37 - Hochzeit

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Irgendwann gingen mir die Worte aus. Irgendwann war mein Kopf leer. Irgendwann versagte meine Stimme.
Irgendwann beschloss ich, Jace anzurufen. Ich wusste, dass er Bier im Kühlschrank hatte. Bier und Kekse, über deren Inhaltsstoffe ich lieber nicht Bescheid wusste.
„Elefantenjagdverein Brooklyn, tötet was trötet, wie kann ich Ihnen helfen?"
Jace hatte angefangen, dämliche Witze zu machen sobald ich anrief.
„Du hast doch Bier im Kühlschrank?"
„Komm vorbei wann du möchtest, aber schließ selber auf, ich hab eigentlich nicht vor, meine Couch heute noch zu verlassen."
„Netflix and Chill?"
„Sowas von, Baby." Damit legte er auf.
Mit einem leisen Lächeln auf den Lippen stand ich auf, klopfte mir den Hosenboden ab und machte mich auf den Weg zur nächsten U-Bahn Station.

Der Schlüssel klebte unter der Matte, wie immer. Ein eigentlich gar nicht so dämliches Versteck, bedachte man die Tatsache, dass Schlüssel normalerweise lagen und nicht klebten. Einbrecher wären vielleicht zu dumm, um das zu kapieren, meinte Jace.
Vermutlich nicht.
Ich schloss auf und verstaute den Schlüssel anschließend wieder sorgsam, bevor ich zielstrebig in die offene Küche marschierte.
„Bring mir eins mit. Und hol die Kekse!", kam es von Jace, der auf dem Sofa lag und sich nicht mit Begrüßungen aufhielt.
„Hab dich auch vermisst."
„Hab ich halt wirklich. Man sieht dich ja kaum noch."
„Du hast mir erst letztens beim Einzug geholfen, Prinzessin."
Ein unverständliches Nuscheln.
Seufzend stellte ich Kekse und Bier auf den Couchtisch, bevor ich mich neben meinen besten Freund warf.
„Ich überlege mir, eine Cannabispflanze anzubauen", meinte er plötzlich aus dem Nichts heraus.
„Das ist illegal."
„Und?" Er öffnete seine Bierdose.
„'Das Gesetz ist hart, aber es ist das Gesetz'", zitierte ich eine Stelle aus seinem Lehrbuch.
„Spießer."
„Jace, du gehst auf die John Jay. Eine Hochschule für Kriminologie. Wenn rauskommst, dass du ein Gelegenheitskiffer bist, dann gehst du nicht mehr auf die John Jay. Außerdem sollst du nicht immer Dosenbier kaufen!"
„Ich mag Dosenbier und du offensichtlich auch, zumindest genug, um eins zu trinken."
„Wer weiß, was da drin ist."
„Halt den Mund."
„Bestimmt Giftstoffe."
„Leise jetzt."
„Vielleicht fressen die dich von innen auf, Prinzessin."
Jace machte den Fernseher an und schaltete auf Netflix.
„Daredevil oder The Arrow?"
„Keine Serie!", beschwerte ich mich.
Serien guckte ich lieber alleine, dann lag kein Druck auf mir, sie gleichzeitig oder sogar vor der anderen Person zu beenden, aus Angst, gespoilert zu werden.
Serien gucken konnte sehr stressig werden.
„Also schön. Batman vs Superman?"
„Hobbit."
Der Blonde warf mir einen Seitenblick zu.
„Der geht drei Stunden. Wieso glitzern deine Haare?"
„Falsches Shampoo erwischt. Ich will den Hobbit gucken!"

Als ich um drei Uhr nachts nach Hause kam, versuchte ich krampfhaft, keinen Ton von mir zu geben. Ich war angetrunken und glücklich, dass mich die Polizei nicht gesehen hatte. Ausnüchterungszellen waren nicht bequem.
Spaghetti. Nur Spaghetti schienen meinen knurrenden Magen besänftigen zu können.
So leise wie möglich schlich ich ins Schlafzimmer, nur um meinem Freund eine Weile beim Schlafen zuzusehen, bevor ich mein Nachtmahl zubereitete. Er lag dort seelenruhig, die Haare in der Stirn und die Beine in beinahe unmöglichen Winkeln ausgestreckt.
Deutlich zufriedener tappte ich in die Küche, holte mir Töpfe, Nudeln und passierte Tomaten und kochte Wasser im Wasserkocher. Es war ein befriedigendes Gefühl, den Spaghetti beim weicher werden zuzugucken. Wie Menschen, die bei Folter einknickten.
Ich kicherte, amüsiert von meinen eigenen Gedanken.
Vorsichtshalber riss ich die Fenster auf, damit der Essensgeruch Magnus nicht aufweckte, dann widmete ich mich wieder dem Umrühren.
Soße würzen, rühren, kosten, nein, doch noch etwas Salt, rühren, kosten. Perfekt.
Härtetest. Ich erwischte die Nudel in dem genialen Stadium zwischen weich und hart. Weiche Schalte, harter Kern. Wundervoll.
Weiter rühren.
Einige Minuten später war mein Nachtmahl fertig und ich konnte endlich essen, nachdem ich Teller und Besteck geholt hatte.
Die Blumen auf dem Tisch machten mich glücklich, wie ich beim Essen bemerkte. Es amüsierte mich, ihnen zuzusehen, während ich Spaghetti aufsog wie ein kleines Kind.
„Was machst du da?" Erschrocken sah ich auf. Ich hatte Magnus geweckt.
„Essen."
„Was isst du da?"
„Spaghetti."
„Okay, andere Frage: Wieso?"
Ich zuckte mit den Achseln. „Hatte Hunger."
„Und da dachtest du, du machst dir einfach um halb vier Uhr nachts Nudeln?"
„Ja."
„Aha."
Er holte sich einen Teller, schöpfte sich auch etwas und setzte sich mir gegenüber.
„Wo warst du?"
„Friedhof."
„So lange? Ich dachte, du wolltest ins Fitnessstudio."
„Wollte ich eigentlich auch. Aber dann bin ich lieber zu Jace. Wir haben zwei Hobbit-Filme geguckt", erzählte ich stolz grinsend.
„Du hast einen seiner Kekse gegessen?"
„Drei." Ich kicherte.
„Und Bier getrunken." Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
„Ja. Wieso hab ich dich eigentlich noch nie betrunken gesehen?"
Er lachte. „Das willst du gar nicht."
„Wieso heiratet man in Weiß? Gold ist schöner."
„Weißt du, was ich einmal auf einer Hochzeit gelesen habe? ‚Setze mich wie ein Siegel auf Herz und wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist so stark wie der Tod und ihr Eifer ist fest wie die Hölle.'", kommentierte mein Freund, ohne auf meine Frage einzugehen.
„Die haben sich bestimmt danach Paar-Tattoos stechen lassen." Ich kicherte erneut.
„Iss fertig. Wir gehen jetzt ins Bett." Magnus klang ernst.
„Wieso?"
„Weil du über Hochzeiten redest, Alexander."

WIESO IST DER ERSTE HOBBIT NICHT AUF NETFLIX ABER ZWEI UND DREI SCHON?!

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