Kleine, bescheidene Dreierrunde

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Jake hatte den Blick auf seine ineinander verschlungenen Hände gerichtet. Ab und zu spürte ich seine Augen auf mir ruhen, neugierig und verwirrt, wie es schien, doch nach wenigen Sekunden schaute er wieder nach unten. Nur zu gern hätte ich meine Hand ausgestreckt, sie über seine gelegt und ihn angelächelt. Doch gab es einen Grund für mich, das zu tun? Ich schien gerade in einem Tief zu stecken. Der Traum meines Lebens, die Sache, die es lebenswert gemacht hatte, hatte sich als wirklicher Traum, als Trugbild, als Hirngespinst erwiesen. Wie toll. Die Menschen, die für mich oberste Priorität gehabt hatten, waren so weit von mir entfernt. Sie waren unerreichbar – naja, einer von ihnen saß neben mir, doch der zählte nicht wirklich, er war ja erreichbar. 

Meine Gedanken waren eindeutig zu kompliziert. Ich seufzte. Wie oft hatte ich das an diesem Tag schon getan?

„Du vermisst sie, nicht wahr?“

Jake riss mich aus meinen Gedanken. „Hmm?“

„Naja, die Cullens und … wie hieß sie …?“

Noch ein Seufzer. „Nessie.“

Er nickte. „Genau. Es muss schrecklich für dich sein.“

Ungläubig schaute ich ihm ins Gesicht. Ich wusste, was ich an seiner Stelle getan hätte, würde mir jemand so etwas skurriles erzählen, und das wäre sicherlich nicht das, was er tat. Er glaubte mir tatsächlich. Ich schüttelte den Kopf. Das war alles so unwirklich. Er machte Scherze.

„Jake, das ist nicht witzig“, sagte ich bissig.

„Was denn?“

Ich funkelte ihn an. „Du machst deine Scherzchen, denkst, ich hab mir das alles nur ausgedacht. Du glaubst gar nicht, was ich dafür geben würde, wäre es wirklich nicht wahr!“

Blödmann, fügte ich in Gedanken noch dazu.

Wie dumm war ich eigentlich gewesen? Er kannte mich noch nicht einmal, und ich rannte gleich mit einer solchen Geschichte zu ihm. Ich war wirklich seltendämlich. Und blind! Hatte ich ernsthaft gedacht, er würde mir das abkaufen, ohne mich gleich für geisteskrank zu halten? Das war doch absurd. 

„So denkst du von mir?“, fragte er, jetzt auch wütend. Er schüttelte langsam seinen Kopf, die Augen auf mich gerichtet. „Gute Voraussetzung für eine Freundschaft, findest du nicht? Es gibt einen Grund, weswegen ich noch hier sitze und nicht im Wartezimmer eines Psychiaters. Vielleicht kommst du selbst drauf, wenn du dich ganz doll anstrengst!“, fügte er noch hinzu, langsam und deutlich sprechend, als wäre ich ein Kleinkind.

„Na los, sag schon!“, forderte ich.

Er lachte bitter. „Denk doch mal nach!“

„Ach, jetzt bin ich auch noch nicht schlau genug, um es zu begreifen? Ist es das?“ Mir war klar, dass ich jetzt überreagierte, aber ich war total frustriert. Wahrscheinlich würde ich jeden Moment platzen, wenn auch nicht auf die in-tausend-kleine-Stückchen-zerfetzen-Art, aber doch so, dass es als Wutausbruch gelten konnte.

Seine Stimme wurde lauter. „Das habe ich doch gar nicht gesagt!“

Mittlerweile hatten wir angehalten und standen auf dem Parkplatz des Supermarktes.

„Oh, es war deutlich genug, um es zu verstehen“, sagte ich, jetzt ein wenig kleinlaut.

Jake schnaubte, drehte sich von mir weg und öffnete die Beifahrertür.

„Wo gehst du hin?“, fragte ich ihn. Plötzlich hatte ich Angst, er könnte meinen mittelschweren Ausbruch zu ernst nehmen und genug von mir haben – jetzt schon. Das wäre … unsagbar grauenvoll. Mir tat mein Aussetzer furchtbar leid.

Bis(s) zum Erwachen - Wie ein Déjà-vuWhere stories live. Discover now