70|Sein Todesurteil

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Ich krame mein Handy aus meiner Tasche und ignoriere ganz einfach alle Blicke, die sich auf mich legen. Wäre ich einer der Menschen, würde ich wahrscheinlich auch starren. Ich meine, es ist wohl nicht unbedingt normal, dass ein heulendes Mädchen durch die Stadt rennt und dabei versucht nicht gegen Mülleimer zu rennen.

Vielleicht denken ja auch einfach alle, dass ich ein rotes Stop-Schild bin, was den Platz wechseln will, denn dadurch, dass ich versuche meinen Heulkrampf zu unterdrücken erleuchte ich fast schon wie ein Weihnachtsstern.

Ich fluche vor mich hin während ich so schnell wie möglich Stans Nummer in meinen Kontakten suche und schließlich auch finde.

Ich warte bis das Tuten aufhört und stattdessen Stans Stimme ertönt.
"Du hast mich erwischt. Ich fange schon an mich an zu ziehen. Tut mir Leid aber du kennst mi-"
"Stan, ist schon gut. Du brauchst nicht mehr kommen. Schick mir einfach die Adresse vom Motel. Ich komme vorbei", nuschel ich in das Mikro und schlängel mich an ein paar Jungs vorbei.

"Was ist denn mit dir? Hat dich Mami etwa alleine gelassen?", fragt auch sofort einer. Ich bleibe stehen und drehe mich zu den Gruppe.
"Noch nichtmal aus dem Kindergarten raus und trotzdem schon das Maul soweit aufreißen?", motze ich ihn an, woraufhin der Typ mir einen bösen Blick zuwirft. Natürlich schnauze ich hier keinen Winzling an, aber auch 14-jährige Hosenscheißer können mich gerade am Arsch lecken, wenn sie mir auf den Sack gehen.

"Das sagt die Memme, die wie ein Penner aussieht", lacht der Knirps und auch seine kleinen Kumpels lachen.

"Hör mir jetzt mal gut zu Zwerg! Wenn du noch einmal mit jemandem so redest werde ich dich finden und dann wirst du leiden. Da du noch keine Eier besitzt werde ich wohl warten müssen, bis du sie irgendwann mal gefunden hast, aber in dem Moment wenn du es tust, werde ich da sein und sie so lang ziehen, dass, wenn ich sie los lasse, alles wieder nach innen springt und du deine Suche erneut starten darfst. Nimm dir mal nicht zu viel raus du Scheißer. Du kennst mich nicht, und willst mich auch ganz sicher nicht kennen lernen. Und wenn ich dich auch nur einmal wieder sehe und mit bekomme, dass du jemanden anderen runter machst, dann Gnade dir Gott, dass ich an diesem Tag nicht so schlecht drauf bin wie im Moment. Mir ist gerade alles scheiß egal, auch wenn du jetzt anfängst zu flennen!", brülle ich den Scheißer an, der mich verstört an sieht und dann schnell mit seinen Freunden abhaut.

Ich beachte die irritierten Blicke von irgendwelchen Leuten nicht und halte mein Handy wieder an mein Ohr.
"Was war denn das?", kommt Stan sofort an.
"Ist heute nicht mein Tag", murmel ich und schniefe einmal.

Okay, wahrscheinlich sehe ich gerade aus wie ein Troll und schniefe wie ein Elefant, und wahrscheinlich könnte ich locker in einer Gruselshow mitmachen und alle würden denken ich bin die Gestörte Tante und vielleicht hat der Zwerg auch recht gehabt, als er gesagt hat, dass ich wie ein Penner rum laufe, aber wirklich interessieren tut es mich nicht. Im Moment bin ich noch nicht das emotionale Wrack, was gleich zusammen bricht, deshalb will ich auch schnellstmöglich zu Stan um mich bei ihm ausheulen zu können.

"Was auch immer du hast, ich bin im Motel", ruft Stan aufgeregt in sein Handy.
"Ist mir schon klar. Ich brauche immer noch die Adresse", murmel ich und wische mit meinem Arm über mein Gesicht, was allerdings nichts bringt, denn meine Wangen sind immernoch klitschnass.

"Ich schick sie dir", sagt er noch hektisch und legt auf. Keine zwei Minuten später weiß ich, in welche Richtung ich gehen muss und mache mich auch dahin auf den Weg.

Schon von weitem sehe ich Stan auf dem Parkplatz stehen und kaum bemerkt er mich, rennt er auch schon auf mich zu. Als er dann schließlich auch noch mein, höchstwahrscheinlich, total beschissen aussehendes Gesicht sieht, rennt er noch schneller und sieht mich geschockt an. Sofort schließt er mich in seine Arme und drückt mich an sich als wäre ich ein Kissen.

