29 - Fluten

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Wie gebannt starrte ich auf Magnus' Lippen, registrierte mit einem kleinen Satz meines Herzens, wie er sich auf eben jene biss – scheinbar unbewusst. Seine Zähne hinterließen kleine Einbuchtungen in der zarten Haut, und ich musste mich stark zurückhalten, um nicht meinem Instinkt nachzugeben und diese feinen Unebenheiten weg zu küssen.
Nach einigen quälenden Sekunden senkte er seinen Mund auf meinen, und in mir explodierte ein kleines Feuerwerk. Früher hatte ich nicht verstanden, weshalb Pärchen sich ständig küssten, weshalb sie ständig aneinander klebten. Küsse hatte ich nie für etwas Besonderes gehalten, etwas, das äußerste Euphorie hervorrief – bis zu diesem Moment.
Bei unserem letzten Kuss war ich ein wenig... nun ja, dicht gewesen. Betrunken und stoned, leicht weggetreten. Meine Erinnerungen an diese Nacht waren mehr als nur vage, und genau an das Gefühl von Magnus' Lippen auf meinen konnte ich mich kein bisschen erinnern.
Eine Schande, denn mein Freund sorgte dafür, dass sich jeder noch zu kleine Knochen in mir anfühlte wie Wackelpudding, als hätte jemand Gelatine in meinen Körper gegossen, während in meinem Inneren Schmetterlinge Reigen tanzten.
Und Clary hatte gemeint, es würde zu schnell gehen...
Eine Last schien von meinen Schultern zu fallen, als ich den Kuss erwiderte und Magnus näher an mich zog, sodass kaum noch eine Flache Hand zwischen und gepasst hätte. Sein leichtes, überraschtes Aufkeuchen mischte sich mit dem Prasseln des Regens vor dem Fenster.
Vorsichtig löste ich mich von ihm, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Mit halb gesenkten Lidern sah er mich an, schweigend. Vage hörte ich, wie das Geräusch des Regens langsam weniger wurde, bis es letztendlich vollkommen verklang.
Noch immer sagte keiner von uns ein Wort, bis ich das Schweigen brach: „Ich sollte los, bevor meine Familie sich noch umbringt", brachte ich leise hervor – denn dies war die Wahrheit, auch wenn Isabelles Nachricht schon einige Stunden zurücklag. Ich bezweifelte, dass meine Eltern sich in der vergleichsweise kurzen Zeit vertragen hatten.
Außerdem machten mir meine eigenen Gefühle Angst.
„Alec, was ist mit deiner Familie los? Ich meine, ich kenne sie nicht, aber es kommt mir so vor, dass sie ziemlich Probleme machen."
Blinzelnd sah ich zu Boden, bevor ich antwortete.
„Mein Bruder ist tot", murmelte ich leise, um den Stich der Trauer in meinem Herzen nicht zu sehr an die Oberfläche kommen zu lassen.
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass das davor auch schon so war." Magnus musterte mich aufmerksam, besorgt.
„Möglich. Aber jetzt ist mein Bruder tot und alles läuft aus dem Ruder", gab ich barscher als beabsichtigt zurück und trottete ins Wohnzimmer, um meine Sachen zusammen zu suchen.

