Flammendes Häuschen

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Die Tür quietschte leise, als er sie öffnete. Das Licht, dass der Mond in die Fenster schien, erhellte den Raum und ließ ihn ziemlich groß aussehen. Der Fußboden bestand aus Holzdielen und unter dem Fenster an der rechten Wand lag ein kleiner, von Motten zerfressener Teppich. Am anderen Ende des Hauses war ein Holzkamin eingebaut, davor standen eine Zweier-Couch und ein großer Sessel. Wer gab sich so viel Mühe bei einem Waldhaus? Die Decke erschien mir undicht und ich war mehr als froh, dass es nicht regnete. Auf der linken Seite stand ein Bett, besser gesagt eine Holzliege mit einem dünnen Lacken überspannt. Ich dachte an die Horrorfilme, in denen sich Pärchen im Wald verliefen und dann in so ein Haus gerieten, in das nachts ein Massenmörder einkehrte und alle mit einer Kettensäge der Reihe nach abschlachtete. Schreckliche Vorstellung.

„Naja, das ist doch schon mal ganz gemütlich, würde ich sagen", meinte Jake und ließ sich ohne Hemmungen auf den Sessel plumpsen.

Ich seufzte und setzte mich vorsichtig auf die Couch. Die Federn unter dem Stoffkissen piekten mir sachte, aber doch so, dass es unangenehm war, in den Po.

„Ts, gemütlich", schnaubte ich. „Kalt ist es hier, ja. Und unheimlich."

Er stand auf und setzte sich neben mich, um dann langsam seinen Arm um meine Schultern zu legen. Ich lehnte mich an seine Brust und nahm einen tiefen Atemzug. Zufrieden stellte ich fest, dass er ja noch gar nicht wie ein Wolf roch und dass das auch noch eine Weile so bleiben würde. Die Vorstellung gefiel mir.

„Du hast Recht", sagte er dann. „Wenn wir nichts gegen die Kälte tun, könnten wir wirklich erfrieren. Ich werde Feuerholz holen gehen." Er erhob sich wieder und ich sackte auf die Kissen, als er seinen Arm wegzog.

„Und mich hier alleine lassen?" Es klang wie ein entsetzter, leiser Schrei.

Er sah mich prüfend an. „Du kannst auch mitkommen."

„Das gefällt mir schon besser", stimmte ich ihm zu und nickte.

„Aber du musst immer bei mir bleiben", ermahnte er mich.

Wieder nickte ich.

Als uns die Bäume wieder umringten, spürte ich, wie mir übel wurde. Ich konnte nicht recht sagen, ob ich Angst hatte, und wenn ja, wovor. Vielleicht, weil wir hier waren, inmitten von Büschen und Niemandsland, allein und ohne Weg nach draußen. Vielleicht, weil ich gescheitert war und die Lichtung nicht gefunden hatte. Aber vielleicht auch, weil ich langsam daran zweifelte, diese Lichtung würde es wirklich geben. Es war etwas von alledem, das mich dazu brachte, langsamer zu gehen und zu schwanken, während Jake einfach weiterlief. Er bemerkte nicht, dass ich nicht mehr so dicht hinter ihm war wie zuvor. Ich wollte ihn rufen, doch ich konnte nicht sprechen aus Angst, mich jeden Moment übergeben zu müssen, so stark hatte mich dieses Gefühl eingenommen. Rennen war aussichtslos, ich würde sofort hinfallen, mir womöglich noch beide Beine brechen. Also behielt ich dieses Tempo bei und hoffte darauf, Jake würde es schnell bemerken und zu mir zurückkommen. Doch da war er schon in der Dunkelheit verschwunden, von den Bäumen gefressen. Und ich war allein.

Mit ein paar Stöcken und Ästen unter den Armen stand ich da und weinte verzweifelt. Was sollte ich tun? Wie schon gesagt, rennen und schreien war ausgeschlossen. Ich konnte zurückgehen und versuchen, das Häuschen wiederzufinden, als Hilfe nur das Licht des Halbmondes, der vom Himmel herab schien. Es beinhaltete das Risiko, mich komplett zu verlaufen und für diese Nacht hier gefangen zu sein, hilflos in den Fängen der Raubtiere, die hier hausten. Doch würde ich es nicht versuchen und hier stehenbleiben, so würde es mir auch nichts bringen, würde Jake nicht denselben Weg zurück einlegen, um zu dem Haus zu gelangen. Dann wäre ich ebenso verloren. Also beschloss ich zurückzugehen, indem ich auf dem Absatz kehrt machte und den gleichen Weg - wie ich hoffte - entlang lief.

Bis(s) zum Erwachen - Wie ein Déjà-vuWhere stories live. Discover now