8 - Pfannkuchen

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Pünktlich um zehn Uhr saßen wir im Außenbereich von Moms Lieblingscafé und studierten die Karte. Das heißt, Max, Isabelle und ich lasen sie, während Mom unruhig mit ihren Beinen wippte und nach meinem Dad Ausschau hielt.
Kokosnuss – Cappuccino klang gut. Einfach nur, weil Kokosnuss darin war.
Dad kam zeitgleich mit der Bedienung, die unsere Bestellung aufnahm. Ich orderte meinen Cappuccino und einen Pfannkuchen mit Apfelmus, während Iz und Max sich für Nutellapfannkuchen und eine Eisschokolade entschieden. Mom und Dad bestellten sich lediglich einen Espresso.
Und das, obwohl es einen Schoko – Cappuccino gab. Mom liebte Schoko – Cappuccino. Und Dad konnte von den Marmeladenpfannkuchen, die sie hier hatten, nie genug bekommen.
Irgendwas lief hier gewaltig schief. Und zwar noch schiefer, als ich anfangs gedacht hatte. Sehr viel schiefer. Aus Pisa – Schief wurde gerade Halfpipe – Schief.
Isabelle und ich wechselten einen ängstlichen Blick. Demnächst würden unsere Eltern die Bombe platzen lassen. Und nach den - sogar für ihre Verhältnisse - vielen Streitigkeiten in letzter Zeit konnte ich erahnen, was in der Bombe war.
Entweder, Mom war schwanger und hatte deshalb so oft Stimmungsschwankungen, oder Mom und Dad wollten sich trennen.
Letzteres würde Max nur schwer verkraften. Isabelle und ich kamen damit klar, schließlich waren wir schon um einiges älter.
Es würde ihn zerstören.
Erst da fiel mir auf, dass der ganze Tisch zwischen den beiden war. Sie saßen nicht nebeneinander, berührten sich auch unter dem kleinen Tisch nicht.
Immerhin besaßen die beiden den Anstand, zu warten, bis wir aufgegessen hatten. Während des Essens kamen belanglose Themen wie Izzys bevorstehendes Abschlussjahr oder mein Studium.
Dann war auch Max mit essen fertig, und es entstand eine unangenehme Stille. Mein kleiner Bruder wischte sich den Mund mit der Hand ab, wobei er die Nutellastreifen nur verschlimmerte. Izzy rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her und knetete ihre Hände so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.
Sie hatte die gleichen Befürchtungen wie ich, machte sich ebenfalls Sorgen um Max.
Sanft legte ich meine Hand auf ihre, und sie wurde ein wenig ruhiger.
„Also...", begann Mom, brach den Satz dann aber ab. Izzys Finger schlossen sich fester um meine.
„Wir...", setzte nun auch Dad an und musterte Max verstohlen. Dieser schaute die beiden neugierig an.
Mom atmete tief durch. „Wir wollen uns trennen."
Nach diesem Geständnis sah sie erleichtert aus, und auch Dad schien sich etwas mehr zu entspannen.
Max' Gesichtszüge entglitten und ich wechselte einen kurzen Blick mit meiner Schwester. „Und was heißt das für uns?", fragte sie leise. „Na ja, Alec will ja eh mit Jace in eine WG ziehen, und ihr zwei müsstet euch eben entscheiden, bei wem ihr wohnt. Möglichst bald, damit wir uns entsprechende Wohnungen aussuchen können.
„Warum macht ihr das?" Max' Stimme war ein einziges Flüstern.
Unter dem Tisch krampften sich Isabelles Finger um meine Hand. Wir hatten Max beide schon öfters weinen sehen, als ich zählen konnte, aber noch nie hatte er so verloren ausgesehen.
Er hatte verstanden.
„Weil wir uns einfach nicht mehr lieben", antwortete mein Vater so sanft wie möglich, erntete aber einen feinseligen Blick von Mom.
„Und weil dein Vater mich betrogen hat."
Ich sog die Luft ein.
Das hat er nicht getan!
Doch Dad sah einfach nur schuldbewusst zur Seite.
Arschloch.
Iz schien das Gleiche zu denken, denn wenn sich ihre Nägel noch weiter in meine Haut bohrten, würde ich in ein, zwei Wochen Narben an der Handfläche haben.
Die Unterlippe meines kleinen Bruders bebte, uns stand ein Gefühlsausbruch bevor. Seine Augen füllten sich mit Tränen. „Warum? Das ist gemein! Alle Eltern trennen sich! Ihr seid so doof!", flüsterte er aufgebracht. „Max, du musst verstehen, dass...", setzte Mom an, doch er hörte nicht zu. „Martys Eltern haben sich auch getrennt, und dann ist sein Vater nach England gezogen! Das dürft ihr nicht!"
„Niemand von uns zieht nach England. Wir bleiben beide in New York." Dads Stimme war zwar sanft, doch nicht einmal er konnte Max beruhigen. Seine kleinen Fäuste schlugen auf den Tisch, sodass das Geschirr klapperte. Das Geräusch überdeckte allerdings nur knapp die vorbeifahrenden Autos.
„Nein! Nein, nein, nein, nein! Ihr dürft das nicht!" Jetzt schrie er. Laut. Ein Glück, dass hier morgens kaum etwas los war.
„Das geht einfach nicht!", brüllte er aufgebracht und stand auf, während wir ihn nur verdutzt anstarren konnten. Einen derartigen Ausbruch hatte er noch nie gehabt.
Wütend marschierte er los, scheinbar ohne Ziel. Ich bezweifelte, dass er sonderlich viel sehen konnte, da ihm unentwegt Tränen über das Gesicht liefen. Wenn, dann nahm er alles nur verschwommen war. Es grenzte an ein Wunder, dass er nicht gegen Tische oder Stühle lief.
Er lief auf die Straße zu. Auf eine Hauptstraße. Im Sekundentakt fuhr ein weiteres Auto vorbei.
Endlich wachte ich aus meiner Starre auf, die die ganze Zeit über angehalten hatte. „Max, nein!", brüllte ich so laut ich konnte.
Doch es war bereits zu spät.
Autoreifen quitschten. Der Fahrer des Autos bemerkte Max erst, als er einen Meter von ihm entfernt war. Mit aller Wucht trat er auf die Bremse – doch Max' Körper wurde dennoch über die Straße geschleudert.
Das Auto kam zum Stehen, ein weiteres fuhr beinahe darauf. Doch all das zählte nicht.
Mein kleiner Bruder lag blutend auf dem Asphalt und bewegte sich nicht.

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Meine Reaktion: Damn. Oh Damn. DAMN!!!

Real Life - MalecWhere stories live. Discover now