihre Tasse aus.
„Komm mit", wies sie mich anschließend an. Reichlich verwirrt über ihre Laune (ich kannte sie gar nicht so misstrauisch) folgte ich ihr in ihr Zimmer, dessen Wände von Graffiti dominiert wurden. Ich liebte ihr Zimmer, vor allem, weil ich es mit wundervollen Erinnerungen verband. Ende letzten Jahres hatte sie mal eben beschlossen, dass sie etwas Farbe auf den weißen Wänden bräuchte, und so hatten wir uns alle hier versammelt, um mehr oder weniger kunstvolle Bilder überall im Raum verteilt über die weiße Farbe zu sprayen. Simon, Izzy, Jace und ich. Die Farbe, die wir selbstverständlich abbekommen haben, ging ewig nicht von unserer Haut weg, und das ehemalig weiße Top, dass ich bei der Aktion getragen hatte, war nun kunterbunt.
Clary ließ sich im Schneidersitz auf ihrem Bett nieder, während ich es mir in dem weißen Hängesessel bequem machte und an die Decke starrte. Mehrere gemalte Balken im 3D – Stil zogen sich darüber, und ab und an war eine kleine, ebenfalls gemalte Fledermaus zu sehen, die sich an einen der Balken hängte. Das ‚Holz' an der Stelle der Decke, an dem der Hängesessel hing (oder eher dessen Nagel) war gesplittert, und es sah so echt aus, dass es mich jedes Mal beeindruckte.
„Er hat mich also nicht betrogen?", fragte Clary und sah auf ihre Hände.
„Nein. Wieso sollte er?"
„Da gibt es mehrere Gründe. Also, was ist mit dir? Willst du jetzt endlich gestehen, dass du schwul bist?"
Bitte was?
„Ich...", setzte ich an, ließ es aber doch bleiben. „Woher?"
„Also bitte. Das ist doch offensichtlich."
„Ist es nicht." Oder doch?
„Doch, Herzchen. Simon hat mir übrigens irgendwas mit einem Asiaten erzählt. Einem mit glitzernden Haaren, so wie der im Schwimmbad neulich..." Sie sah mich abwartend an, während ich geschockt schluckte.
Wusste eigentlich jeder von Magnus?
Ich wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als sie mir zuvorkam. „Weißt du, Alec, nur weil Max tot ist", sie schluckte hörbar, „heißt das nicht, dass du dich in jede Dummheit stürzen musst, die sich dir auftut."
„Magnus ist also eine Dummheit?"
„Magnus, aha. Komischer Name. Und als Dummheit habe ich ihn nicht bezeichnet. Es ist nur... Bitte sag mir, dass er ein One – Night – Stand war."
„Ähm, also...", stammelte ich, begriff nicht ganz, was sie mir sagen wollte.
Clary verdrehte die Augen. „Du magst ihn. Okay. Aber seit wann kennst du ihn? Seit ein paar Wochen? Was glaubst du, für ihn zu empfinden? Liebe?"
Ich sah zu Boden. Ja, ich war der Meinung, mich in ihn verliebt zu haben.
„Ich habe euch im Schwimmbad gesehen. Vielleicht gibt es sowas wie Liebe auf den ersten Blick, was weiß ich, auf jeden Fall warst du schon von Anfang an hin und weg von ihm. Aber daraus, dass du nicht konkret gesagt hast, dass er ein One – Night – Stand ist, schließe ich, dass das etwas Ernsteres ist. Ich kenne dich, Alec, ob du es mir glaubst oder nicht. Ich weiß, dass du kein Mensch für große Gefühle bist. Vielleicht denke ich ja in die völlig falsche Richtung, aber wenn du mich fragst ging das ein bisschen schnell. Max ist noch nicht lange tot und du stürzt dich kopfüber in eine Beziehung. Nicht, dass du verzweifelt und oder betrunken im Bett legen sollst, aber dein Leben weiterzuleben heißt nicht, sich auf jede Ablenkung zu stürzen, die es gibt. Du rennst nicht glücklich durch die Gegend, weil du was mit diesem Magnus hast, sondern bist still und unnahbar wie immer. Und weißt du warm? Weil du durch den Tod deines Bruders heruntergezogen wird. Das ist vollkommen okay, aber nutze den glitzernden Typen nicht als Ablenkung. Damit tust du nicht nur ihm, sondern irgendwann auch dir selbst weh."
Ich schwieg, war einfach nicht in der Lage etwas zu sagen. Ich wusste, dass Clary recht hatte, verdammt, ich wusste es. Doch ich war nicht bereit, irgendetwas zu ändern. Ja, ich war glücklich über das zwischen Magnus und mir, und das ohne Grund. Aber ich verspürte noch immer einen stechenden Schmerz in der Brust, eine physische Auswirkung von Max' Tod. Es würde ewig dauern, bis ich das hinter mir gelassen hatte. Ich hatte Max geliebt, und ich war unfassbar wütend auf das gottverdammte Leben, auf die Personen, die nichts gegen den Wutausbruch meines Bruders unternommen hatten. Insbesondere auf mich selbst. Und verdammt, ich wusste, dass ich mich mit allem ablenkte, dass als Ablenkung diente.
Gott, ich will doch nur schlafen, bis der ganze Scheiß vorbei ist.


Real Life - MalecWhere stories live. Discover now