Gewissensbisse [Alice Cullen]

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Ich hätte es sehen müssen.

Warum aber hatte ich das nicht getan? In meinen Gedanken spielte sich alles ab. Der Van, wie er auf Bella zuschliddert, wie er sich in die Seite ihres Chevys bohrt und wie sie zur Seite springt, weil sie genau weiß, ich würde sie nicht retten können und Edward würde nicht ins Schicksal eingreifen. Wie sie daliegt, mit einer Platzwunde am Kopf und ihrem zertrümmerten Bein. Überall Blut, der ganze Beton saugt sich voll damit, der Geruch, wie er mir und meinen Geschwistern in der Nase brennt, Jasper und Edward, wie sie –

Stopp. 

Ich war zurück in der Gegenwart und sah, wie Tyler versuchte, den Van in die richtige Richtung zu lenken, doch er fuhr immer schneller auf Bella zu. Was um Himmels Willen sollte ich jetzt tun?

Edward, rief ich ihn in Gedanken.

Er sah mich an, seine Augen vor Schreck geweitet. Er hatte alles gesehen, das war gut, somit konnte er die Schwierigkeit der Lage einschätzen.

Wir müssen hier weg.

Er nickte kurz, packte Jasper am Arm und zog ihn mit sich, sie beide entfernten sich blitzschnell vom Schulgelände. Rosalie sah mich an, ich nickte ihr zu und so folgte sie ihnen, auch Emmett hatte schnell begriffen und schloss sich Rosalie an. Jetzt stand nur noch ich hier mit dem Wissen, was als nächstes kommen würde, aber mit der Tatsache, dass ich nichts mehr tun konnte. Auch ich musste schnell verschwinden, denn ich wusste nicht, ob ich mich halten könnte, wenn sich ihr Blut auf dem Boden verteilte. In Gedanken wünschte ich ihr noch einmal viel Glück, dann nahm ich die Beine in die Hand und rannte.

Weit fernab des Weges in einem Wald, traf ich die anderen wieder. Mich plagten die Vorwürfe. Hätte ich es verhindern können, hätte ich schneller reagiert? Was hätte ich tun können? Hätte ich, so wie damals, in … Nein, Edward war hier, daran durfte ich jetzt nicht denken. Die Blumenwiese … 

„Alice, was verdammt noch mal versteckst du vor mir?“, brüllte er mich an.

„Erwartest du jetzt, dass ich es dir sage, obwohl du gerade selbst gesagt hast, ich würde es verstecken? Das ergäbe keinen Sinn, Edward.“

Er schnaubte. „Hör auf mit diesen Spielchen. Was verheimlicht ihr mir?“

„Wer ihr?“, schaltete sich jetzt Jasper ein.

Edwards Blick wurde sarkastisch. „Sie und ihre kleine Freundin.“

Auch Rosalie wurde jetzt hellhörig. „Diese Bella?“

Edward nickte hämisch.

„Was geht dich das an?“, zischte ich ihn an. „Denkst du, nur weil du Gedanken lesen kannst, hast du einen Anspruch auf mein Leben? Oder nur, weil du ihre nicht lesen kannst, einen Anspruch auf ihres?“

Emmett kicherte. „Du kannst ihre Gedanken nicht lesen?“

Edward ignorierte ihn. „Wer sagt denn etwas von Ansprüchen? Ich will die Wahrheit wissen, mehr nicht!“

„Du bist so verdammt blind, Edward! Verstehst du denn nicht, dass du die Wahrheit nicht wissen darfst? Siehst du nicht, dass du ihr weh tust, wenn du sie so ausfragst oder ignorierst?“ Ich war mehr als wütend; für das, was ich war, musste noch ein Wort erfunden werden. „Du sagst, du hast immer Recht und bist allwissend, doch hast du dich auch nur einmal gefragt, warum du gerade das nicht weißt? Bist du dir im Klaren darüber, dass du keineswegs so perfekt bist, wie du es von dir denkst? Fang erst einmal an, über dich selbst nachzudenken, bevor du mich bevormundest“, murmelte ich noch, dann drehte ich mich auf dem Absatz um und ging.

„Entschuldigt mich jetzt, ich muss mich um meine Freundin kümmern.“ Dann rannte ich.

Bis(s) zum Erwachen - Wie ein Déjà-vuWo Geschichten leben. Entdecke jetzt