21 - Oh (Lesenacht 5)

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Blinzelnd öffnete ich die Augen, schloss sie allerdings sofort wieder, da mich das Licht allem Anschein nach foltern wollte. Die schwüle Hitzewelle hatte wohl noch immer kein Ende gefunden, es war nur eine Frage der Zeit, bis die Sicherungen durchdrehen würden. Und dann wäre beinahe ganz New York in Finsternis getaucht.
Nun aber war es viel zu hell für meine Verhältnisse, ich zog die Decke über meinen brummenden Schädel. Viel von meiner Umgebung gesehen hatte ich nicht, ich nahm an, dass ich zuhause war. In den nächsten paar Minuten würde wahrscheinlich Max reinstürmen, der ein genaues Gespür dafür hatte, wann ich wach war. Oder er platzte einfach herein, wenn es ihm passte, ich wusste es nicht.
Ich versuchte, erneut einzuschlafen, was mir auch gelang - beinahe. Gerade als ich dabei war, wieder in das süße Land der Träume abzudriften und sprechende Einhörner mit Gummibärchenreitern auf dem Rücken in meinem Kopf zu sehen, sprang etwas auf meinen Bauch. Etwas schweres, aber weiches. Stöhnend fuhr ich ein wenig nach oben, es war zu viel für meinen Körper, der sich noch im Halbschlaf befand.
„Geh runter, Max", murrte ich und schlug die Decke zurück, um meinen kleinen Bruder anzuzicken, was er denn in meinem Zimmer zu tun hatte. Doch auch meinen Bauch lag kein zehnjähriger Junge, sondern eine Katze. Blinzelnd starrte ich das Fellknäuel an, bis ich ihn wiedererkannte. Der große Vorsitzende Miau Tsetung. Ich salutierte vor ihm, dann streichelte ich durch sein weiches Fell und sah mich um. Das Zimmer sah nicht nach meinem Zimmer aus: Im Bett hatten bequem zwei erwachsene Menschen Platz, an den Wänden waren Kunstwerke. Außerdem waren die Jalousien oben. Nope, nicht mein Zimmer. Also, wo bin ich?
Dann fiel es mir plötzlich wieder ein - alles. Die Erkenntnis raubte mir den Atem, ich fiel nach hinten. Max war tot. Okay, damit hatte ich mich einigermaßen abgefunden. Ich war bei Magnus, was auch den Kater erklärte. Außerdem erinnerte ich mich an unser gestriges Gespräch - ich errötete - und daran, dass wir uns geküsst hatten. Und...
Oh.
Ich hob die Decke an, linste darunter.
Oh.