"Was ist denn mit dir passiert? Sag mir alles!", ruft er hektisch und zieht mich aufgeregt mit sich bis wir in seinem Zimmer ankommen.

Bevor etwas sagen kann kommt auch schon mein kleiner Schnullerpups hinter dem Bett vor gesprungen und als Hatschi mich entdeckt, sprintet das Hündchen auf mich zu.

Ich nehme die kleine nach oben und streiche ihr über das Köpfchen. Da wohl auch der Hosenscheißer bemerkt, dass es mir im Moment scheiße geht, sieht er mich mit großen Augen an und schleckt mir dann einmal quer über mein Gesicht, sodass ich leise aufquieke und Hatschi wieder auf den Boden stelle.

"Es wird Zeit, dass du in diesen viel zu großen Sweater schlüpfst und du mir endlich sagst, was los ist", sagt Stan und hält mir seinen grauen Sweater entgegen. Ich zwinge mich zu einem Lächeln und ziehe den Pulli über meinen Kopf.

"Hinsetzen!", bestimmt er und ich lasse mich auf das Bett fallen, wo es sich auch Hatschi und Stan bequem machen.
"Wem muss ich alle Knochen brechen?", fragt Stan mich ernst und ich habe keine Zweifel, dass er es tun würde.

"Niemandem", murmel ich und lasse mich nach hinten gleiten, sodass ich im Bett liege und an die Decke starre.
"Und wenn ich frage, wer ist der Verursacher für das da?", er deutet auf mein verheultes Gesicht und sieht mich wieder besorgt an.
"Dann würde ich sagen, Adam", murmel ich und schon bei dem Gedanken an ihn wird mir schlecht.

"Also kann ich ihm alle Knochen brechen! Ich habe es doch schon immer gewusst, dass er eine Ratte ist. Schon sein Gesicht regt mich auf! Wie konntest du mit ihm zusammen sein? Was hat er getan?", ruft Stan durch das kleine Zimmer.

"Mein Gott, es war doch alles nicht echt!", brülle ich zurück und fühle mich sofort schlecht, weil ich Stan so anschreie obwohl er nichts dafür kann. Er scheint das nicht so schlimm zu sehen, sieht mich allerdings verwirrt an.

"Wie meinst du das?"
"Wie ich es gesagt habe. Es war alles nicht echt. Alles war gespielt. Die ganze Beziehung war gespielt. Sie war nur Spaß. Alles war auf einer Art Wette aufgebaut. Wenn ich Adam nicht solange widerstehen kann, wie er dem Drang sich durch die halbe Welt zu vögeln, dann gewinnt er, und andersherum würde ich gewinnen.", murmel ich.

"Aber-"
"Ist doch jetzt auch egal... Es ist vorbei. Die Sache ist gegessen und ich will ihn nicht mehr wieder sehen", unterbreche ich Stan und drücke mir ein Kissen auf mein Gesicht.
"Was hat er getan?"
Ich schlucke und versuche meine Tränen zurück zu halten.
"Gestern war doch die Party... Übrigens warst du gar nicht da", nuschel ich.
"Die Nachbarin konnte doch nicht auf den Scheißer aufpassen, deshalb musste ich hier bleiben", meint Stan nur.
"Aber lenk jetzt nicht vom Thema ab"
"Also... Naja, ich kann mich nicht an viele Dinge von heute Nacht erinnern. Jedenfalls habe ich heute morgen Adam gefragt, was gestern passiert ist... Er hat gemeint, dass wir lediglich rum gemacht haben und nichts weiter passiert ist... aber vorhin habe ich ein Gespräch mitgehört, indem er seiner Gang erklärt hat, dass er mich so hart durch genommen hat, dass ich nicht mal mehr stehen kann. Und ich hatte ihm vertraut verdammt"

Ich kneife meine Augen zusammen und würde am liebsten alles verdrängen, aber selbst das ist schwer.
"Ich meine... Theoretisch hat er mich vergewaltigt... Immerhin wollte ich es nicht, aber ich kann mich auch an nichts erinnern", sage ich verzweifelt und raufe meine Haare.

"Damit hat er endgültig sein Todesurteil unterschrieben", ist das einzige, was Stan sagt und schafft es damit, mich wieder zum Tränen Ausbruch zu bringen.

Nachträgliches Geburtstagsgeschenk für TamaraGabrielleFisch

Irgendwo zwischen Liebe und HassWhere stories live. Discover now