Woche sechs - Unverhofftes Wiedersehen

1.5K 61 16
                                    

Ich würde kämpfen.

Oh ja, und wie ich kämpfen würde. Nicht fair, nicht gerecht, nicht jugendfrei, aber das war mir egal. Und wenn Blut fließen würde – welch Ironie – es würde mich nicht interessieren. Das letzte, eine Prozent ließ mich hoffen.

*****~~~~~*****

Der Montagmorgen begrüßte mich mit ungewöhnlich hellem Licht. Ich öffnete die Augen und blickte direkt in den Sonnenschein. Die Sonne schien? Ich überlegte. Wann war es das letzte Mal richtig warm hier gewesen? Ich wusste es nicht, doch ich sagte mir, dass dies nur ein gutes Zeichen sein konnte. Dann machte ich mir wiederrum klar, zu viele Hoffnungen wären ungesund für mich und mein Gemüt, welche sowieso schon an Energie verloren hatten. Ich hatte mir fest vorgenommen, heute das erste Mal seit fünf Wochen wieder zur Schule zu gehen, und deswegen schwang ich die Beine von der Bettkante, klaubte mir die Decke vom Körper und stand schwankend auf.

Müde und mit langsamen Bewegungen ging ich zum Kleiderschrank, nahm mir meine Lieblingsbluse – irgendetwas sagte mir, dass der richtige Tag dafür war - und eine knielange Hose aus dem Schrank, nahm noch meine Haarbürste und schlurfte dann ins Badezimmer. Der Anblick meines Spiegelbildes Verwirrte mich. Sonst konnte ich mich morgens nicht angucken, so grässlich und verstellt sah ich aus, doch heute war es anders. Meine Augen waren von einem selten so flüssigen Schokoladenbraun, sie hatten nicht die eigentlich schon für mich typischen Augenringe unter ihnen, meine Wangen waren leicht gerötet, der Rest meines Gesichts war blass, was irgendwie … schön aussah. Mein Haar war zwar struppig und durch das Schlafen verfilzt, doch als ich mit der Bürste durch die fuhr, bekamen sie ungekanntes Volumen und schmeichelten meinem Gesicht. Als ich geduscht und mir meine Klamotten übergezogen hatte, sahen auch diese komischerweise besser an mir aus als an manch anderen Tagen.

Es musste einfach eine gute Entscheidung gewesen sein, heute wieder die High School zu besuchen. Aber, Bella, ermahnte ich mich selbst, freu dich bloß nicht zu früh. Du weißt, die Enttäuschung wird schrecklich sein.

„Morgen, Dad!“, begrüßte ich Charlie, als ich die Treppe hinunterkam, um mit ihm zu frühstücken. Als er von seiner Zeitung aufschaute, um mich ebenfalls zu begrüßen, weiteten sich seine Augen vor Erstaunen ein wenig.

„Morgen Bells“, murmelte er. „Du siehst … anders aus. Irgendwie … total schön.“

Ich spürte, wie ich rot wurde. „Meinst du ehrlich?“

Er nickte. „Bezaubernd.“

„Naja“, sagte ich und setzte mich zu ihm an den Tisch, nachdem ich mir mein morgendliches Müsli geschnappt hatte, „das ist doch schon einmal eine gute Aussicht.“

„Aber wieso bist du so früh wach?“

„Hab ich dir denn nichts gesagt? Ich gehe wieder zur Schule.“ Ich hatte es ihm wahrscheinlich wirklich nicht gesagt, denn ein Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus und er legte sofort seine Zeitung weg.

„Geht es dir wieder besser? Warum sagst du mir das erst jetzt?“

„Hab ich wohl vergessen. Und ja, mir geht es besser. Viel besser.“

Er stöhnte erleichtert auf. „Ich dachte schon, ich hätte als Vater völlig versagt.“

„Ach was“, lachte ich und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Dann nahm ich mit der anderen Hand den Löffel und füllte ihn mit Müsli, was ich mir dann in den Mund schob. „Du machst alles richtig, wirklich. Ich bin sehr zufrieden mit dir.“

„Ehrlich? Das … ist schön zu hören.“ Jetzt wurde er doch tatsächlich rot.

Ich sah auf die Uhr, die in der Küche hing, sprang auf und spülte mein Geschirr ab. „Ich muss auch schon los, bin spät dran. Bis heute Nachmittag, Dad.“ Ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange, ging in den Flur und zog mir meine Jacke über, dann öffnete ich die Tür und verschwand nach draußen.

Bis(s) zum Erwachen - Wie ein Déjà-vuWhere stories live. Discover now