Diskussion [Edward Cullen]

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Ich durfte nicht nachgeben.

Der Mond schien hell und schimmernd in das kleine Zimmer, erleuchtete einen Bruchteil des Raumes und warf sein Licht auf ihr wunderschönes Gesicht. Draußen wehte ein sachter Wind und ich hörte das leise Rauschen der Blätter, die Äste wurden geschüttelt und die Grashalme wiegten sich im Rhythmus der Luft. Und trotzdem waren das Einzige, was ich wirklich wahrnehmen konnte, ihr Atem und ihr Herzschlag. Obwohl sie ruhig und friedlich dalag, den Kopf auf meine Brust gelegt und einen Arm um mich geschlungen, raste ihr Puls, das Blut in ihren Adern kochte förmlich. Vielleicht war es ein Traum, der ihr so zu schaffen machte.

Vielleicht aber auch meine Anwesenheit.

Vorsichtig hob ich eine Hand und strich ihr langsam durch das braune Haar. Zerbrechlich und sanft fühlten sich die einzelnen Strähnen zwischen meinen gefährlichen, den Tod bringenden Fingern an. Ihre zart fliederfarbenen Lider waren geschlossen, nur manchmal zuckten sie, als suche Bella im Schlaf nach etwas. Bella. Ihr Name hallte unaufhörlich  in meinem Kopf wider, als ich sie weiter betrachtete. Die sonst so blassen Wangen waren noch leicht gerötet, vermutlich der Aufregung wegen. Sie bildeten einen ziemlich starken und kräftigen Kontrast zu ihrer bleichen Haut, genauso wie ihre rosa Lippen. Ein mir unbekanntes Kribbeln schoss durch meinen Körper, als ich daran dachte wie es gewesen war, als ich sie geküsst hatte. Für dieses Gefühl gab es einfach kein Substitut, ich konnte es nicht beschreiben.

Ihr Duft war atemberaubend gewesen. Sachte senkte ich meinen Kopf, um an ihren Haaren riechen zu können. Sofort war der Schmerz wieder da, mein Kiefer spannte sich an, ich versteifte mich am ganzen Körper, das säureartige Gift spritzte aus den Drüsen in meinem Mund. Alles verlangte nach Blut. Ihrem Blut. Doch ich hielt stand. Um mir diese Tatsache noch einmal selbst zu beweisen, legte ich meine beiden Arme um sie und drückte sie fest an mich. Ein herrliches Gefühl. Möglicherweise hatte sie es bemerkt, denn plötzlich begann ihr Herz, noch schneller zu schlagen. Leise summte ich ihr Schlaflied, bis es seine normale Geschwindigkeit wiedererlangt hatte.

Es wurde keineswegs einfacher; aber ich wurde stärker, so zumindest schien es mir. Ich konnte ihr so nahe sein, ihre Wärme spüren, ihren Geruch einatmen, ihren Herzschlag hören, ohne Angst haben zu müssen, die Kontrolle über meinen Körper zu verlieren. Sie war es, deretwegen ich zu einem besseren Menschen – ich lachte sarkastisch in mich hinein – werden wollte. Und sie war es auch, deren Liebe ich nicht verspielen wollte …

Liebe. Ich hatte dieses Wort für überbewertet gehalten. Insgeheim hatte ich noch nicht einmal daran geglaubt, die wahre, einzigartige Liebe gäbe es wirklich. Ich war der festen Überzeugung gewesen, Seelenverwandte und Bestimmungen wären nur Hirngespinste der Leute, um sich das Leben zu erleichtern. Doch jetzt sah ich das anders. Denn sie – meine wahre, einzigartige Liebe, meine Seelenverwandte, der Grund meiner Existenz – lag in meinen Armen. Ich konnte sie halten, für immer und ewig, so glaubte ich, doch gleichzeitig wusste ich, dass das nicht ging. Bis an ihr Lebensende wäre ich an ihrer Seite geblieben, wäre derjenige gewesen, der ihr jeden Wunsch von den Augen abliest und der sie beschützt. Aber das wollte sie sicher nicht. Ich war bestimmt nicht genug.

Sie wurde älter. Ich nicht. Sie hatte ein Leben. Ich nicht. Sie hatte Ziele. Ich nicht. Und sie hatte Möglichkeiten, dutzende Möglichkeiten, die ihr offen standen. Doch ich … nicht.

Ein trauriges Lächeln huschte über meine Lippen und hätte ich weinen können, wäre sicherlich ein salziger Tropfen auf ihre Wange gefallen. Vorsichtig und langsam, sodass sie es nicht merkte, wand ich mich aus ihren Armen – obwohl ich zu gern geblieben wäre, einzig und allein um ihr beim schlafen zuzuschauen und ihrem Atem zu lauschen – und küsste sie sanft auf die Stirn.

„Schlaf gut, meine Bella.“ Doch das reichte mir nicht. Ich wollte ihr und mir selbst die Gewissheit geben, dass ich wiederkommen würde. „Ich bin gleich zurück.“ Das war schon besser.

Bis(s) zum Erwachen - Wie ein Déjà-vuWhere stories live. Discover now