Klavierklänge und leise Worte

1.6K 65 8
                                    

Ich konnte beim besten Willen nicht glauben, was ich da sah.

Dort unten, genau unter meinem Fenster, stand ein wunderschöner Flügel. Das Mondlicht schimmerte geheimnisvoll auf das schwarze Klavier und brachte eine unsagbar traumhafte Stimmung hervor. In dem Gewebe der himmlischen Töne verflochten wippte ich im Takt mit und erwischte mich dabei, wie ich summte. Die Tränen tropften von meinem Kinn, und jedes Mal, wenn die Melodie fast unerträglich süß wurde, ergossen sie sich umso schneller aus meinen Augen. Es war ein Schlaflied, mein Schlaflied, und ich hatte ihn auch in der Wirklichkeit dazu inspiriert. Meine Sicht wurde durch die Tränen verschleiert, und doch sah ich ihn gestochen scharf, wie er auf einem kleinen Hocker vor den aus Elfenbein gefertigten Tasten saß und seine Finger anmutig über sie gleiten ließ.

Ohne auf das zu achten, was er spielte, sah er zu mir hoch, ein Lächeln auf den Lippen, dass mein Herz wieder belebte und es tausendfach so schnell schlagen ließ wie gewöhnlich. Seine Augen glänzten herrlich goldbraun und bekamen durch das weiße Licht des Mondes einen Silbernen Schimmer, die violetten Augenringe, die sich sonst immer unter seinen Augen abzeichneten, waren kaum zu erkennen. In diesem hellen Schein wirkte seine Haut schon beinahe gespenstisch blass, doch zugleich auch wunderschön und seine elegant geschwungenen, rosafarbenen Lippen bildeten einen lieblichen Kontrast zu dieser. Sein bronzefarbenes Haar kräuselte sich in den sanften Wogen des Windes. Der graue Pullover, den er trug und der sich wegen des Kragens bis zu seinem Hals hin bäumte, verdeckte seine Brust zwar, doch trotzdem wurde seine muskulöse Marmorhaut darunter betont. Mir schnürte es die Kehle zu, so gerührt war ich.

Eine ganze Weile lang stand ich so da, während sich die Noten meines Schlafliedes um mich hüllten und ich zu Edward hinunterblickte. Er schenkte mir sein schönstes Lächeln, ich ihm meine Tränen und Hingabe. Irgendwann, es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, die trotzdem viel zu kurz gewesen war, ließ er das Lied – mein Lied – ausklingen. Noch einen kurzen Moment verweilten seine Finger auf den Tasten, dann erhob er sich von dem kleinen Hocker und blickte erwartungsvoll zu mir hoch.

„Bella“, sagte er, seine Stimme war unendlich sanft. „Darf ich?“ Mit einem Kopfnicken in meine Richtung zeigte er mir, dass er mein offenes Fenster meinte.

Immer noch tropften die Tränen von meinem Kinn. „Liebend gerne“, schluchzte ich und trat einen Schritt zurück.

Blitzschnell hockte er auf dem Fenstersims und sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. Die plötzliche Nähe war berauschend, und nur ein sehr starker Impuls in mir konnte verhindern, dass ich mich noch weiter zu ihm beugte. Ich hatte vermutet, er würde sich sofort zurückziehen, da meine Verlangen meist so gut von meinen Augen abzulesen waren, als würde man sie in einem Buch lesen. Doch er tat es nicht. Er verharrte einfach in dieser Haltung, während sein Atem über mein Gesicht kitzelte. Was für ein himmlisch köstlicher Duft! Ich konnte meine Beherrschung gerade noch halten, doch selbst wenn sie siegen würde, wäre es bald mein Herz, das mich durch seine heftigen Schläge gegen meinen Brustkorb näher zu ihm bringen würde …

Ich trat mit wackligen Gummibeinen noch einen Schritt zurück und schon stand er mit einer doppelt so schnellen Bewegung vor mir auf dem Parkettfußboden. Ich zitterte am ganzen Körper, doch diesmal schien mich meine Sprache nicht vollkommen verlassen zu haben.

„Ähm … hi“, stammelte ich.

Er grinste mich an. „Hallo.“

Ohne den Blick von seinem wunderschönen Gesicht zu wenden, setzte ich mich auf mein Bett und stützte mich nach hinten mit den Händen ab. Er stand noch immer im Raum und starrte mich an. Obwohl ich wusste, dass Vampiren nicht die Glieder wehtaten, wenn sie lange standen, wollte ich ihm die Möglichkeit bieten. Vielleicht wollte er ja auch neben mir sitzen, doch ich wusste noch immer nicht, woher sein plötzlicher Umschwung bezüglich meiner Wenigkeit kam.

Bis(s) zum Erwachen - Wie ein Déjà-vuNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