41 - Sorge

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Gekeife. Das war das Erste, wasich hörte. Einfach nur Gekeife.
Bereits als die beleidigenden Worte an meine Ohren drangen, wollte ich umkehren. Es waren Leute anwesend. Wer wusste schon, was die eingeworfen hatten?
Ängstlich dachte ich an alle Szenarien, die auftreten konnten.
Marihuana war nicht schlecht. Vielleicht begegnete ich ja einigen Menschen, die ich kannte. Damit konnte ich umgehen.
LSD war dann schon etwas anderes. Ich wollte wirklich niemanden begegnen, der gerade auf einem Horrortrip war. Das Gleiche galt für Ketaminabhängige, ebenso für Kokainjunkies.
Auch wollte ich niemandem auf MDMA oder verwandten Produkten begegnen. Aggressives Verhalten konnte ich mir sparen.
Das absolute Horrorszenario war allerdings Heroin. Ich wollte keine Spritze in den Arm gejagt bekommen. Ich wollte kein HIV bekommen.
Wieso machte ich das nochmal? Schon klar, ich liebte Magnus, aberum ehrlich zu sein, er konnte das hier auch ohne mich. Wozu hatte er denn Freunde? Ich blieb eben lieber zuhause und las ein gutes Buch. Auch wenn ich dadurch eher als schüchtern und weiß Gott was bezeichnet wurde, dann war ich eben langweilig, bitteschön, aber ich hatte Angst.
Das Geschreie wurde lauter. Mir schossen bereits verschiedene Ideen in den Kopf, wie die Szene vor uns aussehen konnte. Vielleicht saugten einige Junkies einen Typen aus, weil sie halluzinierten. Vielleicht stritten sie sich um eine Spritze. Vielleicht prügelten sie sich um Molly oder Extasy.
Ich wollte nach Hause.
Wehmütig umklammerte ich das Klappmesser fester, und ich konnte den abschätzenden Blick, den Magnus mir zuwarf, sehr gut spüren.
Er wollte wissen, ob ich Angst hatte.
Hatte ich, ja. Aber Magnus war mein Freund und ich wollte ihn beeindrucken, also straffte ich die Schultern und beschleunigte meine Schritte.
Hinter mir seufzte Ragnor, als Raphael, der unsere bescheidene Gruppe anführte, an eine Tür trat und die Klinke vorsichtig herunterdrückte.
Das so ziemlich Dümmste, was er hätte tun können, wie wir im nächsten Moment erfuhren. Denn die Menschen,die wir gehört hatten, unterbrachen ihr Streitgespräch und drehten sich zu uns um.
Einer der beiden war eindeutig Crystal Meth abhängig. Er hatte Kratzspuren im Gesicht, Akne, eingefallene Wangen, Untergewicht. Die andere Person hatte lediglich Augenringe und eine blutende Nase, die nächste Dosis Kokain würde zum Tod führen.
Die Abscheu auf beiden Gesichtern war deutlich zu sehen, genauso wie die Geldgier in ihren Augen.
Ragnor zischte. „Hab ich nicht gesagt, dass das eine scheiß Idee ist?!"

„Oh, fuck!", lachte Magnus beinahe hysterisch, als wir unsere Wohnung völlig außer Atem erreichten.
Die Junkies, auf die wir gestoßen waren, waren uns nicht gerade zugetan, und hatten uns mit Freuden verfolgt, in der Hoffnung auf etwas Wertvolles, dass ihnen ihren nächsten Schuss verschaffen konnte. Während Ragnor und Raphael in die grobe Richtung ihres Wohnviertels gerannt waren, hatten Magnus und ich unsere Verfolger ineiner waghalsigen Tour durch verschiedene U-Bahnen abgeschüttelt. Es war mehr als nur Horror, durch verschiedene Stationen zu rennen, bis wir in letzter Sekunde in eine Bahn sprinten konnte. Den Drogen war es zu verdanken, dass unsere Verfolger nicht genug Schnelligkeit oder Ausdauer hatten, um uns hinterher in den vollen Wagon zu hetzen, und ihrem Aussehen war es zu verdanken, dass sich auch die umstehenden Menschen schleunigst aus dem Weg machten, sobald sie die entstellten Personen sahen. So gingen sie leer aus, wenn sie nicht sogar verhaftet wurden, weil einige Fahrgäste verängstigt die Polizei gerufen hatten.
Und das, obwohl es in New York immer wieder Skadale wie diese gab.
„Was du nicht sagst." Keuchend holte ich Luft, lehnte mich an die Wand. Meine Lungen brannten, jeder Atemzug löste unfassbare Qualen aus.
„Das war genial!"Magnus drehte sich lachend im Kreis.
„Genial?! Magnus wirhätten draufgehen können! Das war dämlich! Dämlich, hast du gehört? Die hätten uns ausnehmen können! Umbringen! Sogar abgebrühte New Yorker sind vor ihnen weggelaufen! Das war das Dümmste, das ich jemals gemacht habe, und ich werde nicht zulassen, dass einer von uns beiden jemals wieder sein Wohlbefinden derart aufs Spiel setzt, hast du das verstanden?!" Ich war außer mir vor Wut. Vor Wut und Scham, weil ich mitgegangen war.
„Ich liebe dich",sagte mein Freund plötzlich, kam auf mich zu und küsste mich stürmisch.
„So sehr."
„Ich liebe dich", murmelte ich seufzend an seinen Lippen. Mein Gemüt kühlte langsam ab.
„Auch wenn du so gottverdammt dämlich bist."
Wieder lachte Magnus, leise diesmal.
„Ich weiß."
Er küsste mich erneut, voller Leidenschaft.
Lächelnd gab ich mich seinem Kuss hin, seinen tastenden Händen, seinem drängenden Körper. Streifte mein Shirt ab, meine Hose, meine Boxershorts. Sah zu, wie Magnus mit seinem Mund über meinen Körper bis hin zur Mitte wanderte.
Oh fuck.

Real Life - MalecWhere stories live. Discover now