Leise öffnete ich die Haustür des Wohngebäudes, noch immer das Prickeln von Magnus' Abschiedskuss auf den Lippen, das mir ein eher dümmliches Grinsen ins Gesicht zauberte. Allerdings verblasste es angesichts des Chaos, das auf den Straßen wütete. Herabgebrochene Äste, umgeknickte Bäume, herabgefallene Dachplatten. Und Wasser. Überall war Wasser. Es floss knöcheltief über den Asphalt, trug kleinere Zweige und Unmengen an Blättern und Müll mit sich. Die wenigen Autos, die ich ausmachen konnte, waren über und über mit kleinen Dellen bedeckt, die die Hagelkörner hinterlassen hatten.
In der Ferne konnte ich noch immer das Grollen des Donners ausmachen, als ich seufzend in das kalte Wasser zu meinen Füßen stieg. Meine Schuhe waren so oder so nass, da machten die paar Tröpfchen keinen Unterschied.
Okay, vielleicht doch. Mein Hals brannte noch immer (ich hoffte, dass ich Magnus nicht angesteckt hatte), und mein Kopf dröhnte. Meine Beine schmerzten leicht, was ich durch den Druck meiner in Gefrierbeutel eingepackten Wertsachen deutlich zu spüren bekam.
Ich würde ja sowas von krank werden.
Vorsichtig watete ich durch das dreckige Wasser, stolperte über diverse Steine und Äste und landete mehr als nur einmal beinahe in der Brühe, die meine Knöchel umfloss. Dennoch kämpfte ich mich unermüdlich weiter, auf der Suche nach der Unterführung. Hoffentlich war mein Auto nicht vollkommen kaputt...
Beinahe wäre ich mit einem Mann zusammengestoßen, der in unregelmäßigen Abständen nach einer Serena schrie. Sein Kind? Seine Frau? Verlobte? Freundin? Jedenfalls klang er mehr als panisch, als er sich an mich wandte:
„Haben Sie ein kleines Mädchen mit braunen Locken gesehen? Sie wollte auf der Straße mit einem Nachbarsjungen spielen."
Überrascht schüttelte ich den Kopf. Es kam nicht häufig vor, dass man hier in New York direkt angesprochen wurde. Niemand wollte im Zeitalter von Handys und Google Maps nach dem Weg fragen, niemand gab sich die Blöße zu zeigen, dass man etwas suchte.
Wie verzweifelt musste der Mann sein, dass er einen daherlaufenden, kränklich wirkenden Achtzehnjährigen ansprach?
Seine Schultern schienen noch weiter nach unten zu sacken, als sie es eh schon waren, als er meine ernüchternde Antwort sah. Ich traute mich nicht zu sprechen, wollte dem Kratzen in meinem Hals keine Chance geben, noch schlimmer zu werden.
Verzweifelt ging der Mann weiter, schrie weiterhin den Namen des Mädchens. Ab diesem Moment wollte ich mich nicht mehr umsehen. Zwar war ich noch nie in einem derart heftigen Unwetter gewesen, doch ich wusste aus dem Fernsehen, dass solche Gewitter, solche Regenfälle selten ohne ein Todesopfer endeten.
Ich wollte keine Leiche finden. Ich wollte keinen leblosen, vom Wasser aufgedunsenen Körper sehen, der in einem Strauch hing oder durch die Gegend gespült wurde.
Wie viele Menschen konnten in so einer großen Stadt aufgrund von Blitzen und Regen sterben?
Panisch verdrängte ich den Gedanken an mögliche Leichen und kämpfte mich weiter vor. Ich wollte nach Hause. Zu Isabelle. Zu Jace. Zu Clary. Vielleicht auch zu Simon. Dahin würde mich min regloses Verharren auch nicht führen.
Schwer atmend vor Anstrengung bog ich um die nächste Ecke – und dann stand da mein Auto.


Leute, ich bin mit Lady Midnight fertig und kann jetzt guten Gewissens sagen, dass Ty meine Lieblingsperson ist. Und ich shippe ihn. Mit... ugh, wie sage ich das jetzt so, dass ich nicht großartig spoilere? Mit Christopher. Das wird das Traumpaar der Reihe.
Oh, und ich bin verstört. Warum wacht die einfach auf? Warum?
Also, irgendwie haben Schattemjäger die Eigenschaft, Klassik zu ruinieren. Im Film war Bach ein Schattenjäger, und jetzt ist da irgendwas mit Poe... Das verwirrt mich.
Noch ein letztes: Es gibt zu viele Jonathan Herondales auf dieser Welt.

Real Life - MalecWhere stories live. Discover now