Ja, ich war nackt.
Und nochmal: Oh.
Verdammt.
Mit der Hautfarbe einer Ketchup - Flasche sah ich mich erneut um. Meine Kleider hingen ordentlich über der Sitzfläche eines Hängesessels neben dem Bett, in Greifweite. Auch wenn ich Magnus nicht sehen konnte - das hätte alles nur noch peinlicher gemacht - , wollte ich nicht aufstehen. Also griff ich mir eine Boxer, die definitiv nicht mir gehörte, aber sauber war, und streifte sie mir über. Anschließend stand ich auf, wobei mir ein plötzlicher, scharfer Schmerz durch den unteren Rücken fuhr. War zu erwarten gewesen, dennoch war ich kein bisschen darauf vorbereitet und ließ mich nach hinten plumpsen, was nicht weniger schmerzhaft war. Nach einigen Augenblicken hatte ich mich soweit an den Schmerz gewöhnt, dass ich aufstehen und mich anziehen konnte. Anschließend fuhr ich mir noch einmal über das Gesicht, ignorierte das Bedürfnis, über die Feuertreppe abzuhauen. Mit zitternden Händen öffnete ich die Schlafzimmertür und trat in den Flur. Köstlicher Duft nach Pfannkuchen drang mir in die Nase, ich folgte ihm etwas zögernd.
„Wusste gar nicht, dass du kochen kannst", bemerkte ich, als ich im Türrahmen angekommen war. Ich lehnte meinen leicht schmerzenden Kopf gegen das Holz.
„Tja, nun, das ist eines meiner verborgenen Talente. Ein weiteres hast du heute Nacht kennengelernt", antwortete er, während er einen Pfannkuchen in die Luft warf und gekonnt auffing. Augenblicklich war ich neidisch. Ich konnte das nicht.
Mit leicht roten Wangen setzte ich mich auf den kleinen Tisch unter dem Fenster und sah Magnus zu, wie er Frühstück zauberte.
„Ich war betrunken", nuschelte ich leise und starrte auf meine Fingerspitzen.
„Und stoned, wie du mit gebeichtet hast. Keine gute Kombination, nehme ich mal an. Ich meine, du hast mich Sir genannt." Er lachte kurz auf. „Aber hey, das Ganze hat auch was gebracht." Nun hielt er inne, sah mich das erste Mal an diesem Morgen direkt an. „Hast du das eigentlich ernst gemeint?"
Es war an mir, aufzulachen. „Was denn, dass deine Augen aussehen wie die einer Katze? Oder dass Church ein lustiger Name ist?"
Magnus sah mir lange in die Augen. „Du weißt genau, was ich meine."
Betreten blickte ich zu Boden. Ach, scheiß drauf. „Ernst gemeint? Ja." Ich ignorierte seine aufleuchtenden Augen, sprach einfach weiter. „Aber ich wollte dir das nie erzählen, nicht wirklich. Ich habe das Ganze immer in die Schublade ‚Spätpubertäre Phase' gesteckt, nie ernsthaft darüber nachgedacht. Anscheinend bin ich doch unsicherer als ich angenommen habe." Kurz lachte ich verbittert auf, dann fuhr ich fort: „Mein Gott, mein Bruder ist tot, in weniger als zwei Monaten beginne ich zu studieren, meine Eltern verstehen sich überhaupt nicht mehr und um alles noch zu toppen kommst du daher und verwirrst mich komplett. Yay."
Nach dieser Ansprache schwieg ich, wollte meine Beine anziehen. Allerdings unterließ ich das, als mir erneut ein scharfer Schmerz in den Unterleib fuhr, verzog lediglich das Gesicht.
„Tut mir leid", murmelte Magnus leise, widmete sich wieder den nun fertigen Pfannkuchen.
„Was?"
„Das mit deinem Bruder. Zu den Streitigkeiten deiner Eltern kann ich nichts sagen, ist nicht meine Sache. Beim Studium kann ich dir helfen. Na ja, Menschen zu verwirren ist eines meiner Talente - jetzt kennst du schon vier!" Den letzten Satz sagte er fröhlicher. „Vier? Ich kann mich an zwei erinnern", lachte ich und ging auf seinen Versuch, das Gespräch aufzulockern, ein.
„Na ja, ich kann kochen - eins. Ich verwirre Menschen - zwei. Ich kann unglaublich gut küssen - guck nicht so zweifelnd, du hast es selbst erlebt - drei. Oh, und ich bin unfassbar gut im Bett, ansonsten würdest du jetzt überhaupt nicht mehr sitzen können." Er schob mir einen Teller mit drei kleinen Pfannkuchen herüber. „Jetzt setzt dich wie ein anständiger, normaler Mensch auf einen Stuhl und iss." Entschlossen nahm er auf dem Stuhl mir gegenüber Platz, nachdem ich mich selbst gesetzt hatte. Hungrig badete ich meine Pancakes in Ahornsirup, dann begann ich zu essen.


SAY YAY YAY YAY!! Jeez, das ist ein nerviger Ohrwurm. Ich bekomm ihn nicht mal mit The Final Countown weg.

Dadadada dadadada.

Okay, vielleicht doch.

Ne, doch nicht.

Mist.

Real Life - MalecWhere stories live. Discover now