Tag 18 [02.05.2016]

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Tim P.o.v.

In die Schule werde ich heute definitiv nicht gehen. Der Kater ist viel zu stark. Hätte vorgestern vielleicht nicht so viel trinken sollen und dieser Nachtclub gestern war auch keine gute Idee.

Aber wie hätte ich dieses komische Gefühl denn sonst unterdrücken sollen? Dieses komische Gefühl, dass ich in Stegis Nähe die letzten Tage hatte. Es fühlte sich so ungewohnt an, doch löste gleichzeitig eine angenehme Wärme in mir aus.

Okay. Das wird mir hier zu kitschig. Ich führe mich ja schon wie irgendein verliebte Teenager auf.

Um diesen Gedanken irgendwie aus meinem Kopf zu vertreiben, rollte ich mich hastig aus meinem Bett und stand auf. Leider etwas zu hastig.

Mein Kopf brummte nur noch mehr als ohne hin schon und ich hatte das Gefühl, dass ich gleich in Ohnmacht fallen würde. Dummer Alkohol. Sowas wie dich will ich nie wieder trinken.

Jetzt sprach ich auch noch über den Alkohol, als wäre er eine Person. Mir geht's wirklich nicht mehr gut.

Mehr oder weniger fit stolperte ich also die Treppe runter, übersah dabei die letzte Stufe und fiel direkt meiner Mutter in die Arme.

"Mamaaa~", säuselte ich und versuchte mich irgendwie aus ihrem Griff zu befreien.

"Tim. Was hast du jetzt schon wieder gemacht?", erklang ihre strenge, aber doch sanfte Stimme.

"Nichts", murmelte ich nur.

"Du stinkst nach Alkohol. Das ist ja abartig. Du gehst jetzt erstmal wieder nach oben und ruhst dich aus. Wir reden nachher", fuhr sie fort und schickte mich wieder zurück in mein Zimmer. "Und wehe, du redest nicht!"

Murrend drehte ich mich also wieder um und stolperte die Treppe ebenso unvorsichtig wieder hinauf. In meinem Zimmer ließ ich mich in mein Bett fallen und starrte Löcher in die Luft.

"Scheiß Party. Scheiß Alkohol. Scheiß Gefühle. Scheiß Stegi. Scheiß Wette. Alles scheiße", fluchte ich und wendete mich so lange in meinem Bett bis ich auf einmal nichts mehr unter mir spürte und unsanft auf dem Boden landete.

"Tim!", rief meine Mutter etwas genervt von unten und kurz darauf öffnete sich die Tür zu meinem Zimmer.

"Was ist denn nur mit dir los?", besorgt bückte sie sich zu mir runter und strich mir einzelne Strähnen aus dem Gesicht.

"Mit mir ist nichts los, sondern mit Stegi", murrte ich nur und richtete mich wieder auf.

Können diese Schmerzen nicht einfach weggehen? Und diese Hitze ist unerträglich.

"Wer ist denn dieser Stegi jetzt schon wieder?", ein verwunderter Blick ging von meiner Mutter aus.

"Einer aus meiner Klasse"-"Und warum ist der so ein Problem? Hat er dir irgendwas angetan? War er gemein zu dir?", löcherte sie mich weiter mit Fragen. Diese Frau war echt zu gutherzig.

"Mama. Er hat mir nichts angetan. Eher im Gegenteil", zum Ende hin wurde ich immer leiser. Stegi tat mir leid. Das alles, was ich ihm in letzter Zeit angetan habe, war einfach nur fies. Ich sollte nicht so mit seinen Gefühlen spielen. Warum das alles? Warum diese dumme Wette? Ich hätte einfach ablehnen sollen und ihn wie weiterhin ignorieren sollen. Ich bin echt so dumm.

Ich vergrub meinen Kopf einfach hinter meinen Beinen. Ich hatte keine Lust jetzt mit meiner Mutter darüber zu reden. Sie würde von der ganzen Wette erfahren und herausfinden, was für ein schlechter Sohn ich in Wirklichkeit war und das wollte ich nicht. Ich wollte, dass sie weiterhin gut von mir denken würde und mich nicht als den Sohn abstempeln würde, der noch nichts in seinem Leben erreicht hat und dumme Wetten eingeht, um irgendwelche Weiber ab zubekommen.

