14 - Sutton

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Pünktlich klingelte ich an Suttons Haustür. Sie wohnte in einem der Backsteinhäuser, die man in Filmen immer sieht. In einem Altbau. Einem wunderschönen Altbau.
Der Türöffner summte und riss mich aus meinen Schwärmereien. Nun sah ich mich einem Treppenhaus gegenüber, ohne zu wissen, in welchem Stock meine neue Bekanntschaft wohnte. Also lief ich einfach Absatz für Absatz nach oben, bis ich einen blonden Schopf sah. Sutton trug einen neongelben BH unter einem leicht durchsichtigen schwarzen Shirt, auf das Clary sofort eifersüchtig gewesen wäre. Außerdem trug sie eine dieser lockeren, dünnen Jogginghosen, die nur bis zu den Knien reichten, wo sie eng anlag. Ein Trend, den ich beim besten Willen nicht verstehen konnte.
„Danke, dass du gekommen bist. Ich kann das einfach nicht!", begrüßte sie mich und umarmte mich kurz.
Ist ja nicht so, dass wir außer ‚Ein Eisbecher bitte' und ‚Kommt sofort' kein Wort miteinander gewechselt haben.
Ich erwiderte die Umarmung dennoch und folgte ich danach in ihr Wohnzimmer. Die altmodischen Möbel passten hervorragend zu dem Flair des Altbaus, ich war begeistert. Sutton hatte Geschmack.
Die Glühbirne war recht schnell gewechselt, und aus Dank bot mir meine neue Freundin einen Kaffee an. Also folgte ich ihr in die Küche. Das erste, das ich sah, war eine vermutlich sehr teure, hochqualitative Kaffeemaschine.
Vielleicht ist sie ja doch mein Typ, dachte ich und starrte verträumt auf die Kaffeemaschine. Clarys Eltern hatten die gleiche, der Kaffee schmeckte einfach hervorragend. Nicht zu bitter, nicht zu wässrig. Das komplette Gegenteil von Filterkaffee.
„Hast du eigentlich eine Freundin?", fragte sie wie beiläufig, während sie an der Maschine hantierte.
„Nein", antwortete ich wahrheitsgemäß. „Warum?"
Außerdem ist da dieser Typ mit den Glitzerhaaren, der dir etwas den Kopf verdreht hat!, raunte mir mein Unterbewusstsein zu. Ich verdrängte den Gedanken, schob ihn in die Schublade ‚spätpubertäre Phase'.
„Ach, nur so."
„Ah."
„Ja."
Schweigen, nur die Kaffeemaschine lief auf Hochtouren.
„Warum zur Hölle hast du keine Freundin?!", platzte Sutton plötzlich heraus und stellte zwei Tassen auf den kleinen Tisch.
„Keine Ahnung, sollte ich?", fragte ich irritiert. Diese Frau war verwirrend. Aber ich mochte sie, wie mir auffiel. Freundschaftlich. Sie war trotz ihres Möbelgeschmacks und der Kaffeemaschine nicht mein Typ.
„Ja, verdammt! Du siehst gut aus, bist verdammt groß - wie groß eigentlich? - und hast eine gute Figur. Außerdem kannst du Glühbirnen auswechseln und deine Haare sind perfekt. Hand aufs Herz, Alec: Bist du schwul und mit dem Typen aus dem Café zusammen?"
Jace und ich? Ich bewunderte Jace, ja, aber ich sah ihn mehr wie einen Bruder, nicht als potentieller Partner. Außerdem... Schwul war ich nicht. Oder? War ich jemals in ein Mädchen verliebt gewesen? Meine Freundinnen hatte ich gemocht, aber obwohl ich sie geküsst hatte, mit ihnen geschlafen hatte, ich hatte nie dieses Kribbeln gespürt, oder Schmetterlinge im Bauch.
Magnus sorgt für weiche Knie und Kribbeln, flötete mein Unterbewusstsein. Wieder schob ich es in die Kategorie ‚Spätpubertäre Phase'.
„Nein, bin ich nicht. Allerdings war ich in letzter Zeit nicht gerade der... aufmerksamste Mensch", sagte ich letztendlich und trank einen Schluck des Kaffees. Er schmeckte wie erwartet köstlich.
„Ah ja?"
„Ja."
„Wieso?"
Ich lachte verbittert auf. „Keine Ahnung."
Nachdenklich sah sie auf meine Hände, trank ab und an einen Schluck Kaffee.
„Alec?", fragte sie schließlich. „Gehst du mit mir in den Central Park? Wie gesagt, meine Freunde sind alle weg, und ich muss erst gegen sechzehn Uhr arbeiten."
Ohne groß darüber nachzudenken willigte ich ein. Sutton war zweifelsohne freundlich, und ich mochte sie. Obwohl ich sie erst seit dem heutigen Tage kannte.
Wir schlenderten durch den Park und redeten über Gott und die Welt. Allerdings blieben wir immer halbwegs in der Nähe von Suttons Arbeitsplatz, damit sie pünktlich eine Stunde vor Beginn ihrer Schicht da sein konnte. In den zwei Stunden, die wir dort verbrachten, erfuhr ich viel über sie. Sie war achtzehn, hatte zwei Monate nach mir Geburtstag und stammte aus reichem Hause, was auch den Altbau, die große Wohnung und die Möbel erklärte. Und die Kaffeemaschine. Vor allem die Kaffeemaschine. Sie arbeitete, weil sie sich ihr Studiengeld selber verdienen musste. Die Wohnung, die Kaffeemaschine, all das wurde von ihrem Vater gezahlt. Aber ihr Studium war nicht in seinem Interesse. Natürlich, mit Kunst konnte man eigentlich erst nach dem Tod verdienen. Doch Sutton malte gerne, also arbeitete sie, um sich ihren Wunsch zu erfüllen.
„Und wenn nicht, dann hänge ich meine Gemälde überall in meinem Haus auf. Wenn ich sterbe, werden diese Bilder in einer Auktion versteigert. Wer mein Lieblingsbild kauft, der bekommt alle anderen Bilder auch. Wer weiß, vielleicht wird daraus ja ein ‚Sutton Memorial Museum of Arts'", erklärte sie, wobei sie wild gestikulierte, eine Angewohnheit, die mir bei ihr recht bald aufgefallen war. Es störte mich aber nicht.
„Du hast ‚The longest ride' gelesen?", fragte ich geistesgegenwärtig. Isabelle hatte mich in den Film geschleppt, von dem ich wider Erwarten so begeistert war, dass ich das Buch regelrecht verschlungen hatte.
„Ja. Und das war einfach zu süß!" Sie sah auf die Uhr. „Oh, shit. Ich muss los! Man sieht sich!", rief sie, umarmte mich kurz. Und weg war sie. Achselzuckend sah ich auf mein Handy, das zehn verpasste Anrufe anzeigte, alle von Isabelle und meiner Mutter. Nichtsahnend machte ich mich also auf den Weg zum Krankenhaus.

#RaiseyourwandsFürKaffeemaschinen!
Und für die nicht-Potterheads: #EinHerzFürKaffeemaschinen!
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