Doch da war noch eine Sache. Mir war warm. Viel zu warm. Und dabei trug ich nur ein Shirt und eine kurze Hose. In diesem Zustand konnte ich unmöglich etwas Gescheites von mir geben, geschweige denn richtig denken. Das soll aufhören.

"Mama?", fragte ich nach einer kurzen Zeit der Stille. "Was ist denn mein Schatz?", langsam hockte sie sich neben mich und legte mir die Hand auf die Stirn. "Du bist ja ganz warm!", erschrocken stand sie wieder auf und rannte ins Badezimmer.

Während sie weg war, wurde meine Sicht immer verschwommener und mir wurde immer wärmer. Es soll aufhören. Alles aufhören. Diese Wärme und die Kopfschmerzen sind einfach unerträglich.

Ich nahm wahr wie meine Mutter wieder ins Zimmer gestürmt kam und mir etwas metallenes in den Mund steckte. Ich nahm einfach mal an, dass es ein Thermometer war.

Ein schrilles Piepsen ertönte und das metallene Ding wurde wieder aus meinem Mund herausgezogen.

"Tim. Du legst dich jetzt sofort wieder in dein Bett. Du hast Fieber", sagte meine Mutter bestimmend und ging so schnell wieder aus dem Zimmer hinaus wie sie hereingekommen war.

Ein unangenehmes Stechen durchfuhr meinen Kopf. Was hatte mir meine Mutter vorhin nur für ein Zeug von Medizin gegeben? "Das ist ja unerträglich", stöhnte ich genervt und versuchte mich im Bett zu wenden. Aber vorsichtig. Ich hatt nicht wirklich Lust darauf, dass sich das von heute Morgen nochmals wiederholen würde.

Müde gähnte ich einmal laut auf und schaute verschlafen aus meinem Fenster hinaus, direkt in die in Dunkelheit. Es war mittlerweile so düster draußen, dass ich wirklich gar nichts mehr erkennen konnten.
Hatte ich wirklich den ganzen Tag geschlafen? Anscheinend schon.

Gerade als ich mich aufrichten wollte, um meine Vorhänge zuziehen klopfte es zaghaft an meiner Tür. "Tim? Bist du wieder wach?", erklang die müde, aber doch klare Stimme meiner Mutter. Ohne auf eine Antwort zu warten, machte sie die Tür so leise wie möglich auf und schlich zu mir ans Bett.

"Mama? Was machst du hier?", fragte ich verwirrt. Sie sollte um diese Uhrzeit nicht noch wach sein. Schließlich müsste sie morgen wieder früh raus.
"Ich wollte schauen wie es meinem Sohn geht.", flüsterte sie und strich mir mit einer Hand über den Kopf.

"Mama", fing ich an," Geh wieder ins Bett. Mir geht es gut. Aber du musst morgen doch so früh schon zur Arbeit."

"Ich gehe ja schon ins Bett. Aber du bleibst morgen schön zu Hause. Schließlich hast du immer noch sehr hohes Fieber.", lächelte sie fürsorglich, nachdem sie ihre Hand wieder von meiner Stirn herunter genommen hatte.
Diese Frau ist wirklich viel zu nett. Ich habe so eine fürsorgliche Mutter doch eigentlich gar nicht verdient. Bei den Dingen, die ich den ganzen Tag so anstelle.

"Gute Nacht, mein Großer", meinte meine Mutter noch, ehe sie mir einen leichten Kuss auf die Wange gab und aus meinem Zimmer verschwand.

"Na toll", seufzte ich leise und vergrub meinen Kopf wieder in meinem Kissen.

Ich konnte mich an so gut wie gar nichts mehr von heute Morgen erinnern. Das letzte, was mir meine Erinnerungen preisgeben, wollten war, als meine Mutter mich wieder in mein Zimmer schicken wollte. Danach war alles nur noch verschwommen. Hoffentlich hab ich nichts Schlimmes gesagt. Das könnte sonst noch alles falsch verstanden werden.

Plötzlich stockte mir der Atem. "Hab ich etwa von Stegi erzählt? Oder noch schlimmer ... von der Wette?", Fragen über Fragen plagten meinen eh schon demoliertes Gehirn.
Hoffen. Hoffen ist das einzige, was ich jetzt noch tun kann.

"Ich schlafe jetzt einfach etwas und vergesse am besten einfach den heutigen Tag. Klingt doch nach einem guten Plan oder?", redete ich mir selbst mehrfach ein und versuchte diesen Worten Glauben zu schenken. Vergeblich.

Mit einem starren Blick an die Decke gerichtet lag ich in meinem Bett. Egal wie weich das Bett auch war ich konnte nicht schlafen. Nicht in diesem Moment. Ich war hellwach, fühlte mich wie jemand, der gerade zu viel Koffein zu sich genommen hat.

Irgendwas in mir sagte, dass ich jetzt noch etwas Wichtiges zu erledigen hatte. Doch ich kam einfach nicht darauf, was es war. Das Training hatte meine Mutter für diese Woche bestimmt schon abgesagt und auch Rafi hatte sie mit Sicherheit schon Bescheid gesagt. Also was könnte es sonst sein?
Egal wie lange ich mir den Kopf darüber auch zerbrach, ich kam zu keinem schlüssigen Ergebnis.

Mit Stegi war soweit auch alles geklärt. Na ja. Um ehrlich zu sein überhaupt nicht. Bin ich etwa zu schnell an die Sache herangegangen?
Seit der Wette waren jetzt ein bisschen mehr als zwei Wochen vergangen und fast jeden Tag hatte ich was mit dem Kleinem zu tun gehabt. War es etwa zu offensichtlich? Wahrscheinlich. So dumm wie ich mich angestellt habe, hat er sicherlich schon längst Wind von allem bekommen oder hatte zumindest eine Vorahnung.

Ich sollte in Zukunft das alles langsamer angehen. Schließlich hab ich ihn doch sehr verwirrt. Ich meine ich habe einfach so angefangen Kontakt mit ihm aufzubauen. Von dem einem auf den anderen Tag. Ich habe versucht so gut wie jeden etwas mit ihm zu unternehmen und wollte ihn schon nach zwei Wochen küssen. Wer wäre da nicht verwirrt?

Aufgebracht schlug ich mir mit der Hand an den Kopf. Was dachte ich mir da bitteschön? Es ist immer noch Stegi, von dem hier die Rede ist. Lediglich ein kleiner Nichtsnutz aus meiner Klasse, welcher sofort jedem hinterherrannte. Warum machte ich mir auf einmal so viele Sorgen um alles?

"Stegi ist und bleibt ein kleiner Nichtskönner. Punkt. Aus. Ende der Diskussion", redete ich mir selbst ein und schlug mir bei den letzten sechs Wörtern immer wieder gegen die Stirn.

Ich hätte mich einfach nicht auf die Wette einlassen sollen. Dann würden mir jetzt sicherlich nicht so viele Gedanken im Kopf herumschwirren und mir so meinen wohlverdienten Schlaf rauben.

Um ehrlich zu sein bräuchte ich die Wette gar nicht, um Rafis Schwester zu daten, die hat sich doch schon längst in mich verliebt. Denkt wohl ich merke nicht, wie sich mich immer anstarrt, wenn ich bei meinem besten Freund zu Besuch bin. Ich hatte schon seit längerem ein Auge auf seine Schwester geworfen. Sie war wirklich ein Traum von einem Mädchen, schlank, hübsch, nicht zu groß und nicht zu klein.
Das einzige Problem an der ganzen Sache war Rafael selbst. Wenn der mitbekommen würde, dass ich auf einmal einfach so mit seiner Schwester zusammen wäre, dann würde er mich direkt dem Erdboden gleich machen.

Was das Thema "Mein bester Freund datet meine Schwester" anging war er wirklich ziemlich reizbar. Ich hatte ihn bisher nur einmal so aufgebracht erlebt und das war schon Jahre her. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, welche schlimmen Dinge er mir alles antun würde.

Mitten in meinem Gedankenschwall wurden meine Augenlider plötzlich schwer und ich wurde in einen unruhigen Traum gezogen. Schön war er nicht gerade, aber wenigstens besser als noch immer hellwach in meinem Bett zu liegen.

Damn, he is gay! | Stexpert (Reupload)Where stories live. Discover now